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- Großbritannien und Europa
Zum Selbstverständnis Großbritanniens haben vor allem zwei Faktoren beigetragen:
Durch die Entdeckung Amerikas wurde das Interesse Europas nach Übersee verlagert. Hierbei erwies sich die geografische Lage Großbritanniens als entscheidender Vorteil. Im Gegensatz zu den anderen europäischen Mächten konnten die Briten durch den Aufbau einer starken Flotte den Schutz des eigenen Landes mit der Eroberung neuer Territorien verbinden. Freiheit, Unabhängigkeit und der Status als weltweit vorherrschende Seemacht prägten das britische Nationalbewusstsein.
Wie sehr dieser Gedanke in den Köpfen und Herzen der britischen Bevölkerung verankert war, dokumentiert ein Lied, das gewissermaßen als 'zweite Nationalhymne' über Jahrhunderte von Briten aller Schichten enthusiastisch gesungen wurde: Rule, Britannia, rule the Waves, Britons never will be Slaves.
Die Errichtung der Seeherrschaft Englands seit Ende des 16. Jahrhunderts war eine wichtige Voraussetzung für die Schaffung des British Empire. Durch den Sieg über die spanische Armada (1588) und die erfolgreichen Seekriege gegen die Niederlande im 17. Jahrhundert gelang es den Briten, zur weltweit führenden Seefahrer-Nation aufzusteigen.
Mit monopolistischen Privilegien ausgestattete englische Handelskompanien legten überseeische Stützpunkte in Indien und im atlantisch-karibischen Raum an. Die Afrikakompanie setzte sich an der Goldküste fest, um sich einen Anteil am Sklavenhandel zu sichern. Überbevölkerung und religiös-politische Konflikte in England führten zur Auswanderung und Gründung von Siedlungskolonien in Nordamerika. Im Spanischen Erbfolgekrieg (1701–1713/14) sicherte sich Großbritannien mit der Eroberung Gibraltars den Zugang zum Mittelmeer. Nach dem Siebenjährigen Krieg (1756–1763) musste sich das rivalisierende Frankreich 1763 aus Nordamerika und Ostindien zurückziehen. Allerdings verlor Großbritannien wenig später den Hauptteil seiner nordamerikanischen Kolonien, die 1776–1783 die Unabhängigkeit erkämpften; es behielt jedoch das vorher französische Kanada.
Seit 1788 erschlossen die Briten Australien. Von strategischer Bedeutung war die Inbesitznahme Maltas (1800) und des Kaplands (1806) während der Napoleonischen Kriege, an deren Ende Großbritannien im Wiener Frieden 1815 auch die Seychellen und Mauritius erhielt. 1819 erwarb es Singapur, 1839 Aden und 1842 Hongkong. In Indien breitete sich die britische Herrschaft immer weiter aus. 1876 wurde Königin VICTORIA zur Kaiserin von Indien ausgerufen. Bei der Aufteilung Afrikas fiel Großbritannien der Hauptanteil zu. 1919/20 kamen die meisten deutschen Kolonien in Afrika als Völkerbundsmandate unter britische Verwaltung, ferner Irak, Palästina und Transjordanien im Nahen Osten. Damit erreichte das British Empire seine größte Ausdehnung.
Beim Aufbau seines Empire profitierte Großbritannien von den Interessensgegensätzen auf dem europäischen Festland. Die oft kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa beeinträchtigten die Expansionsbestrebungen der anderen europäischen Großmächte (Spanien, Niederlande, Frankreich) und ermöglichten es den Briten, ihren Weltmachtstatus zu festigen.
Im 19. Jahrhundert verfolgte Großbritannien die als “Splendid Isolation” bezeichnete Strategie, sich weitestgehend vom politischen Geschehen Kontinentaleuropas abzukoppeln. Um seine Handlungsfreiheit zu wahren, verzichtete Großbritannien darauf, Bündnisse mit anderen Staaten einzugehen. Der Ausdruck “Splendid Isolation” wurde 1896 vom britischen Politiker GEORGE JOACHIM eingeführt, der auf eine Äußerung eines kanadischen Abgeordneten mit den Worten
“our splendid isolation, as one of our colonial friends was good enough to call it”
reagierte.
Durch die beiden Weltkriege änderte sich im 20. Jahrhundert das globale Machtgefüge. Zum ersten Mal formierten sich außerhalb Europas Großmächte, die Großbritanniens Rolle als Welt- und Seemacht relativierten. Insbesondere die USA entwickelten sich zu einer international bedeutenden Kraft, deren Flotte der britischen Marine mindestens ebenbürtig war. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste Großbritannien den Anspruch auf eine weltpolitische Führungsrolle endgültig aufgeben. Es verlor zudem eine wichtige Quelle seines bisherigen Reichtums, die Kolonien. Das Britische Empire begann sich aufzulösen.
Während des so genannten Kalten Krieges wuchs – angesichts der Konfrontation mit dem kommunistischen Ostblock – die Abhängigkeit der westeuropäischen Staaten von den Vereinigten Staaten. Als Gegengewicht zur Sowjetunion und den ihr angeschlossenen Staaten entstand 1949 unter amerikanischer Führung das nordatlantische Verteidigungsbündnis NATO, zu dessen Gründungsmitgliedern auch Großbritannien gehörte.
Im Jahr 1949 wurde das Council of Europe (Europarat) gegründet, um das Zusammenwachsen Europas auf politischer und wirtschaftlicher Ebene zu befördern. Großbritannien, dass sich gegen Einschränkungen seiner nationalen Souveränität sträubte, vertrat die föderale Variante einer Gemeinschaft unabhängiger europäischer Staaten.
Noch in den 50er Jahre wickelte Großbritannien die Hälfte seines Außenhandels innerhalb des Commonwealth ab. Da aber dieses Handelsvolumen stetig sank, während die wirtschaftliche Bedeutung der europäischen Staaten zunahm, sah sich die britische Regierung zu einer engeren Anbindung an Europa genötigt, um nicht Gefahr zu laufen, den Anschluss an den europäischen Markt zu verlieren und von wichtigen Handelsverbindungen abgetrennt zu werden. Am 1. Januar 1973 trat Großbritannien der Europäischen Gemeinschaft (EG) bei.
In Großbritannien, das die heutige Europäische Union vorrangig als eine Wirtschaftsgemeinschaft aus souveränen Staaten ansieht, bestehen weiterhin große Vorbehalte gegen ein politisches Zusammenwachsen Europas. Verfassungsrechtlich stellt eine einheitliche europäische Gesetzgebung und Verfassung für die Briten ein Problem dar. Ein unverrückbarer Grundsatz der britischen Gesetzgebung betrifft die Parlamentssouveränität, der zufolge alle rechtlichen Beschlüsse vom britischen Parlament verabschiedet werden müssen. Deshalb fällt es Großbritannien schwer, einer europäischen Verfassung und der Stärkung des Europa-Parlamentes zuzustimmen.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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