William Shakespeare

Der englische Dramatiker, Schauspieler und Dichter WILLIAM SHAKESPEARE wurde vermutlich am 23.04.1564 in Stratford-upon-Avon geboren. Gesichert ist lediglich das Taufdatum (26.04.1564). Über das Leben des Autors ist wenig bekannt. Auch die Schreibweise seines Namens variiert: SHAKESPEARE selbst unterschrieb mit Shak(e)spere oder Shak(e)speare; die Versepen sowie fast alle zeitgenössischen Drucke der Dramen haben die Schreibung SHAKESPEARE. Außer sechs Unterschriften und den zwei Worten „by me“ vor der letzten Unterschrift unter dem Testament ist nichts Handschriftliches überliefert. Ob eine aus drei Manuskriptseiten bestehende Szene in dem von den Renaissancedramatikern ANTHONY MUNDAY (1560–1633), THOMAS DEKKER (1570–1632), HENRY CHETTLE (1560–1607) verfassten Drama „Sir Thomas More“ (um 1595) von SHAKESPEARE stammt, ist nicht geklärt.

Kindheit und Jugend

Nur wenige Dokumente, die biografische Auskunft über SHAKESPEARE geben, sind überliefert. Fest steht jedoch, dass SHAKESPEAREs Vater JOHN, Sohn eines Pächters aus der Nähe von Stratford-upon-Avon, es als Zunftmitglied der Handschuhmacher in Stratford zu relativem Wohlstand brachte und dass er öffentliche Ämter bekleidete. Seine Heirat mit MARY ARDEN, Tochter eines zu den ältesten Landadelsfamilien Warwickshires gehörenden Grundbesitzers, bedeutete gesellschaftlichen Aufstieg (1556/1558?). Ab 1575 zog sich SHAKESPEAREs Vater (wegen finanzieller oder religiöser Schwierigkeiten?) aus dem öffentlichen Leben zurück.
SHAKESPEARE besuchte vermutlich die örtliche Lateinschule (bis 1579?), deren Besuch kostenlos war, da der Unterhalt der Schule vom Bezirk getragen wurde. Eine Universität besuchte er nie. 1582, im Alter von 18 Jahren, heiratete der Autor die acht Jahre ältere Tochter eines Farmers aus dem benachbarten Shottery, ANN HATHAWAY (gest. 06.08. 1623); 1583 wurde die Tochter SUSANNA geboren, 1585 die Zwillinge HAMNET (1596) und JUDITH.

Leben in London

Über die „verlorenen Jahre“ bis 1592 ist nichts bekannt, doch dürfte sich SHAKESPEARE ab 1589 in London aufgehalten haben. 1592 wird er erstmals dort erwähnt und von ROBERT GREENE als Blankverse schreibender krähenhafter Emporkömmling geschmäht, der sich mit anderer Autoren Federn schmücke, wofür sich der Drucker HENRY CHETTLE wenig später entschuldigte. SHAKESPEARE gehörte zumindest ab 1594 zur Theatertruppe der Chamberlain's Men (ab 1603 King's Men), bei der er während seiner gesamten Theaterkarriere blieb. 1598 deuten der Druck der Komödie „Love's labour's lost“ (entstanden 1594/95, gedruckt 1598, dt. „Verlorene Liebesmüh'“) sowie das Lob des Literaten FRANCIS MERES (1565–1647) auf das hohe Ansehen des Autors SHAKESPEARE hin.
Ab 1599 war SHAKESPEARE Teilhaber am Globe Theatre, ab 1608 am Blackfriars Theatre. Da er 1597 in Stratford ein großes Haus kaufte (New Place) und sein Geld in Grundbesitz investierte, zog er möglicherweise 1610, sicher aber 1612 wieder in seinen Geburtsort und dürfte sich ab 1613 aus dem Theaterleben zurückgezogen haben. Das im Januar 1616 angefertigte Testament wurde am 25.03. in modifizierter Form von SHAKESPEARE gezeichnet.

