- Lexikon
- Geschichte
- 3 Frühe Hochkulturen
- 3.2 Ägypten
- 3.2.1 Bedingungen für die Herausbildung der Hochkultur
- Die Schriften der Ägypter
Die altägyptische Bilderschrift, die Hieroglyphen, waren schwer handhabbar. Die Hieroglyphenschrift fand deshalb vor allem bei der inschriftlichen Ausgestaltung herrschaftlicher oder religiöser Steinmonumente Anwendung, z. B. in Tempeln oder Grabmälern.
Die alltägliche anfallende umfangreiche Verwaltungsarbeit des ägyptischen Staates bedurfte jedoch einer schneller schreib- und lesbaren Schrift. Als geeignete Schriftarten standen der pharaonischen Verwaltung hierfür seit 3000 v. Chr. die hieratische und seit 700 v. Chr. die demotische Kursivschrift zur Verfügung.
Die massenhafte Anwendung dieser Kursivschriften in der Verwaltung, aber auch im privaten Bereich und in der Literatur war jedoch an Bedingungen geknüpft. Vor allem war ein leichter, leicht zu beschreibender, in der Herstellung preiswerter und dauerhaft zur Verfügung stehender Schreibstoff als Schreibgrundlage erforderlich.
In Ägypten erfüllte der Papyrus alle diese Anforderungen an eine Schreibgrundlage. Dieses lange Zeit wichtigste Schreibmaterial der Antike war zugleich eine der Grundlagen für die Entwicklung der Hochkultur Ägyptens.
Papyrus ist die lateinische Fassung der Bezeichnung Papyros, die die Griechen dem Schreibstoff der Ägypter gaben. Möglicherweise wandelten die Griechen dabei das ägyptische Wort „pa-per-ao“, welches „dem Pharao gehörend“ bedeutete, dafür ab. Von Papyrus abgeleitet ist auch die deutsche Bezeichnung Papier.
Allerdings ist das aus dem Grundstoff Holz hergestellte Papier ein gänzlich anderes Produkt als der ägyptische Papyrus.
Die zu den Zyperngräsern zählende Papyrusstaude (Cyperus papyrus) ist eine Sumpfpflanze. Die heute in Ägypten fast völlig ausgerottete Art prägte das Bild der altägyptischen Flusslandschaft von der Südgrenze bis zur Nilmündung. Weit verbreitet war Papyrus vor allem im Nildelta und wurde so auch zur Wappenpflanze Unterägyptens.
Die Papyrusstauden bildeten hier in stehenden Gewässern und in den Uferbereichen langsam fließender Gewässer zusammen mit Binsen ein mehr als mannshohes, schwimmendes und kaum passierbares Pflanzendickicht. Das Betreten dieses Dickichts war nicht gefahrlos, da es zu den beliebtesten Aufenthalts- und Jagdräumen des Nilkrokodils zählte. Dennoch zog es die Ägypter nicht nur zur Papyrusernte, sondern auch zur beliebten Entenjagd in die Ufersümpfe.
Junge Pflanzen, die eine bestimmte Minimallänge nicht unter- und eine bestimmte Maximallänge nicht überschritten, lieferten den besten Rohstoff für Papyrus in hochwertiger Qualität. Deshalb wurde der Papyrus auch mit großer Wahrscheinlichkeit nicht ganzjährig geerntet. Die Erntesaison dürfte wahrscheinlich mit der Getreideernte im April und Mai zusammengefallen sein.
Die Papyrusstauden wurde geschnitten, nachdem sich die Blütenstände geöffnet hatten. Die Stängel mit ihrem dreieckigen Querschnitt wurden vom Boot aus abgeschnitten und zu tragbaren Bündeln geschnürt. Ihr Weitertransport musste recht schnell erfolgten, da die Qualität des Schreibmaterials nicht unwesentlich von der Frische des Rohstoffs abhing.
Im ersten Arbeitsgang wurde die harte Haut des Papyrus von den Stängeln abgeschält. Das freigelegte fast weiße, schwammige und klebrige Mark wurde danach in möglichst dünne, etwa 20 bis 50 cm lange Streifen geschnitten. Die Streifen wurden dann längs auf tuchbedeckten Stein- oder Holzplatten 20 bis 40 cm breit als Basalschicht nebeneinandergelegt. Darüber legte man nun eine Deckschicht von quer angeordneten Streifen entsprechender Länge und deckte die beiden Streifenlagen mit einem Tuch ab. Durch Hämmern mit einem Schlegel wurde jetzt Druck erzeugt. Dadurch trat aus den Markstreifen der sehr stärkehaltige Saft aus, der die Streifenlagen gleichzeitig miteinander fest verklebte.
