Aus dem Schiffstagebuch von Kolumbus – Begegnung mit Indianern

Das Original des von CHRISTOPH KOLUMBUS geführten Bordtagebuches ging verloren. Doch sein Inhalt wurde überliefert – dank einer Abschrift, die der spanische Priester BARTOLOMÉ DE LAS CASAS angefertigt hatte. Diese Abschrift befindet sich heute in der Handschriftenabteilung der Nationalbibliothek zu Madrid. LAS CASAS referiert allerdings nur die Tagebuchnotizen, zitierte also die eigenen Worte KOLUMBUS' nur in Auszügen. Ansonsten spricht er vom Admiral in der dritten Person.

Santa Maria, Pinta und Niña

KOLUMBUS konnte, nachdem er schon beim König von Portugal gescheitert war, auch das spanische Königshaus zunächst nicht davon überzeugen, seine Pläne zu unterstützen.
Erst nach sechs Jahren langen Wartens, nachdem die Reconquista mit dem Sieg über Granada, der letzten maurischen Bastion in Spanien, ihren Abschluss fand, erhielt KOLUMBUS die Unterstützung der katholischen Majestäten, wie ISABELLA und FERDINAND in ihrer Zeit bezeichnet wurden.
Sie unterstützten den Bau und die Ausrüstung der Schiffe, mit denen KOLUMBUS zwischen 1492 und 1504 auf vier Reisen achtmal den Atlantik überquerte. Umgekehrt erhielt er vom Königshaus den Auftrag, für Spanien neue Ländereien mit deren Bewohnern und Reichtümern zu gewinnen.
KOLUMBUS ging auf seiner ersten Reise mit drei Schiffen auf Westkurs, um jenseits des Atlantik das sagenhafte und vor allem goldreiche Indien zu finden. Das Flaggschiff „Santa Maria“, befehligte der Admiral selbst. Die „Niña“ und die „Pinta“ wurden von anderen Kapitänen befehligt.

Land für FERDINAND und ISABELLA

Am 12. Oktober des Jahres 1492 erreichten KOLUMBUS und seine Begleiter Guanahani, eine kleine Insel der Bahamas. Diesen denkwürdigen Augenblick hielt KOLUMBUS im Schiffstagebuch fest:

„Bald sahen sie dort nackte Leute am Strand, und der Admiral fuhr in einem mit Waffen ausgerüsteten Boot an Land; Martín Alonso Pinzón und Vicente Anes, sein Bruder, der Kapitän auf der Niña war, begleiteten ihn. Der Admiral entfaltete das königliche Banner und die beiden Kapitäne zwei Fahnen mit dem grünen Kreuz; dieses führte der Admiral zur Kennzeichnung auf allen seinen Schiffen mit den Lettern F und Y: jeder Buchstabe trug eine Krone, der eine stand links, der andere rechts vom waagerechten Kreuzesbalken. Als sie an Land stiegen, sahen sie sehr grüne Bäume und viele Gewässer und zahlreiche Früchte verschiedener Art. Der Admiral rief die beiden Kapitäne und die anderen, die an Land gesprungen waren, zu sich ... und sagte, sie sollten getreulich bezeugen, daß er vor aller Augen für den König und die Königin, ihre Herren, von der Insel Besitz ergriff, und so tat er es auch.“

Freundschaftliche Begegnungen

KOLUMBUS und seine Begleiter mussten nicht lange warten. Bald kamen zahlreiche Inselbewohner an den Strand. Sie waren wahrscheinlich neugierig auf die Neuankömmlinge, deren Aussehen sich so sehr von dem ihren unterschied. Es waren freundliche Leute, auf die KOLUMBUS traf. Noch heute können wir seine Äußerungen über diese erste Begegnung mit „Indianern“, wie er die Menschen „dieser Indien“ nannte, in seinem Bordtagebuch nachlesen. LAS CASAS betonte in diesem Falle, es seien wortwörtlich die Äußerungen des Admirals:

„Da sie uns große Freundschaft erwiesen und ich erkannte, daß es Leute waren, die sich besser mit Liebe zu unserem heiligen Glauben befreien und bekehren würden als mit Gewalt, gab ich einigen von ihnen ein paar bunte Mützen und etliche Glaskugeln, die sie sich um den Hals hängten, und allerhand andere Dinge von geringem Wert, an denen sie großes Vergnügen fanden, und sie waren uns derart zugetan, dass es ein Wunder war. Hernach kamen sie zu den Booten geschwommen, in denen wir saßen, und brachten uns Papageien und Knäuel mit Baumwollfäden, Wurfspieße und viele andere Dinge und tauschten sie gegen Dinge ein, die wir ihnen gaben, zum Beispiel Glaskügelchen und Glöckchen. Kurz gesagt, sie nahmen alles und gaben sehr bereitwillig von dem, was sie hatten. Aber mir schien, als seien die Leute sehr arm an allem. Sie gehen allesamt nackt umher, wie sie ihre Mutter zur Welt gebracht hat, auch die Frauen.“

Gutmütig, aber mit leichter Auffassungsgabe

KOLUMBUS erkannte, dass er es mit Menschen zu tun hatte, die keine Waffen trugen und auch keine kannten. Er berichtete in seinem Bordtagebuch weiter:

„... ich zeigte ihnen Schwerter, und sie fassten sie an der Schneide und schnitten sich aus Unwissenheit. Sie haben überhaupt kein Eisen: Ihre Wurfspieße sind Stöcke ohne Eisenspitze, und an manchen von ihnen ist vorne ein Fischzahn befestigt oder etwas anderes. Sie sind durchweg von großer Statur und gut gebaut, ihre Bewegungen sind anmutig; ich sah einige, deren Körper Spuren von Verletzungen aufwiesen; durch Gebärden fragte ich, was es damit auf sich habe, und sie bedeuteten mir, von anderen nahe gelegenen Inseln kämen Leute, die sie mitnehmen wollten, und sie leisteten Widerstand; aber ich glaubte und glaube auch jetzt noch, daß jene vom Festland dorthin kommen, um sie gefangenzunehmen. Sie müssen treffliche Diener sein und von gutem Verstand, denn ich sah, dass sie sehr schnell alles nachsagen konnten, was ich ihnen vorsprach, und ich glaube, man könnte sie leicht zum Christentum bekehren, denn mir schien, daß sie keiner Sekte angehören. … All das sind Worte des Admirals.“

Sie werden sie zum Christentum bekehren ...

KOLUMBUS kam also zur Überzeugung, dass die eingeborenen Indianer völlig arglos und wenig kriegerisch waren. Deshalb verbürgte er sich laut Tagebuch gegenüber seinen Auftraggebern FERDINAND und ISABELLA:

„...wenn fromme Kirchenmänner hierherkämen, die zu ihnen in ihrer Sprache reden könnten, dann würden sie alle auf der Stelle Christen werden; und so hoffe ich auf unsern Herrn, dass Eure Hoheiten sich mit großer Eile dazu entschließen werden, um diese großen Völker in den Schoß der Kirche heimzuholen, und sie werden sie bekehren …“

Eine andere Stelle des Tagebuchs macht den Zweck der Bekehrung zum Christentum sichtbar:

„...dass diese Leute keiner Sekte angehören und keine Götzen verehren, vielmehr sind sie sehr sanft und wissen nicht, was böse ist, noch töten sie andere oder nehmen sie gefangen, sie tragen keinerlei Waffe und sind so furchtsam, daß hundert von ihnen vor einem der unseren Reißaus nehmen, selbst wenn man nur seinen Spaß mit ihnen treibt; sie neigen zur Gläubigkeit und wissen, dass Gott im Himmel ist; sie sind davon überzeugt, dass auch wir vom Himmel gekommen sind, und sehr schnell bereit zu jedem Gebet, dass wir ihnen vorsprechen, sie sagen es nach und schlagen dabei das Kreuz. Und so sollten sich Eure Hoheiten entschließen, sie zu Christen zu machen, denn ich glaube, wenn man damit beginnt, wird man nach kurzer Zeit eine Vielzahl von Völkern vollends zu unserem heiligen Glauben bekehrt haben und so große Herrschaften und Reichtümer und alle diese Völker für Spanien gewinnen, denn zweifellos gibt es in diesen Gebieten riesige Mengen Goldes, und nicht ohne Grund sagen die Indios, die ich mitführe, dass es auf diesen Inseln Orte gibt, wo man das Gold aus der Erde gräbt ...“