SHAKESPEARE starb am 23.04.1616 in Stratford. Er wurde in der Trinity Church in Stratford beigesetzt; die Büste des Grabmals (von G. JANNSEN; vor 1623) sowie der Kupferstich in der ersten Folioausgabe (1623, von M. DROESHOUT) sind die einzigen Bildnisse SHAKESPEAREs, die eine gewisse Authentizität beanspruchen können, da sie wohl von der Familie und Freunden akzeptiert wurden.

Literarisches Werk

Versdichtung

Die seinem langjährigen Mäzen HENRY WRIOTHESLEY, 3.Earl of Southampton (1573–1624), gewidmeten, wohl während der pestbedingten Schließung der Theater entstandenen Versepen „Venus and Adonis“ (1593; dt. „Venus und Adonis“) und „The rape of Lucrece“ (1594; dt. „Die Vergewaltigung der Lukrezia“) stellen Versuche dar, den Anforderungen der Renaissancepoetik zu genügen. Wegen ihrer Konventionalität bleiben sie jedoch hinter den wohl zwischen 1592 und 1598 entstandenen 154 Sonetten zurück, die die Freundschaft beziehungsweise Liebe zu einem jungen Mann (Vers 1–126) und zu einer „dunklen Dame“ (Vers 127–154) sowie das Wirken der Zeit zum Thema haben, die petrarkistische Sonettmode der Zeit zu einem Höhepunkt führten und die „englische Form“ (drei kreuzweise gereimte Quartette und ein Couplet) populär machten:

Sonett C

Wo bist du, Muse, die vergaß, zu preisen
Seit lange ihn, der alle Kraft dir gibt?
Vertust du deinen Schwung in leeren Weisen,
Daß schlechter Inhalt deine Stärke trübt?

Kehr' um, vergeßne Muse, einzubringen
Verlorne Zeit durch manchen bessern Sang,
Dem Ohre, das dich schätzt, ein Lied zu singen,
Das deinem Wort Gehalt und Form errang!

Auf, träge Muse, prüfe, ob nicht schon
Die Zeit grub Furchen seinem Angesicht;
Und tat sie es, sprich der Vernichtung Hohn,

Mach' ihren Raub verachtet im Gedicht.
Verklär' ihn rascher, als sein Leben schwindet,
Daß Schutz er vor der Zeiten Sichel findet.

Ob die 1609 als Zyklus gedruckten Sonette autobiografischer Natur sind, ist nicht geklärt.
 

Dramatisches Werk

SHAKESPEAREs dramatisches Werk umfasst neben drei Titeln, an denen er als Teilautor mitgewirkt hat, 35 Stücke, von denen es aber keine Manuskripte gibt. Neben Fassungen, die lediglich auf Arbeitspapieren, Regiebüchern (z. B. „Macbeth“) oder Gedächtnisrekonstruktionen („Hamlet“, Druck 1603) beruhen, gibt es unter den 20 zu SHAKESPEAREs Lebzeiten erschienenen Einzeldrucken („Quartos“) offensichtlich autorisierte Ausgaben (z. B. die Hamlet-Drucke von 1604 und 1611).
Die von zwei Schauspielerkollegen sorgfältig vorbereitete „Folio“-Ausgabe der Werke (1623) enthält 36 Titel, die im Sinne des zeitgenössischen Gattungsverständnisses als

  • Komödien,
  • Historien und
  • Tragödien

klassifiziert werden. Die Entstehungszeiten und die Chronologie der Werke lassen sich nur indirekt und annäherungsweise erschließen. Über die wichtigsten Daten besteht jedoch in der Forschung weitgehend Übereinstimmung.


Historien oder „Königsdramen“

Die nach dem Sieg über die spanische Armada (1588), einer Zeit nationalen Hochgefühls und wirtschaftlichen Aufschwungs unter der Regentschaft ELISABETHs I., populären Dramatisierungen englischer Geschichte, stellen, abgesehen von „Heinrich V.“ und „Heinrich VIII.“, schwache oder schurkische Herrscher vor, deren unheilvolles Wirken die Probleme Usurpation (gewaltsame Verdrängung eines legitimen Herrschers, der Umsturz der Verfassung und die Unterdrückung der Selbständigkeit eines Staats) und politische Legitimität von Gegengewalt, Intrigen der Mächtigen sowie Notwendigkeit nationaler Einheit in den Vordergrund rückt.

