Vogelzug

Der Vogelzug beruht vor allem auf der ausgeprägten Saisonalität des Nahrungsmittelangebots in den gemäßigten und kalten Klimazonen:

Während des Sommers gibt es ein reichliches Angebot an Nahrung, das auch für die Aufzucht der Brut ausreicht. Im Winter jedoch ist die Verfügbarkeit von Nahrung aufgrund der Kälte ganz oder drastisch eingeschränkt.

Der Vogelzug, d. h. die Zeiten des Aufbruchs, die Längen und Streckenführungen der Flüge, die Überwinterungsgebiete und auch die Zeitpunkte der Rückkehr der Vögel, ist je nach Vogelart sehr unterschiedlich.
So kann man Zugvogelarten nach ihrem Zugverhalten in Langstrecken-, Mittelstrecken- und Kurzstreckenzieher einteilen:

  • Zu den bekanntesten Langstreckenziehern gehört die Küstenseeschwalbe, die auf ihrem Zug von der Arktis der Nordhalbkugel bis zu den Küsten der Antarktis und wieder zurück fliegt.
  • Kurzstreckenzieher sind solche, die nur wenige hundert Kilometer zurücklegen oder eine vertikale Wanderung vollziehen. Ein Beispiel hierfür ist der Bergpieper, der in den Hochlagen der Alpen brütet, über den Winter aber in die nahe gelegene Talstufe ausweicht.
  • Manche Vogelarten legen auch auf ihrem Rückflug eine andere Strecke zurück als auf dem Hinflug. Diese Art von Zugverhalten wird als Schleifenzug bezeichnet. Der Kurzschwanzsturmtaucher umrundet beispielsweise während seiner Wanderung den gesamten Pazifik.

Lange Strecken zu fliegen und zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, erfordert von den Zugvögeln erhebliche Anpassungsleistungen. Im Wesentlichen sind es folgende drei:

  • die zeitliche Orientierung,
     
  • die räumliche Orientierung,
     
  • die physiologische Anpassung, um dem Flug körperlich gewappnet zu sein.

Die zeitliche Orientierung wird vor allem von zwei Faktorengruppen gesteuert:
Zum einen sind es Umweltfaktoren (exogene Faktoren), z. B. Kaltfronten, Schneefall oder akuter Nahrungsmangel. Die jahreszeitliche Schwankung der Tageslänge, die Fotoperiode, gilt dabei aufgrund ihrer hohen Präzision als der wichtigste Umweltfaktor, der den Vogelzug mit auslöst. Je kürzer die Tage im Herbst werden, desto größer wird die „Zugunruhe“, das Bestreben loszufliegen. Doch diese Faktoren allein reichen nicht aus, um das Phänomen zu erklären.
Die Zugvögel verfügen zum anderen über innere, endogene, Mechanismen, die man als innere Uhr bezeichnen könnte und die an der Auslösung des Zuges und an der Zugsteuerung hauptsächlich beteiligt sind. So treffen Gartengrasmücken im Mittel am 1. Mai mit einer Abweichung von nur 5 Tagen in Mitteldeutschland ein, obwohl die Bedingungen in den Überwinterungsgebieten noch günstig sind.
Diese endogenen Faktoren, die den Zugvögeln angeboren sind, werden durch die äußeren Umweltfaktoren, wie beispielsweise die Fotoperiode, ständig abgeglichen.

Auch bei der räumlichen Orientierung spielt ein endogener Faktor, die angeborene Richtungsorientierung, die entscheidende Rolle.
Demgegenüber ist jene Zielorientierung nur von geringerer Bedeutung, die auf einer Art „erfahrener Landkarte“ beruht, die es Altvögeln ermöglicht, gewisse Navigationsleistungen zu vollbringen. Jungvögel dagegen können ja noch keine Zielvorstellung vom jeweiligen Überwinterungsgebiet haben, da sie noch nie dort gewesen sind.

Die Vögel müssen also noch andere Orientierungsgrundlagen besitzen. Eine solche ist der angeborene Kompass, auf den sie sich beim Losfliegen verlassen können. Man kann drei Kompass-Systeme unterscheiden, die artabhängig mehr oder weniger zusammenspielen:

  • Zum einen gibt es den Sonnenkompass, bei dem sich die Vögel am Stand der Sonne orientieren.
  • Ähnlich funktioniert auch der Sternenkompass, auf den nachtfliegende Zugvogelarten angewiesen sind. Dabei geht man nicht davon aus, dass sie abstrakte Himmelsbilder im Kopf haben, anhand derer sie navigieren, sondern dass sie sich am Rotationsmittelpunkt des Himmels nahe des Polarsterns orientieren.
  • Eine etwas andere Art Kompass-System stellt der Magnetkompass dar. Hierbei orientieren sich die Vögel an den Unterschieden in den Neigungswinkeln der magnetischen Feldlinien zu den Polen hin. Je steiler sie einfallen, desto nördlicher ist die Position.

Darüber hinaus orientieren sich Zugvögel nachweislich auch an Landmarken, wie dem Verlauf von Küsten, Flüssen oder Gebirgszügen.

Für einen Flug von mehreren Tausend Kilometern bedürfen die Vögel auch der körperlichen Vorbereitung. Viele Vogelarten nehmen während des Zuges wenig bzw. gar keine Nahrung zu sich. Wenn sie wie die Gartengrasmücke die Wüste Sahara überqueren oder lange Strecken über das Meer fliegen müssen, brauchen sie folglich einen Energievorrat, von dem sie zehren können. Um über ausreichend Energie für den aktiven Flug während des Zuges zu verfügen, werden Fettreserven angelegt. Die vom Vogel vor dem Aufbruch gespeicherte Fettmenge bestimmt dabei die Flugdauer und somit auch die Flugdistanz. Die auffälligste physiologische Anpassung ist daher ein Fettwerden der Vögel vor „Abflugtermin“. Einige Langstreckenzieher nehmen bis zum Zwei- oder Dreifachen ihres normalen Gewichtes zu. Diese Massenzunahme ist ebenfalls angeboren.

Als Problem für viele Zugvögel wirkt sich die fortschreitende Störung und Vernichtung natürlicher Lebensräume aus. Das gilt insbesondere für Feuchtflächen, wie Wattenmeer, Sümpfe und Mangroven, die für die Vögel als Rastplätze in Frage kämen. Wegen der intensiven Flächennutzung durch den Menschen stehen für Rastplätze immer kleiner werdende Gebiete zur Verfügung, auf denen der Nahrungsdruck entsprechend zunimmt. Dieses Problem wird noch dadurch verschärft, dass die Zugvögel oft als Konkurrenten zur menschlichen Nutzung angesehen, von Äckern vertrieben und gejagt werden. Außerdem finden sie auch in Fischgründen aufgrund der verbreiteten Überfischung zunehmend weniger Nahrung.

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