Entstehung eines neuen Weltbildes

Bereits im Altertum konnten die Menschen Bewegungen der Himmelskörper, vor allem der Sonne, des Mondes und der Sterne, am Himmel beobachten. Sie sahen die Gestirne in östlicher Richtung auf- und in westlicher Richtung untergehen. Das führte zu der nahe liegenden Vermutung, dass sich die Erde fest im Zentrum der Welt befindet und sich alle Himmelskörper um die Erde bewegen. Zugleich erkannte man in den Bewegungen der Himmelskörper eine Reihe von Regelmäßigkeiten und nutzte sie, um Termine für Saat und Ernte zu bestimmen.

Im antiken Griechenland versuchten Gelehrte, die beobachteten Fakten und erkannten Regelmäßigkeiten zu einem Weltbild zu vereinen, bei dem man aus wenigen Grundsätzen alles andere ableiten konnte. Wesentlich dabei waren die Auffassungen über Bewegungen im Kosmos und auf der Erde:

  • PLATON (427–347 v. Chr.) vertrat die Auffassung, dass die Sterne sich nur auf der vollkommensten geometrischen Bahnform, der Kreisbahn, bewegen können.
     
  • ARISTOTELES (384–322 v. Chr.) unterschied Bewegungen im Himmel und auf der Erde. Außerdem teilte er die Bewegungen auf der Erde in natürliche und erzwungene Bewegungen ein. Eine natürliche Bewegung war z. B., dass ein schwerer Körper nach unten fällt und ein leichter Körper nach oben steigt. Alle Körper bewegen sich so zu ihrem „natürlichen Ort“.
CLAUDIUS PTOLEMÄUS (um 100–170 n. Chr.)

CLAUDIUS PTOLEMÄUS (um 100–170 n. Chr.)

All diese und weitere Erkenntnisse wurden von CLAUDIUS PTOLEMÄUS (Bild 1) aus Alexandria in seinem Hauptwerk „Syntaxis mathematike“ (Mathematische Zusammenstellung), arabisch auch „Almagest“ genannt, zusammengefasst.
Mit diesem Werk begründete er das geozentrische Weltbild (Bild 2). Danach befindet sich die Erde im Mittelpunkt der Welt, und alle anderen Himmelskörper bewegen sich auf Kreisbahnen um die Erde.
Dieses Weltbild war eine großartige Leistung der antiken Wissenschaft, denn man konnte mit ihm die Position von Planeten recht genau vorausberechnen. Außerdem stimmte es aufgrund der Relativität der Bewegung mit der Beobachtung überein.
Und es stimmte auch mit den physikalischen Auffassungen des berühmten ARISTOTELES überein, dass sich schwere Körper zur Weltmitte hin bewegen: Die Erde war für die Menschen damals der schwerste bekannte Körper, musste sich also in der Weltmitte befinden.

Das geozentrische Weltbild des PTOLEMÄUS mit der Erde im Zentrum

Das geozentrische Weltbild des PTOLEMÄUS mit der Erde im Zentrum

Das geozentrische Weltbild war jahrhundertelang die vorherrschende Lehrmeinung. Und trotzdem war es falsch:
Eine Reihe astronomischer Beobachtungen konnte nicht widerspruchsfrei erklärt werden. Außerdem war die Genauigkeit der Berechnungen für die Seefahrt und auch für den Kalender nicht mehr ausreichend. Um diese Probleme zu lösen, wurde das Weltbild von PTOLEMÄUS immer weiter ausgebaut.

Vor allem im Mittelalter wurden aber auch zunehmend Zweifel an dem immer komplizierter werdenden Weltbild laut.
NIKOLAUS KOPERNIKUS griff als Erster die früher bereits vereinzelt geäußerten Gedanken wieder auf, dass nicht die Erde, sondern die Sonne als Zentralstern im Mittelpunkt unseres Planetensystems steht und sich alle Planeten auf Kreisbahnen um die Sonne bewegen. Fast 30 Jahre lang arbeitete KOPERNIKUS diese Idee mathematisch zum heliozentrischen Weltbild (Bild 4) aus, das dem geozentrischen überlegen sein sollte. Allerdings war auch sein Weltbild mathematisch relativ kompliziert, weil er von der falschen Auffassung ausging, dass sich die Planeten auf Kreisbahnen bewegen.