Sie lassen den Kreislauf von

  • Schuld (Usurpation Heinrichs IV.),
  • Sühne (politische Wirren der Rosenkriege zwischen den Häusern York und Lancaster) und
  • Erlösung (Befriedung Englands durch Henry Tudor, den späteren HEINRICH VII.)

deutlich werden. Insofern huldigen sie einerseits der Tudormonarchie, warnen aber auch vor der Gefahr politischer Instabilität (angesichts der ungeklärten Nachfolge ELISABETHs I.) und diskutieren die Elemente eines harmonischen Staatsgefüges. Die zehn teilweise als breit angelegte Geschichtspanoramen konzipierten Historien setzen sich zusammen aus

  • der Lancaster-Tetralogie („Richard II“, entstanden 1595, gedruckt 1597; „Henry IV“, 2 Teile, entstanden 1596/98, gedruckt 1598; „Henry V“, entstanden 1599, gedruckt 1600) und
  • der York-Tetralogie („Henry VI“, 3Teile, entstanden 1589þ91, gedruckt 1595; „Richard III“, entstanden 1592/93, gedruckt 1597) sowie „King John“ (entstanden 1594/96?, gedruckt 1623) und „Henry VIII“ (entstanden 1612/13, gedruckt 1623).

SHAKESPEAREs Originalität besteht darin,

  • sprachlich-stilistische Kontraste und Parallelhandlungen eingefügt (Falstaff in „Henry IV“ als parodistisches Gegenbild zur Kriegshandlung) und
  • Historie in zusammenhängenden Zyklen präsentiert

zu haben. Die Publikumswirksamkeit hat bis heute angehalten und das Vergangenheitsbewusstsein der Engländer nachhaltig geprägt.
Die Stücke über die Regierungszeit HEINRICHs VI. wurden verschiedentlich auch als Zyklus auf dem Theater dargeboten, so von

  • P. HALL (1963/64),
  • PETER PALITZSCH (1967) und
  • GIORGIO STREHLER (1965/73).

Tragödien

Die zehn Tragödien entstanden in SHAKESPEAREs mittlerer Schaffensperiode. Das Grundmuster liefert das aus dem Mittelalter tradierte Konzept eines durch das Wirken der Fortuna bewirkten Aufstiegs und Falls der Mächtigen, das SHAKESPEARE jedoch unter dem Einfluss der Senecatragödie und THOMAS KYDs neuem Typ der Rachetragödie im melodramatischen Drama „Titus Andronicus“ (entstanden 1593/94, gedruckt 1594) variiert. „Romeo and Juliet“ (entstanden 1595, gedruckt 1597; dt. „Romeo und Julia“, siehe PDF "William Shakespeare - Romeo und Julia") gestaltet das Motiv der reinen, der Fortuna unterworfenen Liebe. In den Römerdramen

  • „Julius Caesar“ (entstanden 1599, gedruckt 1604, siehe PDF "William Shakespeare - Julius Cäsar"),
  • „Antony and Cleopatra“ (entstanden 1606/07, gedruckt 1623) und
  • „Coriolanus“ (entstanden 1607/08, gedruckt 1623)

nutzt SHAKESPEARE antike Stoffe, um verdeckt sonst nicht erlaubte Themen und Figuren zu dramatisieren:

  • das Scheitern des Revolutionärs (Brutus),
  • die privaten Beziehungen zwischen der (ägyptischen) Herrscherin und dem (römischen) Feldherrn sowie
  • Landesverrat und Bedrohung durch das wankelmütige Volk (Coriolan).

