19. Jh. Literatur

Im Laufe des 18. Jahrhunderts kam die Entwicklung des Dramas zum Stillstand. Das Drama diente bis zum Ende des 19. Jahrhunderts fast ausschließlich der Unterhaltung und hatte sich in traditionellen Formen festgefahren.
Dafür verfeinerte sich die Erzählkunst auf dem Gebiet der Romane. Nicht nur die Handlung stand im Mittelpunkt des Erzählens, sondern auch die Darstellung komplexer Persönlichkeiten, die sich veränderten und in deren Gefühle der Leser Einblick nehmen konnte. Die Beschreibung des Schauplatzes wurde in den Erzählvorgang einbezogen und gewann für die Wiedergabe von Stimmungen an Bedeutung.
Das 19. Jahrhundert brachte eine Vielzahl herausragender Romanwerke und verschiedene Typen des Romans hervor.
Im England des frühen 19. Jahrhunderts erfreuten sich Fortsetzungsromane großer Beliebtheit. Diese Form der Veröffentlichung machte die Einteilung in abgeschlossene Handlungseinheiten erforderlich. Mehrere Handlungsstränge, mit den entsprechenden Schauplätzen, wurden abwechselnd präsentiert.

Historische Romane erzählten meistens mehrere Handlungsstränge mit Haupt- und Nebenhandlungen, die eingebettet sind in historisches Geschehen. Es tritt eine Vielzahl von Figuren auf. Beispiele für den historischen Roman sind SIR WALTER SCOTT, Ivanhoe (1818) und Waverley (1808); WILLIAM THACKERAY (1811-1863), Henry Esmond (1852); CHARLES DICKENS (1812-1870), A Tale of Two Cities (1859) und Barnaby Rudge (1841); und in der amerikanischen Literatur MARGARET MITCHELL Gone with the Wind (1936).

Vor dem Hintergrund der industriellen Revolution und der sozialen Frage der Arbeiterschicht beschrieben die englischen Gesellschaftsromane die Auswirkungen der wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen auf Ereignisse und Menschen. Sie machten auf soziale Missstände aufmerksam und wiesen oft auf die Notwendigkeit sozialer Reformen hin. Bekannte Beispiele des Gesellschaftsromans stammen von CHARLES DICKENS, Oliver Twist (1837-1838); The Old Curiosity Shop (1841); Bleak House (1852-1853); Hard Times (1854); Little Dorrit (1855-1857); WILLIAM THACKERAY Vanity Fair (1847-1848); GEORGE ELIOT (1819-1880, Pseudonym für MARY ANN CROSS): Ihr realistischer Roman Middlemarch (1871-1872) dokumentiert gesellschaftliche Entwicklungen in England zwischen 1830 und 1860.

Der realistische Roman strebt eine möglichst wirklichkeitsnahe Abbildung des Lebens und der Gesellschaft an.
THOMAS HARDY (1849-1928) ist der herausragende englische Autor des naturalistischen Romans, z. B. Far From the Madding Crowd (1874), Tess of the D'Urbervilles (1891) und Jude the Obscure (1895). Er stellt das Ausgeliefertsein des Menschen gegenüber dem Schicksal und der Natur dar.

Die Lyrik des 19. Jahrhunderts bildete zunehmend einen Gegenpol zu der als enttäuschend und abweisend erlebten Wirklichkeit. Sie kann vereinfachend zwei Stilepochen zugeordnet werden:

Die Romantik (1798-1832)

Viele Dichter und Künstler, die gehofft hatten, dass die Ideale der Französischen Revolution (1789-1795) ganz Europa erfassten und eine neue Zeit anbrechen ließen , erkannten bald, dass ihre Versprechungen von Freiheit und Gleichheit nicht einlösbar waren. Als Reaktion wandten sie sich ab von gesellschaftlichen Zielen und zogen sich auf sich selbst zurück. Die Beschäftigung mit dem eigenen Inneren rückte in den Vordergrund. Eine typische Erfahrung, die in der romantischen Lyrik dargestellt wird, ist die Begegnung mit dem Erhabenen in der Einsamkeit der Natur.
Dichter wie WILLIAM WORDSWORTH (1770-1850) und SAMUEL TAYLOR COLERIDGE (1772-1834) sahen größere Ausdrucksmöglichkeiten in der Hinwendung zum Einfachen und Ursprünglichen. In ihren Lyrical Ballads (1798) ahmten sie die Vorbilder der popular ballads nach:

„Five years have passed; five summers, with the length
Of five long winters! And again I hear
These waters, rolling from their mountain-springs
With a sweet inland murmur.“

(WILLIAM WORDSWORTH, Lines Written a Few Miles Above Tintern Abbey)

Auch die Beschäftigung mit der Vergangenheit und mit exotischen Schauplätzen ermöglichte den Dichtern eine Abwendung von der Realität. (z. B. JOHN KEATS, Ode on a Grecian Urn)
Bedeutende Dichter der Romantik sind WILLIAM BLAKE (1757-1827), Songs of Innocence (1787); Songs of Experience (1794), GEORGE GORDON, LORD BYRON (1788-1824), PERCY BYSSHE SHELLEY (1792-1822), Ode to the West Wind.

Die Viktorianische Zeit (1832-1901)

Die Industrielle Revolution (ca. ab 1790) hatte tiefe Einschnitte in die Gesellschaft, das Bild der Städte und der Natur verursacht. Fortschritt und industrielle Expansion begünstigten nur eine Minderheit. Für die Mehrheit bedeuteten sie einen Verlust bewährter Lebensstrukturen. Die Landflucht führte zu einer Übervölkerung der Städte, wo die Massen in ständiger Existenzangst, Armut, Schmutz und Enge lebten. Die Lösung der sich daraus ergebenden sozialen Probleme bildete die politische Herausforderung des 19. Jahrhunderts.
Demgegenüber stand das gesteigerte nationale Selbstbewusstsein aufgrund der Ausdehnung und der wirtschaftlichen Führungsrolle des British Empire.
Die viktorianische Lyrik, d. h. Gedichte, die während der viktorianischen Ära, der Herrschaftszeit der QUEEN VICTORIA geschaffen wurden, wendet sich thematisch von der Realität ab. Das Idyll und die Vergangenheit werden bevorzugt dargestellt.
Die sogenannten Präraffaeliten schufen in ihren Gedichten und Gemälden eine Gegenwelt der Sinnfülle und Schönheit.

„I hid my heart in a nest of roses,
Out of the sun's way, hidden apart;
In a softer bed than the soft white snow's is,
Under the roses I hid my heart.“

(ALGERNON CHARLES SWINBURNE, A Ballad of Dreamland)

Wichtige Vertreter der viktorianischen Lyrik sind:
ALFRED TENNYSON (1809-1892)
ELIZABETH BARRETT-BROWNING (1806-1861), Sonnets from the Portuguese
ROBERT BROWNING (1812-1889), Dramatic Monologues
MATTHEW ARNOLD (1822-1888), Dover Beach
GERARD MANLEY HOPKINS (1844-1889)
CHRISTINA (1830-1894) und
DANTE GABRIEL ROSSETTI (1828-1882)

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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