Gold

KOLUMBUS war, wie der eben zitierte Tagebuchausschnitt beweist, von seinen Auftraggebern vor allem darauf orientiert worden, nach dem Vorhandensein von Gold zu forschen. Im Schiffstagebuch kann man darüber weiter lesen:

„Ich war aufmerksam und bemühte mich, in Erfahrung zu bringen, ob es Gold gäbe, und ich sah, dass ein paar von ihnen ein Stückchen in einer Öffnung trugen, die sie in die Nasenwand gebohrt hatten, und durch Zeichensprache konnte ich folgendes herausfinden: Wenn man nach Süden gehe oder die Insel nach Süden zu umfahre, so sei dort ein König, der große Gefäße aus Gold habe und der sehr, sehr viel davon habe...Und sie geben mir immer wieder zu verstehen, daß es die Leute an den Armen und Beinen tragen, und es ist Gold, denn ich zeigte ihnen ein par Stücke von dem, das ich selbst bei mir habe; mit der Hilfe unseres Herrn kann ich nicht fehlgehen, und ich werde es finden, wo es anzutreffen ist.“

Vom Laster der Indios zu fetten Steuern für die spanische Krone

Das Tagebuch enthält auch eine interessante Passage zu den Ursprüngen eines Lasters, das in Europa bis in unsere Zeit hinein verbreitet ist, das Rauchen:
KOLUMBUS sandte einmal zwei Männer aus, die den Auftrag erhielten, das Landesinnere genauer in Augenschein zu nehmen. Nachdem die Männer zurückgekehrt waren und Bericht erstattet hatten, notierte er im Schiffstagebuch:

„Die beiden Christen trafen auf ihrem Weg viele Leute, die durch ihre Dörfer zogen, Frauen und Männer, die glühende Scheite und Kräuter trugen, mit denen sie die bei ihnen üblichen Räucherungen vornahmen.“

MARTÍN FERNÁNDEZ DE NAVARRETE, der das Schiffstagebuch von KOLUMBUS im Jahre 1825 in Madrid herausgab, machte dazu noch folgende Anmerkung:

„Bischof LAS CASAS hat über diesen Vorfall ausführlicher berichtet. Er beschrieb die Kräuter als 'trockene Kräuter', die man in ein bestimmtes ebenfalls trockenes Blatt steckt ... und wenn es an der einen Seite angezündet ist, dann saugen oder schlürfen oder entnehmen sie am anderen Ende jenen Rauch, indem sie ihn einatmen ... diese Kräuter hätten die Indianer selbst tabacos genannt. Las Casas teilte mit, er habe auf der Isla Española Spanier kennengelernt, die sie zu verwenden pflegten und die, wenn man sie deshalb tadelte und sagte, dies sei ein Laster, antworteten, es stünde nicht in ihrer Macht, damit aufzuhören. Las Casas selbst meinte, er wüsste nicht, „welchen Nutzen oder Geschmack sie daran finden“.

DE NAVARRETE ergänzte seine Anmerkung weiter:

„Hier liegt also der Ursprung unserer Zigarren. Wer würde damals gemeint haben, daß ihr Gebrauch und ihre Benutzung so verbreitet und allgemein werden würden und daß auf dieses neue und seltsame Laster eine der fettesten Steuern des Staates erhoben werden sollte?“

Die Zitate sind folgender Quelle entnommen:
Christoph Columbus: Schiffstagebuch. Aus dem Spanischen. Übersetzung von Roland Erb. Nachwort von Jürgen Hell. Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig 1986, 4. Aufl. (Übersetzung nach: Cristóbal Colón: Diario de Navegación. Publicación de la Comisión Nacional Cubana de la UNESCO, La Habana 1961; Text und die als Anmerkungen wiedergegebenen Fußnoten der kubanischen Ausgabe folgen der Ausgabe von Martin Fernández de Navarrete, Madrid 1825).

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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