„Timon of Athens“ (entstanden 1607/08, gedruckt 1623, dt. „Timon von Athen“) gestaltet das Thema des durch den Undank der Welt zum Menschenfeind Gewordenen.
Die „großen Tragödien“

  • „Hamlet“ (entstanden 1600/01, gedruckt 1608, siehe PDF "William Shakespeare - Hamlet"),
  • „Othello“ (entstanden 1604, gedruckt 1622),
  • „King Lear“ (entstanden 1605, gedruckt 1608, siehe PDF "William Shakespeare - König Lear") und
  • „Macbeth“ (entstanden 1606, gedruckt 1623)

bringen überzeitlich relevante Gestalten und Geschehen auf die Bühne und gehören zu den unbestrittenen Meisterwerken SHAKESPEAREs. Sie dramatisieren das Wirken des Bösen in der Welt und siedeln den Konflikt im einzelnen Menschen selbst an, anhand von Themen wie dem des politischen Verbrechens aus Ehrgeiz und Verblendung, der unüberlegten Machtabgabe und des Generationenkonflikts, der privaten Rache, des Intrigenspiels und der Täuschung der Liebenden. Hervorstechende stilistische Merkmale der großen Tragödien sind:

  • unterschiedlichste sprachliche Mittel der Dialogführung,
  • funktionelle Vielfalt der Monologe,
  • leitmotivisch Szenen und Akte strukturierende Bildlichkeit,
  • Konzentration der dramatischen Handlung, schließlich
  • die bis in seelische Tiefendimensionen reichende Zeichnung der Hauptfiguren, die häufig an den Rand des Wahnsinns getrieben werden, aber durch den subtilen Einsatz der dramatischen Sympathielenkung den Zuschauer auch dann noch als zutiefst menschlich anrühren, wenn sie zum Bösen und Verwerflichen neigen.

Während die Historienfigur des Richard III. entsprechend der statischen Figurenzeichnung der mittelalterlichen Moralitäten als Stellvertreter des Bösen erscheint, fesseln Gestalten wie Macbeth oder Lear gerade wegen ihrer Komplexität.

Komödien

Mit seinen Komödien knüpft SHAKESPEARE an

  • mittelalterliche Traditionen des Volksschauspiels,
  • an antike Muster der Situationskomik (PLAUTUS) sowie
  • an die erfolgreichen höfischen Komödien JOHN LYLYs an,

variiert jedoch besonders in den Spätwerken auf meisterhafte Weise die vorgefundenen Strukturmuster und Motive. Die frühen Komödien

  • „The comedy of errors“ (entstanden 1592/94, gedruckt 1623; deutsch „Die Komödie der Irrungen“),
  • „The taming of the shrew“ (entstanden 1593/94, gedruckt 1594; deutsch „Der Widerspenstigen Zähmung“),
  • „The two gentlemen of Verona“ (entstanden 1594, gedruckt 1623; deutsch „Die beiden Veroneser“)
  • und „Love's labour's lost“ (entstanden 1594/95, gedruckt 1598; deutsch „Verlorene Liebesmüh“)

sind noch einfacher konstruiert. Ihre verwickelten Handlungen um Liebe und Freundschaft bedienen sich vielfältiger farcenhaft-komischer Mittel, weisen jedoch auch zunehmend reflexive Züge auf.
Zu den Komödien der mittleren Schaffenszeit gehören

  • A midsummer night's dream“ (entstanden 1595/96, gedruckt 1600; dt. „Ein Sommernachtstraum“),
  • „Much ado about nothing“ (entstanden 1598/1599, gedruckt 1600; deutsch „Viel Lärm um nichts“),
  • „As you like it“ (entstanden 1599, gedruckt 1623; deutsch „Wie es euch gefällt“) und
  • „Twelfth night or what you will“ (entstanden 1601/02, gedruckt 1623; deutsch „Was ihr wollt“).

