Kennzeichen dramatischer Dichtung sind:
Fiktion und Simulation: Dramatik und Epik sind mimetische Gattungen, die eine Realität fingieren, d. h. beim Leser den Eindruck erwecken wollen, es handle sich um die Darstellung eines realen Geschehens.
Dem Drama kommt dabei eine Sonderstellung zu, da es in unterschiedlichen Repräsentationsformen auftreten kann. Als gedruckter Text ist es, wie auch die Erzählung, ein fiktionaler Text, der vom Leser verlangt, sich eine erfundene Wirklichkeit als tatsächlich Gegebenes vorzustellen.
Der Gattungscharakter des Dramas ändert sich aber, sobald es auf einer Bühne gespielt wird:
Auf der Bühne wird das Geschehen körperlich erlebbar und verlangt vom Zuschauer kein Eingehen auf das Fingierte – die Fiktion wandelt sich in Simulation.
Der Fantasie des Lesers sind hinsichtlich seiner Vorstellung vom dargestellten Geschehen keine Grenzen gesetzt. Für den Zuschauer bewegt sich dagegen die Simulation in den Grenzen des Möglichen und Erträglichen. Dabei kann vieles, was in der Fiktion spannend, reizvoll und befriedigend ist, in der Simulation als peinlich, unerträglich oder lächerlich empfunden werden. Viele Lebenssituationen (z.B. tabuisierte Themen) erhalten in der Simulation nicht die gleiche Qualität wie in der Fiktion.
Einem Simulationsvorgang auf der Bühne sind viel engere Grenzen gesetzt, als dem Nachvollzug der Fiktion in der Fantasie des Lesers.
Sprechsituation: Die Gesamtheit der Voraussetzungen einer sprachlichen Äußerung und der Möglichkeit ihrer Aufnahmen durch einen Leser oder Zuschauer bezeichnet man als Sprechsituation, d. h.
Dramatischen wie epischen Werken ist das Vorkommen der Figurenrede gemeinsam.
Jedoch fehlt dem dramatischen Text die Instanz des Erzählers, die zwischen fiktivem Geschehen und dem Leser oder Zuschauer vermittelt.
Im Drama wird der Zuschauer meist unvorbereitet mit dem Geschehen konfrontiert. Er muss sich den Hintergrund aus den szenischen Vorkommnissen und den Äußerungen der beteiligten Figuren selbst zusammensetzen.
Die Figurenrede kann im epischen Werk durch die kommentierenden Bemerkungen eines Erzählers eingeführt oder ergänzt werden. Diese Kommentare sagen etwas über die Art und Weise aus, wie sich die handelnden Figuren verhalten. Im Drama ist der Zuschauer auf
angewiesen, die das Milieu kennzeichnen, in dem sich die Figuren bewegen. Der Erzähler muss Figurenrede nicht wörtlich wiedergeben, sondern kann sich der indirekten Rede bedienen. Diese Leistung bleibt im Drama der Figurenrede durch den Schauspieler überlassen. Was sich im Rollentext sprachlich nicht verwirklichen lässt, muss durch außersprachliche Leistung (siehe: Zeichenvielfalt) erbracht werden oder wird sonst auf der Bühne nicht deutlich.
Der Figurenrede im Drama kommen demnach zwei kommunikative Aufgaben zu:
Zeichenvielfalt: Auf der Bühne lassen sich die Vorgänge der fiktiven Welt nicht allein mit dem Medium der Sprache transportieren. Eine Vielfalt von außersprachlichen
ergänzen das gesprochene Wort. Dadurch ergeben sich für das Drama vielfältige Inszenierungsmöglichkeiten. Optische und akustische Zeichen ersetzen den Erzähler auf der Bühne. Zeichenvielfalt bezeichnet man auch als Plurimedialität. Der Zuschauer erhält mithilfe unterschiedlicher Medien Informationen zum Geschehen auf der Bühne (Wort, Bild, Geräusche usw.).
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