Durch das Trocknen „verschmolzen“ die Streifenlagen lücken- und übergangslos zu einem Papyrus-Rohblatt mit noch rauher Oberfläche und unregelmäßigen Rändern.
Das wurde beim nächsten Arbeitsgang dann auf das gewünschte Format zurechtgeschnitten. Außerdem wurden die Papyrusblätter mit geeigneten Steinen abgerieben und dadurch glatt geschmirgelt.
Um „Bücher“ mit längeren zusammenhängenden Texten schreiben zu können, wurden abschließend jeweils mehrere Papyrusblätter hintereinander mit dem Pflanzensaft verklebt und zu Papyrusrollen aufgerollt.
Die bis zu einem halben Meter dicken und teilweise über 20 Meter langen Streifen dienten als Buchrollen. Das längste heute noch erhaltene Papyrusbuch misst sogar 41 Meter. Es befindet sich im Britischen Museum in London.
Das Beschreiben der Rollen erfolgte mit schwarzer Tinte. Die Schreiber bedienten sich einfacher Binsen als Schreibgeräte. Überschriften wurden sorgfältig mit roter Tinte hervorgehoben. Aufschriften oder angeheftete Etiketten verrieten den Inhalt der Rollen.
Die Buchrollen wurden seitenweise beschrieben und gelesen, von rechts nach links und von oben nach unten. Zum Lesen wurde immer eine Seite von links abgerollt und nach der Lektüre nach rechts aufgerollt.
Jeder größere ägyptische Tempel besaß eine als „Haus der Buchrollen“ bezeichnete Bibliothek. Dank der Strapazierfähigkeit und Biegsamkeit des Papyrus hielten die Buchrollen auch der hohen Beanspruchung bei regelmäßiger Benutzung stand. Doch auch bei vielen Privatleuten gab es kleine Sammlungen, die in Krügen aufbewahrt wurden.
Die größte Sammlung von Papyrus-Buchrollen barg allerdings die berühmte, schon in hellenistischer Zeit in Ägypen gegründete königliche Bibliothek von Alexandria. In den über 700 000 Papyrusrollen ihres Bestandes war ein Großteil des gesamten Wissens der Welt der griechischen und ägyptischen Antike „aufbewahrt“.
In der trockenen Wüstenluft Ägyptens waren die Papyrusblätter nahezu zeitlos haltbar. Papyrustexte zählten zu den wichtigen Grabbeigaben der Ägypter. Da nicht nur die Königsgräber, sondern auch die Privatgräber der Bevölkerung außerhalb der feuchten Ackerflächen in der Nilaue angelegt wurden, ist deshalb eine ungeheure Zahl schriftlicher Quellen aus altägyptischer Zeit erhalten geblieben.
Die Herstellung von hochwertigem, unter dem Einfluss des Sonnenlichts nicht vergilbendem Papyrus erfolgte in Spezialwerkstätten. Da sich Papyrus auch außerhalb Ägyptens sehr großer Beliebtheit erfreute, stieg es neben dem Getreide zu einem wichtigen Exportgut Ägyptens auf.
Herstellung und Handel zählten aber zu den Monopolen des königlichen Schatzhauses.
Obwohl Papyrus in großen Mengen erzeugt wurde und sein Rohstoff in fast unerschöpflichen Mengen vorhanden war, gab es das fertige Produkt nicht im Überfluss. Bereits beschriebene Papyri wurden deshalb von den Schreibern zu allen Zeiten abgewaschen oder abgeschabt, um sie erneut beschreiben zu können. Diese Vorgehensweise deutet auch auf hohe Preise und gelegentliche Knappheiten auf dem Papyrusmarkt hin.
Konkurrenz als Schreibstoff erhielt der ägyptische Papyrus erst im 2. Jh. v. Chr. in Gestalt des Pergaments. Dieses nach seinem Ursprungsort Pergamon benannte Produkt bestand aus hauchdünner Tierhaut.
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