Sie beschäftigen sich feinsinnig mit den ernsten und heiteren Seiten der Liebe (in den Nebenhandlungen vielfach bis ins Derbe oder Verstiegene abgewandelt), die mit ernsten Themen wie dem der politischen Herrschaft verknüpft und zur Darstellung menschlicher Vervollkommnung durch Selbsterkenntnis und Herzensbildung geführt werden.
Zu den sogenannten Problemkomödien gehören

  • „The merchant of Venice“ (entstanden 1596/97, gedruckt 1600; dt. „Der Kaufmann von Venedig“),
  • „Troilus and Cressida“ (entstanden 1601/02, gedruckt 1609),
  • „All's well that ends well“ (entstanden 1602/03, gedruckt 1623; deutsch „Ende gut, alles gut“) und
  • „Measure for measure“ (entstanden 1604, gedruckt 1623; deutsch „Maß für Maß“),

in denen Themen grundsätzlicher durchgespielt und um Aspekte wie Gnade und Gerechtigkeit erweitert werden.
Die Behandlung des antiken Troilus-Stoffes steht den Tragödien nahe. Die späteren, häufig als „romantische Komödien“ oder „Romanzen“ bezeichneten Stücke

  • „Pericles“ (entstanden 1607/08, gedruckt 1609),
  • „Cymbeline“ (entstanden 1609/10, gedruckt 1623),
  • „The winter's tale“ (entstanden 1610/11, gedruckt 1623; dt. „Ein Wintermärchen“) und
  • „The tempest“ (entstanden 1611, gedruckt 1623; dt. „Der Sturm“)

greifen auf spätgriechische und mittelalterliche Romanzenstoffe und Motive wie

  • Schiffbruch,
  • Trennung und
  • Wiedervereinigung

zurück, wobei tragisches Geschehen zum Teil durch magische Kräfte zu einem glücklichen Ende gewendet wird.

Gesamtcharakteristik

Inwiefern persönliches Erleben das Werk SHAKESPEAREs bestimmt hat, lässt sich nicht mehr ermitteln. Jedenfalls entstammen die Stoffe seiner Stücke in den wenigsten Fällen eigener Erfindung. SHAKESPEARE bediente sich zum Teil wohl bekannter Vorlagen :

  • GIOVANNI BOCCACCIO,
  • GEOFFREY CHAUCER,
  • PLUTARCH,
  • RAPHAEL HOLINSHED.

Zweifellos deutet das Werk jedoch auf die Fähigkeit, diesen Stoffen unterschiedlichste

  • Erfahrungen und
  • Erlebnisse,
  • Gefühle und
  • Fantasien

unter Einsatz vielfältiger sprachlicher Mittel von der holprigen Prosa der niederen Figuren bis zum Blankverspathos der politisch Mächtigen abzugewinnen und sie so zu gestalten, dass ein fast unbegrenzter Facettenreichtum von Personen und Haltungen entsteht.
Deshalb lässt sich zu Recht sagen, dass die dichterische Einbildungskraft für SHAKESPEARE die Quelle des künstlerischen Schaffens dargestellt haben muss. Wenn sich PHILIP SIDNEY in „The defense of poesie“ (herausgegeben 1595) angesichts der konstatierbaren Regelverstöße englischer Dramatiker, die sich nicht an die die Normen der Gattungsreinheit vorschreibende Renaissancepoetik halten, besorgt über den Zustand des englischen Theaters äußert, dann deutet SHAKESPEAREs Werk angesichts der

  • Fülle von gegensätzlichen Figuren,
  • miteinander kontrastierenden Handlungen und
  • der Vermischung
    – des Komischen mit dem Tragischen,
    – des Derben mit dem Sentimentalen, dem Pathetischen, Grotesken und Satirischen

