Der englische Dramatiker, Schauspieler und Dichter WILLIAM SHAKESPEARE wurde vermutlich am 23.04.1564 in Stratford-upon-Avon geboren. Gesichert ist lediglich das Taufdatum (26.04.1564). Über das Leben des Autors ist wenig bekannt. Auch die Schreibweise seines Namens variiert: SHAKESPEARE selbst unterschrieb mit Shak(e)spere oder Shak(e)speare; die Versepen sowie fast alle zeitgenössischen Drucke der Dramen haben die Schreibung SHAKESPEARE. Außer sechs Unterschriften und den zwei Worten „by me“ vor der letzten Unterschrift unter dem Testament ist nichts Handschriftliches überliefert. Ob eine aus drei Manuskriptseiten bestehende Szene in dem von den Renaissancedramatikern ANTHONY MUNDAY (1560–1633), THOMAS DEKKER (1570–1632), HENRY CHETTLE (1560–1607) verfassten Drama „Sir Thomas More“ (um 1595) von SHAKESPEARE stammt, ist nicht geklärt.
Nur wenige Dokumente, die biografische Auskunft über SHAKESPEARE geben, sind überliefert. Fest steht jedoch, dass SHAKESPEAREs Vater JOHN, Sohn eines Pächters aus der Nähe von Stratford-upon-Avon, es als Zunftmitglied der Handschuhmacher in Stratford zu relativem Wohlstand brachte und dass er öffentliche Ämter bekleidete. Seine Heirat mit MARY ARDEN, Tochter eines zu den ältesten Landadelsfamilien Warwickshires gehörenden Grundbesitzers, bedeutete gesellschaftlichen Aufstieg (1556/1558?). Ab 1575 zog sich SHAKESPEAREs Vater (wegen finanzieller oder religiöser Schwierigkeiten?) aus dem öffentlichen Leben zurück.
SHAKESPEARE besuchte vermutlich die örtliche Lateinschule (bis 1579?), deren Besuch kostenlos war, da der Unterhalt der Schule vom Bezirk getragen wurde. Eine Universität besuchte er nie. 1582, im Alter von 18 Jahren, heiratete der Autor die acht Jahre ältere Tochter eines Farmers aus dem benachbarten Shottery, ANN HATHAWAY (gest. 06.08. 1623); 1583 wurde die Tochter SUSANNA geboren, 1585 die Zwillinge HAMNET (1596) und JUDITH.
Über die „verlorenen Jahre“ bis 1592 ist nichts bekannt, doch dürfte sich SHAKESPEARE ab 1589 in London aufgehalten haben. 1592 wird er erstmals dort erwähnt und von ROBERT GREENE als Blankverse schreibender krähenhafter Emporkömmling geschmäht, der sich mit anderer Autoren Federn schmücke, wofür sich der Drucker HENRY CHETTLE wenig später entschuldigte. SHAKESPEARE gehörte zumindest ab 1594 zur Theatertruppe der Chamberlain's Men (ab 1603 King's Men), bei der er während seiner gesamten Theaterkarriere blieb. 1598 deuten der Druck der Komödie „Love's labour's lost“ (entstanden 1594/95, gedruckt 1598, dt. „Verlorene Liebesmüh'“) sowie das Lob des Literaten FRANCIS MERES (1565–1647) auf das hohe Ansehen des Autors SHAKESPEARE hin.
Ab 1599 war SHAKESPEARE Teilhaber am Globe Theatre, ab 1608 am Blackfriars Theatre. Da er 1597 in Stratford ein großes Haus kaufte (New Place) und sein Geld in Grundbesitz investierte, zog er möglicherweise 1610, sicher aber 1612 wieder in seinen Geburtsort und dürfte sich ab 1613 aus dem Theaterleben zurückgezogen haben. Das im Januar 1616 angefertigte Testament wurde am 25.03. in modifizierter Form von SHAKESPEARE gezeichnet.
SHAKESPEARE starb am 23.04.1616 in Stratford. Er wurde in der Trinity Church in Stratford beigesetzt; die Büste des Grabmals (von G. JANNSEN; vor 1623) sowie der Kupferstich in der ersten Folioausgabe (1623, von M. DROESHOUT) sind die einzigen Bildnisse SHAKESPEAREs, die eine gewisse Authentizität beanspruchen können, da sie wohl von der Familie und Freunden akzeptiert wurden.
Die seinem langjährigen Mäzen HENRY WRIOTHESLEY, 3.Earl of Southampton (1573–1624), gewidmeten, wohl während der pestbedingten Schließung der Theater entstandenen Versepen „Venus and Adonis“ (1593; dt. „Venus und Adonis“) und „The rape of Lucrece“ (1594; dt. „Die Vergewaltigung der Lukrezia“) stellen Versuche dar, den Anforderungen der Renaissancepoetik zu genügen. Wegen ihrer Konventionalität bleiben sie jedoch hinter den wohl zwischen 1592 und 1598 entstandenen 154 Sonetten zurück, die die Freundschaft beziehungsweise Liebe zu einem jungen Mann (Vers 1–126) und zu einer „dunklen Dame“ (Vers 127–154) sowie das Wirken der Zeit zum Thema haben, die petrarkistische Sonettmode der Zeit zu einem Höhepunkt führten und die „englische Form“ (drei kreuzweise gereimte Quartette und ein Couplet) populär machten:
Sonett C
Wo bist du, Muse, die vergaß, zu preisen
Seit lange ihn, der alle Kraft dir gibt?