Nach dem Tod von KOPERNIKUS löste sein Werk einen heftigen Meinungsstreit aus, in dem es nicht nur um wissenschaftliche Ansichten ging. Vor allem die christliche Kirche bekämpfte die Auffassung, die Erde sei nur ein Planet unter vielen, heftig, weil sie nicht zu bestehenden kirchlichen Dogmen passte. Sie bekämpfte aber nicht nur das heliozentrische Weltbild, sondern auch dessen Verfechter.

Das heliozentrische Weltbild des KOPERNIKUS mit der Sonne im Mittelpunkt

Das heliozentrische Weltbild des KOPERNIKUS mit der Sonne im Mittelpunkt

Ein berühmter Vertreter des heliozentrischen Weltbildes war GALILEO GALILEI. Er entdeckte mit einem selbst gebauten Fernrohr vier Jupitermonde, also Himmelskörper, die sich nicht um die Erde, sondern um einen anderen Himmelskörper, bewegen. Er entdeckte auch die Lichtphasen der Venus, die nur mit dem Umlaufen dieses Planeten um die Sonne erklärbar waren.
Diese und noch weitere Entdeckungen stützten seine Überzeugung von der Richtigkeit des heliozentrischen Weltbildes. Deshalb setzte er sich 1613 erstmals auch schriftlich für das neue Weltbild ein. Damit geriet er als berühmter Gelehrter jedoch in Widerspruch zur katholischen Kirche und zu deren eindeutigem Bekenntnis zum geozentrischen Weltbild. 1616 wurde GALILEI erstmals von der Inquisition ermahnt, von der Verteidigung des heliozentrischen Weltbildes abzusehen. Er beachtete in der Folgezeit diese Mahnung aber nicht und veröffentlichte weitere Schriften.

Den besonderen Zorn der Kirche zog sich GALILEI auch dadurch zu, dass er die Arbeiten des Mönchs ORATIO GRASSI über die 1618 beobachteten drei Meteore widerlegte. In einer Komödie karikierte er sogar Papst URBAN VIII. als wissenschaftlich ungebildeten „Simplicio“.
Im Jahre 1633 wurde GALILEI von einem Inquisitionsgericht in Rom, dem „Gericht des Heiligen Offiziums“, nach vier Verhören und unter Androhung von Folter gezwungen, öffentlich seinen Lehren und damit dem heliozentrischen Weltbild abzuschwören: „Ich halte jene Meinung des Kopernikus nicht für wahr und habe sie niemals für wahr gehalten.“ Mit diesem Lippenbekenntnis widerruft der damals 69-jährige Mathematiker und Astronom im Kloster „Santa Maria sopra Minerva“ seine wissenschaftliche Überzeugung und rettet damit sein Leben vor dem Scheiterhaufen.
Beim Verlassen des Gerichts soll er der Legende nach gesagt haben: „Und sie bewegt sich doch!“ Dies ist nicht belegt und entsprach wohl auch eher seiner inneren Überzeugung. Obwohl er nach dem Prozess unter Hausarrest gestellt wurde, konnten Buchmanuskripte von ihm mithilfe von Freunden ins Ausland geschafft und dort veröffentlicht werden.

Andere Wissenschaftler machten weitere wichtige Entdeckungen, die das heliozentrische Weltbild stützten. So entdeckte JOHANNES KEPLER (1571–1630), dass sich die Planeten nicht auf Kreisbahnen, sondern auf Ellipsenbahnen bewegen. ISAAC NEWTON (1642–1727) fand das Kraftgesetz, nach dem sich die Planeten um die Sonne bewegen. Heute ist das heliozentrische Weltbild anerkannte wissenschaftliche Auffassung. GALILEI wurde übrigens 1992, 359 Jahre nach seinem Prozess, von der Kirche rehabilitiert.

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