auf eine als realistisch zu bezeichnende multiperspektivische Weltabbildung hin, die das Leben, die Menschen und die Gesellschaft in ihrer Breite und Vielschichtigkeit darstellt. Das Frühwerk weist sicherlich Texte auf, deren literarische Vorbilder (CHRISTOPHER MARLOWE, LYLY, GREENE) ebenso erkennbar sind, wie Figurenzeichnung und Handlungsführung noch eher konventionellen Mustern entsprechen. Das ab 1595 zu verzeichnende Nebeneinander von nationalem Optimismus und Sorge vor der staatlichen Desintegration (in den Historien) wird kompensiert durch die spielerische Heiterkeit der Komödien, die etwa in der Judendarstellung des „Merchant of Venice“ auch düstere Facetten aufweist, so wie sich in „Twelfth night“ die Probleme von Sein und Schein, Identitätsverlust und Desorientierung andeuten, ohne dominant zu werden.
Die Schaffensphase nach 1601 ist zunächst einmal geprägt vom Geist der bitteren Komödie und der düsteren Tragik, die sich am eindrucksvollsten in den verzweifelten Figuren des König Lear und Macbeth niederschlägt. Demgegenüber zeichnen sich die märchenspielhaften Romanzen des Spätwerks ab 1607 durch das Element der Versöhnung aus, wie es sich in SHAKESPEAREs letztem Drama „The tempest“ ausdrückt; allerdings bleibt SHAKESPEARE mit der Kritik an utopischen Schwelgereien des Höflings und an den gesellschaftlichen Umsturzfantasien des „wilden“ Caliban in „The tempest“ seiner prinzipiellen Orientierung am politischen und sozialen, wesentlich hierarchischen Ordnungsgefüge der Zeit treu. Wenn er einerseits häufig auf Techniken und Figuren des Volkstheaters zurückgreift undGestalten aus dem Volk (z. B. die Totengräber in „Hamlet“) oder die Narren überraschende Einsichten formulieren lässt, schreibt er andererseits auch für das gebildete Publikum der Londoner Juristenschulen oder für den Hof JAKOBs I. Der überständischen Rezeption in seiner eigenen Zeit entspricht die überzeitliche Aussagekraft von SHAKESPEAREs Werk, die in der Ausweitung seiner Stoffe auf universell-philosophische Fragen und das gesamte Spektrum menschlicher Empfindungen begründet ist und seine bis heute anhaltende internationale Wirksamkeit zu einer weltliterarischen Ausnahmeerscheinung hat werden lassen.

Rezeption des shakespeareschen Werkes

Schon zu seinen Lebzeiten galt SHAKESPEARE als der führende Dramatiker Englands. Sein Ansehen stieg in der Folgezeit zusehends, auch wenn mit Beginn der Restaurationszeit nach Wiedereröffnung der während der Puritanerherrschaft geschlossenen Theater (1660) die „barock“ scheinenden Regelverstöße seiner Dramen kritisiert wurden. Mit der Werkausgabe N.ROWEs (6 Bände, 1709) begann eine SHAKESPEARE-Philologie, die bereits Ende des 17. Jahrhunderts in E. MALONEs Ausgabe von 1790 (überarbeitet 1821) einen Höhepunkt fand. Gleichzeitig wurde SHAKESPEARE v.a. in Deutschland zum dramatischen Paradigma:

  • G.E. LESSING,
  • H.W. GERSTENBERG

und Inbegriff des Originalgenies:

  • J.G. HERDER,
  • GOETHE.

Die Wirkungen zeigen sich bei den Autoren des Sturm und Drang sowie in der Versübertragung von AUGUST WILHELM SCHLEGEL und LUDWIG TIECK, fortgeführt von DOROTHEA TIECK und WOLF HEINRICH VON BAUDISSIN (9 Bände, 1825/33).
Nachhaltig ist das SHAKESPEARE-Bild immer wieder auch durch die wechselnden Zielsetzungen der Aufführungspraxis geprägt worden: während des 19.Jahrhunderts durch die historistische Detailtreue ebenso wie durch die Rekonstruktion der SHAKESPEARE-Bühne und den Anti-Illusionismus des modernen Theaters zu Beginn des 20.Jahrhunderts (E.G. CRAIG, H.GRANVILLE-BARKER). In den 1960er-Jahren wurden v.a. die Inszenierungen der Royal SHAKESPEARE Company durch die Regisseure PETER BROOK und PETER HALL wegweisend, ebenso wie das Buch des Polen J.KOTT („Szekspir wspólczesny“, 1961; deutsch „SHAKESPEARE heute“) nachhaltig auf SHAKESPEARE-Bearbeitungen von EUGEN IONESCO („Macbett“, 1972), HEINER MÜLLER („Macbeth“, 1971) oder ROMAN POLANSKI („Macbeth“, Film 1971) gewirkt hat. Autoren wie

