- Lexikon
- Geografie
- 3 Naturgeografische Grundlagen
- 3.4 Reliefformen
- 3.4.1 Baustoff der Reliefformen und Verwitterungsprozesse
- Physikalische Verwitterung
Man unterscheidet verschiedene Formen physikalischer Verwitterung:
Die Temperaturverwitterung geht zurück auf die unterschiedlichen Eigenschaften heller und dunkler Minerale und Gesteine bei Einstrahlung und Abkühlung und auf die vom Mineralbestand abhängige unterschiedliche Wärmeleitfähigkeit. Dadurch kommt es zunächst zu Druck- und Zugspannungen im Gestein. Diese führen über einen längeren Zeitraum zur Rissbildung und zu Klüften im Gestein, die schließlich den völligen Gesteinszerfall verursachen können.
Die Intensität der Temperaturverwitterung ist deshalb in allen Gebieten der Erde mit großen Temperaturschwankungen besonders hoch.
Als Sonderform der Temperaturverwitterung gilt zum einen die Frost(sprengungs)verwitterung. Hier wird die Gesteinsbeanspruchung durch das häufige Auftauen und Wiedergefrieren des sich in den Hohlräumen des Gesteins befindlichen Wassers verursacht. Dadurch wird der Zerfall des Gesteins stark beschleunigt. In Gebieten mit tageszeitlichem Frostwechsel, beispielsweise in den subpolaren Gebieten der Erde und in den Hochgebirgen, ist diese Verwitterungsform für die Gestaltung des Reliefs besonders bedeutsam.
Zum anderen ist die Insolationsverwitterung eine Sonderform der Temperaturverwitterung. Hier sind eine einstrahlungsbedingte starke Erwärmung (und Ausdehnung) am Tage und eine ausstrahlungsbedingte Abkühlung bei Nacht die Hauptursachen für die Zerstörung des Gesteinsverbundes. Diese Verwitterungsform ist deshalb besonders in den innerkontinentalen Gebirgen, z. B. in Innerasien oder im Bereich der nordafrikanischen Sahara, mit ihren Temperaturgegensätzen zwischen starker Einstrahlung am Tage und starker Abkühlung in der Nacht wirksam. Die im Ergebnis entstehenden Schutte sammeln sich als Schuttzungen in Kerben und Nischen.
Physikalisch ähnlich wie hohe Temperaturunterschiede wirkt der Kristallisationsdruck auskristallisierender Salze bei der Salzsprengungsverwitterung. Wenn z. B. Sickerwässer Sedimentgesteine durchdringen und mit bestimmten Stoffen imprägnieren, kristallisieren diese Stoffe häufig aus. Durch die dabei erfolgende Volumensvergrößerung der Kristalle wird das Gestein zerstört und kann völlig zerfallen. Der Gesteinszerfall hat zugleich eine entsprechende Oberflächenvergrößerung zur Folge, die wiederum als Voraussetzung für die nachfolgende chemische Verwitterung gilt.
Diese Oberflächenvergrößerung kann durch ein Gedankenexperiment mit einem Gesteinswürfel verdeutlicht werden, der „physikalisch verwittert“:
Kantenlänge | Kornfraktion | Einheit | Anzahl der Würfel | Gesamtoberfläche |
1 cm | Mittelkies | cm | 1 = | 6 cm² |
1 mm | Grobsand | mm | 60 cm² | |
0,1 mm | Feinsand | mm | 600 cm² | |
0,01 mm | Mittelschluff | mm | 6 000 cm² | |
0,001 mm (1 Mikrometer) | Grobton | µm | 6 m² = 60 000 cm² | |
0,1 µm | Feinton | µm | 60 m² | |
0,01 µm | Feinstton und Kolloide | µm | 600 m² | |
0,001 µm (1 Nanometer) | nm | 6 000 m² | ||
0,1 nm | nm | 60 000 m² |
Tab.: Vergrößerung der Oberfläche bei Aufteilung eines Würfels von 1 cm Kantenlänge
Es ist faszinierend festzustellen, dass sich die Oberfläche eines derartig kleinen Würfels von nur 6 cm² Oberfläche bei unserer gedanklichen „Verwitterung“ bis zur Kolloidfraktion auf die Ausmaße von mehreren Fußballfeldern vergrößert. Damit wird zugleich verständlich, dass insbesondere Substrate mit geringen Korngrößen infolge ihrer großen „inneren Oberfläche“ besonders reaktionsfähig sind und sich beispielsweise bei der Anlagerung von Nährstoffen, aber auch Schwermetallen besonders aktiv verhalten.
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