Stellt man den Jahresgang einzelner Klimaelemente, vor allem der Temperaturen und der Niederschläge dar, dann zeigen die entstehenden Kurven keinen so glatten Verlauf, wie dies eigentlich astronomisch bedingt zu erwarten wäre (Bild 1).
Beispielsweise zeigt die Kurve der Tagesmittel der Lufttemperatur über 30 Jahre in Berlin charakteristische Abweichungen vom Mittelwert. Es gibt Tage, die deutlich zu kalt oder zu warm sind. Dabei fällt weiter auf, dass solche vom langjährigen Mittel abweichenden Tage häufig immer wieder zu bestimmten Terminen auftreten. Im Diagramm sind als solche regelhaften Abweichungen die bekannten Eisheiligen und der Altweibersommer besonders hervorgehoben.
Solche kalendergebundenen Abweichungen einzelner Klimaelemente vom mittleren Jahresgang werden in der Meteorologie als Singularitäten bezeichnet. Die Ursache von Singularitäten hängt mit dem Einfluss von Luftmassen zusammen, die aus unterschiedlichen Herkunftsgebieten in unseren Raum herangeführt werden. Dadurch kann zu kalte (Polar-) oder zu warme (Tropik-)Luft unser Wetter bestimmen.
So stellt sich z. B. mit großer Zuverlässigkeit um Weihnachten das sogenannte Weihnachtstauwetter in ganz Deutschland ein. West- und Südwestwetterlagen, die mit ihren Fronten (Zyklonen) relativ warme und feuchte Luft vom Atlantik heranführen, lassen dann die Schneedecke, so sie sich vorher aufgebaut hatte, in kurzer Zeit abschmelzen.
Weitere bekannte Singularitäten sind die schon erwähnten Eisheiligen (Mitte Mai) und die Schafskälte (Anfang Juni), die als Kälterückfälle oft mit beträchtlichen Frostschäden in den Gartenkulturen verbunden sind.
Ordnet man die Singularitäten und die damit verbundenen Großwetterlagen nach dem mittleren Zeitpunkt ihres Eintreffens, so erhält man den Singularitätenkalender. Die darin zusammengestellten Singularitätentermine bzw. Langfristregeln geben einen Überblick über den mittleren Gang der Witterung im Laufe des Jahres. Für die Urlaubs- oder Ferienplanung ist der Kalender durchaus geeignet. Berücksichtigt werden muss jedoch, dass die Eintrittstermine der Singularitäten schwanken können. Abweichungen von 14 Tagen oder gar ein Ausbleiben sind nicht selten. Singularitäten werden deshalb auch nicht für die amtliche Wettervorhersage verwendet.
Viele Singularitäten sind in Bauernregeln eingegangen. Die Bauernregeln stützen sich zumeist auf das in vielen europäischen Regionen unterschiedliche Erfahrungswissen von Bauern, Fischern oder Hirten aus der Zeit der vorinstrumentellen Wetterbeobachtung. Sie basieren damit auch auf Erfahrungen mit den Singularitäten.
Bauernregel und Singularität sind allerdings scharf von den rein spekulativen Wetteraussagen des hundertjährigen Kalenders zu unterscheiden.
Singularitätenkalender für Mitteleuropa
Singularität | Mittleres Eintrittsdatum | Großwettertypen (Bild 2) |
Hochwinter 1 | 04.–06.01 | N- und NO-Lagen, Hoch über Mitteleuropa (ME) |
Hochwinter 2 | 13.–14.01. | Hoch über ME, O-Lagen |
Hochwinter 3 | 17.–20.01. | Hoch über ME, SO-Lagen |
Tauwetterperiode | 22.–30.01. | W-, SW- und NW-Lagen |
Tauwetterperiode | 03.–12.02. | W-, SW- und NW-Lagen |
Spätwinter 1 | 14.–20.02. | W-, SW- und NW-Lagen |
Spätwinter 2 | 27.02. | Hoch über ME, N-Lagen |
Märzwinter 1 | 07.03. | O-Lagen |
Märzwinter 2 | 11.–14.03. | N-Lagen, Tief über ME |
Märzwinter 3 | 18.–20.03. | O-Lagen |
Vorfrühling 1 | 23.–27.03. | SW- und SO-Lagen |
Vorfrühling 2 | 03.–04.04. | SW-Lagen |
Vormonsunwelle 1 | 07.–12.04. | N-Lagen, Tief über ME |
Mittfrühling | 17.–22.04. | S-Lagen, Hoch über ME |
Vormonsunwelle 2 | 24.04.–02.05. | N-, NW-, NO-Lagen; Tief über ME |
Spätfrühling | 07.–18.05. | O-, SO-, SW-Lagen |
Monsunwelle | 20.–31.05. | N- und NO-Lagen |
Frühsommer | 02.–08.06. | Hoch über ME |
Schafskälte | 10.–12.06. | N- und NW-Lagen |
Siebenschläfer | 27.06.–01.07. | N- und NW-Lagen |
Hochsommer 1 | 03.–14.07. | Hoch über ME; O- und NO-Lagen |
Monsunwelle | 16.–24.07. | N- und NW-Lagen |
Hochsommer 2 | 28.07.–07.08. | SW-Lagen |
Hochsommer 3 | 13.–16.08. | SW-Lagen |
Monsunwelle | 17.–24.08. | N- und NW-Lagen; Tief über ME |
Spätsommer 1 | 29.08.–05.09. | Hoch über ME |
Spätsommer 2 | 11.–12.09. | Hoch über ME |
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