Die Mnemotechniken haben ihren Ursprung in Kulturen, die nicht über eine Schrift verfügten. Während heutzutage kulturelle Inhalte schriftlich festgehalten oder elektronischen Speichern anvertraut werden, wurden sie einst aus dem Gedächtnis mündlich an die nachfolgenden Generationen weitergegeben. Aufgrund dessen werden solche Kulturen, unter denen die frühgriechische die erste unseres Kulturraums war, auch Gedächtniskulturen genannt.
Als Erfinder der antiken Mnemotechnik gilt der griechische Dichter SIMONIDES (556–468 v. Chr.). Er hatte als Einziger ein Festmahl überlebt, bei dem alle anderen Gäste durch den Einsturz der Saaldecke zu Tode kamen. Es gelang ihm, die Opfer anhand der Plätze zu identifizieren, die sie während des Mahls eingenommen hatten. Diese Begebenheit führte ihn zu der Erkenntnis, dass sich Informationen visuell und räumlich geordnet besser im Gedächtnis speichern lassen.
SIM-Karten sind typische Speichermedien in Mobiltelefonen
Wenn sich uns eine Erklärung nicht erschließt, verwenden wir häufig den Satz „Ich kann mir darunter nichts vorstellen“. Wir verlangen die Veranschaulichung einer uns zu abstrakt erscheinenden Information. Besonders für die Erinnerungsleistung gilt: Je konkreter und anschaulicher eine Information ist, desto leichter lässt sie sich merken. Man unterscheidet hier zwischen Konkreta, Wörtern mit gegenständlicher Bedeutung und Abstrakta, den Wörtern mit rein begrifflicher Bedeutung. Ein Verfahren zur Stärkung der Erinnerungsvermögens besteht in der Verknüpfung des sprachlichen Ausdrucks mit einem Bild. Bei Wörtern mit konkreter Wortbedeutung eignen sich hier entweder Abbildungen oder Verweise auf reale Gegenstände.
Es können jedoch nicht nur konkrete Wörter veranschaulicht werden. Die Verbildlichung eignet sich auch zum besseren Einprägen abstrakter Wörter. Um diese zu visualisieren, bietet es sich an, mit dem jeweiligen Wort in Verbindung stehende Gegenstände darzustellen (z. B. lässt sich die Bedeutung des Wortes love durch ein gemaltes Herz darstellen).
Die Erkenntnisse der Kognitionspsychologie stützen die Auffassung, dass Informationen besser gespeichert werden, wenn sie einem Sinnzusammenhang zugehören. Um diesem Prinzip gerecht zu werden, eignet sich jede Art von Kontextualisierung des zu merkenden Wortes. Dies kann durch eine Einbettung in Kollokationen, Wortgruppen, Sätze oder auch Geschichten erfolgen. Auch das Anlegen von Wortschatzkarteien, in denen das Vokabular thematisch geordnet ist, schafft Sinnzusammenhänge.
Reim und Musik haben durch die Kombination von Takt und Rhythmus eine behaltensfördernde Wirkung. Da unser Gedächtnis sehr empfänglich für rhythmische Gliederung ist, wirkt die Akzentuierung, die beim Aufsagen eines Reims erzielt wird, stark lernerleichternd. Sie schafft Merk- und Bezugspunkte. Des weiteren unterstützen Musik und Rhythmus das Zusammenfügen von Informationen zu Einheiten, die wiederum besser behalten werden als einzelne Elemente. Besonders die Werbebranche bedient sich der Einprägsamkeit von Reimen und Liedern, um uns Produkte in Erinnerung zu rufen. Auch einige der beliebten Eselsbrücken, mit denen wir uns geschichtliche Daten oder mathematische Formeln besser merken können, prägen sich uns durch Reim oder Rhythmus ein. Neben kleinen Merkversen und Liedern, die dazu erdacht wurden, bestimmte Wörter zu vermitteln, eignet sich auch das wiederholte Mitsingen beliebter Popsongs, um sich fremdsprachliche Wortfelder und Wendungen anzueignen.
Handlungen und Bewegungen (Motorik) sind sehr erinnerungsträchtig. Deshalb sollten zu lernende Wörter, wann immer es sich anbietet, von dazu passenden Bewegungen begleitet werden. Der Gedächtnisspur wird so eine motorische Komponente beigefügt, die das Vergessen verhindert. Um sich beispielsweise die Wortgruppen (to) jump over the fence oder (to) turn the light on zu merken, kann man während des Aussprechens die entsprechenden Bewegungen vollziehen. Auch mimische und pantomimische Darstellungen unterstützen die Erinnerung.
Der Einsatz von Farben fördert nicht zwangsläufig das Erinnerungsvermögen. Zwar können Farben die Aufmerksamkeit auf die zu lernende Information lenken, weshalb Lehrbücher mit farbigen Hervorhebungen arbeiten. Es besteht jedoch die Gefahr, durch einen übertriebenen Gebrauch farbiger Markierungen diesen Effekt zu verspielen. Sie können beispielsweise verwendet werden, um besonders schwierige Wörter im Vokabelringbuch zu markieren.
Erkenntnisse aus der Gehirnforschung haben gezeigt, dass Emotionen die Informationsverarbeitung beeinflussen. Je positiver die Einstellung einem Wort gegenüber ist, um so leichter lässt es sich merken. Dies läßt sich entweder erreichen, indem die Lernsituation so angenehm wie möglich gestaltet wird, oder indem man das Wort gezielt an eine positive Erinnerung knüpft.
Die Wirksamkeit von Mnemotechniken wird gesteigert, wenn der Lernende die damit verbundenen Hilfsmittel selbst erstellt. Ein Gedächtnisbild, das man selbst zeichnet, prägt sich weit besser ein, als ein vorgefertigtes. Allerdings hängt der Erfolg dieser Methoden stark vom jeweiligen Lernertyp ab. Während einige Lerner gern auf sie zurückgreifen, finden andere keinen Zugang zu ihnen oder empfinden sie als viel zu aufwändig.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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