- Lexikon
- Geografie
- 4 Gesellschaftsgeografische Grundlagen
- 4.2 Siedlungen
- 4.2.4 Räumliche Prozesse im Siedlungssystem
- Stadtentwicklung in Mitteleuropa
Erst nach 1850 setzte ein rasantes Wachstum vieler Städte ein. In den Städten entstanden viele neue Industriebetriebe. Eisenbahnstrecken wurden gebaut und verbanden die Städte miteinander, und viele Menschen strömten auf der Suche nach Arbeit und einem besseren Leben aus den Dörfern in die aufblühenden Städte.
Dadurch kam es bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zu entscheidenden Veränderungen im Stadtbild:
Seit den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wuchs die Stadtbevölkerung infolge der anhaltenden Binnenwanderung bzw. Landflucht weiter stark an. Eine Folge war der Ausbau des innerstädtischen Verkehrsnetzes, der Straßenbahn, der U-Bahn und S-Bahn. In den Städten wurde es andererseits immer „enger“. Deshalb wanderten die Industriebetriebe aus den innerstädtischen Räumen in die Randgebiete ab, wo noch genügend Platz für eine Betriebsvergrößerung zu finden war.
Das alles führte zu einer Differenzierung der Stadt in einzelne Stadtviertel mit ganz bestimmten Funktionen. Es entstanden reine Wohnviertel sowie Industrie- und Gewerbeviertel. Das unmittelbare Stadtzentrum wandelt sich allmählich zur City mit Verwaltungen, Banken, Versicherungen, Museen, Theatern und weiteren Einrichtungen des Dienstleistungssektors.
Der Zeitraum nach den 60er Jahren ist durch ein rasches Wachstum der innerstädtischen Wohngebiete geprägt. Durch den sozialen Wohnungsbau mit bezahlbaren Mieten soll der wachsende Wohnungsbedarf der Bevölkerung gedeckt werden. In den in dieser Zeit entstandenen Wohngebieten gibt es keine Mietskasernen mehr. Moderne mehrgeschossige Häuser und Hochhäuser und ein zumeist guter Anschluss an das öffentliche Verkehrsnetz prägen ihren Charakter. Parallel dazu entstehen an den Ausfallstraßen der Außenbezirke neue Industrie- und Gewerbegebiete. Die Städte dehnten sich auch flächenmäßig rasant aus.
Mit Beginn der 70er Jahre kehrt sich jedoch der Wachstumstrend in vielen Städten um:
Ursachen sind die Zunahme der Motorisierung, der Ausbau der Verkehrswege, hohe Mieten und Grundstückspreise sowie die Verringerung der Lebensqualität u. a. durch Lärmbelästigung und Luftverschmutzung. Das führte zu einer verstärkten Abwanderung vieler Familien in das Umland der Städte. Im sogenannten Speckgürtel entstehen ausgedehnte Wohnviertel mit Reihen- und Einzelhäusern. Die Dörfer im Umland verstädtern. Zwischen Städten und Umland entwickeln sich kräftige Pendlerströme von und zu den Wohn- bzw. Arbeitsstätten.
Dieser Prozess, der auch als Suburbanisierung bezeichnet wird, ist auch mit der Verlagerung von Handelseinrichtungen verbunden. An den Rändern der Städte entstehen auf der „grünen Wiese“ viele große Einkaufszentren.
Daraufhin wurde versucht, den Prozess der Suburbanisierung aufzuhalten bzw. rückgängig zu machen (Reurbanisierung), um finanzkräftige Verbraucher und Steuerzahler in der Stadt zu halten. Dafür wurden beispielsweise innerstädtische Wohngebiete modernisiert oder, z. B. auf ehemaligem Industrie- oder Kasernengelände, preiswerte neue Wohnungen angeboten.
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