Code civil – Basis für ein bürgerliches Gesetzbuch

Der Code civil

Unter den Bourbonenkönigen hatte es kein einheitliches, für ganz Frankreich gültiges Recht gegeben. Vielmehr gab es über vierhundert Gebiete mit unterschiedlichen Rechtsvorschriften und Gesetzen. Im Süden galt das römische, geschriebene Recht. Im Norden dagegen gab es Hunderte kleine Gebiete mit den verschiedensten Gewohnheitsrechten, die z. T. noch aus den Zeiten des Fränkischen Reiches stammten.
Seit 1790 hatten die verschiedenen Revolutionsregierungen an einem einheitlichen Zivilrecht gearbeitet, ohne die Arbeiten zu einem Abschluss zu bringen.
NAPOLEON wollte nun etwas völlig Neues schaffen: Ein Gesetzbuch, in dem gleichzeitig auch jene Errungenschaften der Revolution, die er unbedingt beibehalten wollte, gesetzlich verankert wurden. Er ließ von vier Juristen zunächst einen Entwurf erarbeiten. Dieser Entwurf wurde dann von der Gesetzgebungskommission des Staatsrates in insgesamt 102 Sitzungen Punkt für Punkt beraten. An mehr als der Hälfte dieser Sitzungen nahm NAPOLEON persönlich teil. Zu strittigen Fragen lieferte er oft selbst sehr praktikable Lösungen. Allein die Häufigkeit seiner persönlichen Teilnahme an diesen Sitzungen deutet schon darauf hin, wie wichtig NAPOLEON dieses Gesetzbuch war.
Mit seiner Veröffentlichung am 23. März 1804 trat der Code civil, wie das Gesetzbuch zunächst benannt wurde, in Kraft. Ab 1807 wurde er in Code NAPOLÉON umbenannt. Der Code civil ist trotz zahlreicher Änderungen bis heute in Frankreich gültiges Zivilrecht. Das Gesetzeswerk umfasst insgesamt 2 281 Artikel. Diese sind in vier Teile untergliedert:

  • Einleitung
  • 1. Buch: Personenrecht,
  • 2. Buch: Sachenrecht,
  • 3. Buch: Erb-, Schuld-, Güter-, Pfand- und Hypothekenrecht.

Die wichtigsten Errungenschaften der Revolution, die im Code civil verankert wurden, waren:

  • die Gleichheit aller vor dem Gesetz,
  • die Anerkennung der Freiheit des Einzelnen,
  • die Anerkennung der Freiheit des Eigentums, u. a. der Ungebundenheit des Besitzes an Boden,
  • die Freiheit des Gewissens,
  • die Freiheit der Arbeit, u. a. durch Abschaffung des Zunftzwangs,
  • die Trennung von Staat und Kirche durch die Einführung der obligatorischen Zivilehe.

Der Code civil kam mit diesen Rechtsvorschriften den Wünschen vieler Bürger entgegen, die während der Revolutionszeit den früheren Besitz von Adligen oder Kirchengüter erworben hatten. Außerdem wurde durch die in den meisten Fällen nun „klare Rechtslage“ die Entwicklung des Handels und der Industrie gefördert. Während mit dem Code civil die Reste des Feudalwesens gänzlich abgeschafft wurden, blieb hingegen die Gleichstellung von Mann und Frau weiterhin offen.

Internationale Wirkungen

Nach dem Zusammenbruch der napoleonischen Herrschaft wurde der Code civil nicht nur in Frankreich, sondern auch in vielen anderen, ehedem von der Grande Armee besetzten Ländern beibehalten, beispielsweise in den Niederlanden, in Belgien, im Herzogtum Parma und im Königreich Neapel. Ab 1866 wurde er in Gesamtitalien, im Großherzogtum Warschau, in Spanien, Portugal, Ägypten, Rumänien sowie in einigen amerikanischen Staaten als gültiges bürgerliches Recht eingeführt.
In Deutschland behielt der Code civil zunächst in den ehedem von NAPOLEON an Frankreich angegliederten Gebieten seine Geltung:
in Baden, der bayerischen Pfalz, in den links des Rheins befindlichen Gebieten Preußens und im heutigen rheinisch-westfälischen Industriegebiet. Er galt hier bis zur Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches im nun geeinten Deutschland im Jahr 1900. Aber auch auf dieses hat der Code civil einen maßgeblichen Einfluss ausgeübt.
In all den genannten Ländern bzw. in deren Nachfolgestaaten gilt der Code civil jedoch auch noch heute als unterstützendes Recht; immer dann, wenn das Bürgerliche Gesetzbuch Fragen offenlässt.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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