  • BERTOLT BRECHT („Coriolan von Shakespeare“, herausgegeben 1959),
  • PETER USTINOV („Romanoff and Juliet“, 1957),
  • GÜNTER GRASS („Die Plebejer proben den Aufstand“, 1966),
  • TOM STOPPARD („Rosencrantz and Guildenstern are dead“, 1967, Film 1990),
  • FRIEDRICH DÜRRENMATT („König Johann“, 1968; „Titus Andronicus“, 1970),
  • EDWARD BOND („Lear“, 1972) oder
  • BOTHO STRAUSS („Der Park“, 1983)

schrieben SHAKESPEARE-Stücke um.
SHAKESPEARE-Titel waren häufig auch Vorlagen für Opernkomponisten wie

  • GIUSEPPE VERDI („Macbetto“, 1847; „Otello“, 1887; „Falstaff“, 1893),
  • FRANK MARTIN („Der Sturm“, 1956),
  • BENJAMIN BRITTEN („A midsummer night's dream“, 1960) und
  • ARIBERT REIMANN („Lear“, 1978)

oder Ballettbearbeitungen:

SERGEJ S. PROKOFJEW, „Romeo und Julia“, 1938

und Musicalbearbeitungen:

  • COLE PORTER, „Kiss me, Kate“, 1948,
  • LEONARD BERNSTEIN, „West side story“, 1957.

Die Popularität der SHAKESPEARE-Dramen zeigt sich auch in den zahlreichen Verfilmungen bis hin zu

  • FRANCO ZEFFIRELLIs „Romeo und Julia“(1967),
  • KEITH BRANAGHs Filmen, u. a. „Henry V.“ (1989),
  • PETER GREENAWAYs „Tempest“-Version („Prosperos Bücher“, 1991),
  • BAZ LUHRMANNs „W. SHAKESPEAREs Romeo & Julia“ (1996)

und AL PACINOs „Looking for Richard“ (1996).

Werke (Auswahl)

  • „Titus Andronicus“, (um 1590)
  • „Henry VI.“ (1590/91)
  • „The comedy of errors“ (um 1591)
  • „Richard III.“ (1592)
  • „Venus and Adonis“, 1593)
  • „The two gentlemen of Verona“ (um 1593)
  • „The taming of the shrew“ (um 1593)
  • „The Rape of Lucrece“ (1594)
  • „Love's labour's lost“ (um 1594)
  • „Richard II.“ (1595)
  • „Romeo and Juliet“ (siehe PDF "William Shakespeare - Romeo und Julia")
  • A midsummer night's dream“ (um 1595)
  • The merry wives of Windsor“ (um 1597)
  • „The merchant of Venice“ (um 1597)
  • „Henry IV.“ (1597/98)
  • „Much ado about nothin“ (1598)
  • „Julius Caesar“ (1599, siehe PDF "William Shakespeare - Julius Cäsar")
  • Henry V.“ (1599)
  • „As you like it“ (1599/1600)
  • „Hamlet“ (1600, siehe PDF "William Shakespeare - Hamlet")
  • „Troilus and Cressida“ (1601/02)
  • „Thwelfth night or What you will“ (1601/02)
  • „All's well that ends well“ (1602/03)
  • „Measure for measure“ (1604)
  • „Othello“ (1604)

 

  • King Lear“ (1605/06, siehe PDF "William Shakespeare - König Lear")
  • Macbeth“ (um 1606)
  • Timon of Athens“ (um 1607)
  • Antony and Cleopatra“ (1607/08)
  • Coriolanus“ (1608)
  • „Cymbeline“ (1609/10)
  • „The winter's tale“ (1610)
  • „The tempest“ (1611)
  • „Henry VIII.“ (1613)

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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