Vertust du deinen Schwung in leeren Weisen,
Daß schlechter Inhalt deine Stärke trübt?Kehr' um, vergeßne Muse, einzubringen
Verlorne Zeit durch manchen bessern Sang,
Dem Ohre, das dich schätzt, ein Lied zu singen,
Das deinem Wort Gehalt und Form errang!Auf, träge Muse, prüfe, ob nicht schon
Die Zeit grub Furchen seinem Angesicht;
Und tat sie es, sprich der Vernichtung Hohn,Mach' ihren Raub verachtet im Gedicht.
Verklär' ihn rascher, als sein Leben schwindet,
Daß Schutz er vor der Zeiten Sichel findet.
Ob die 1609 als Zyklus gedruckten Sonette autobiografischer Natur sind, ist nicht geklärt.
SHAKESPEAREs dramatisches Werk umfasst neben drei Titeln, an denen er als Teilautor mitgewirkt hat, 35 Stücke, von denen es aber keine Manuskripte gibt. Neben Fassungen, die lediglich auf Arbeitspapieren, Regiebüchern (z. B. „Macbeth“) oder Gedächtnisrekonstruktionen („Hamlet“, Druck 1603) beruhen, gibt es unter den 20 zu SHAKESPEAREs Lebzeiten erschienenen Einzeldrucken („Quartos“) offensichtlich autorisierte Ausgaben (z. B. die Hamlet-Drucke von 1604 und 1611).
Die von zwei Schauspielerkollegen sorgfältig vorbereitete „Folio“-Ausgabe der Werke (1623) enthält 36 Titel, die im Sinne des zeitgenössischen Gattungsverständnisses als
klassifiziert werden. Die Entstehungszeiten und die Chronologie der Werke lassen sich nur indirekt und annäherungsweise erschließen. Über die wichtigsten Daten besteht jedoch in der Forschung weitgehend Übereinstimmung.
Die nach dem Sieg über die spanische Armada (1588), einer Zeit nationalen Hochgefühls und wirtschaftlichen Aufschwungs unter der Regentschaft ELISABETHs I., populären Dramatisierungen englischer Geschichte, stellen, abgesehen von „Heinrich V.“ und „Heinrich VIII.“, schwache oder schurkische Herrscher vor, deren unheilvolles Wirken die Probleme Usurpation (gewaltsame Verdrängung eines legitimen Herrschers, der Umsturz der Verfassung und die Unterdrückung der Selbständigkeit eines Staats) und politische Legitimität von Gegengewalt, Intrigen der Mächtigen sowie Notwendigkeit nationaler Einheit in den Vordergrund rückt.
Sie lassen den Kreislauf von
deutlich werden. Insofern huldigen sie einerseits der Tudormonarchie, warnen aber auch vor der Gefahr politischer Instabilität (angesichts der ungeklärten Nachfolge ELISABETHs I.) und diskutieren die Elemente eines harmonischen Staatsgefüges. Die zehn teilweise als breit angelegte Geschichtspanoramen konzipierten Historien setzen sich zusammen aus
SHAKESPEAREs Originalität besteht darin,
zu haben. Die Publikumswirksamkeit hat bis heute angehalten und das Vergangenheitsbewusstsein der Engländer nachhaltig geprägt.
Die Stücke über die Regierungszeit HEINRICHs VI. wurden verschiedentlich auch als Zyklus auf dem Theater dargeboten, so von
Die zehn Tragödien entstanden in SHAKESPEAREs mittlerer Schaffensperiode. Das Grundmuster liefert das aus dem Mittelalter tradierte Konzept eines durch das Wirken der Fortuna bewirkten Aufstiegs und Falls der Mächtigen, das SHAKESPEARE jedoch unter dem Einfluss der Senecatragödie und THOMAS KYDs neuem Typ der Rachetragödie im melodramatischen Drama „Titus Andronicus“ (entstanden 1593/94, gedruckt 1594) variiert. „Romeo and Juliet“ (entstanden 1595, gedruckt 1597; dt. „Romeo und Julia“, siehe PDF "William Shakespeare - Romeo und Julia") gestaltet das Motiv der reinen, der Fortuna unterworfenen Liebe. In den Römerdramen
nutzt SHAKESPEARE antike Stoffe, um verdeckt sonst nicht erlaubte Themen und Figuren zu dramatisieren:
„Timon of Athens“ (entstanden 1607/08, gedruckt 1623, dt. „Timon von Athen“) gestaltet das Thema des durch den Undank der Welt zum Menschenfeind Gewordenen.
Die „großen Tragödien“
bringen überzeitlich relevante Gestalten und Geschehen auf die Bühne und gehören zu den unbestrittenen Meisterwerken SHAKESPEAREs. Sie dramatisieren das Wirken des Bösen in der Welt und siedeln den Konflikt im einzelnen Menschen selbst an, anhand von Themen wie dem des politischen Verbrechens aus Ehrgeiz und Verblendung, der unüberlegten Machtabgabe und des Generationenkonflikts, der privaten Rache, des Intrigenspiels und der Täuschung der Liebenden. Hervorstechende stilistische Merkmale der großen Tragödien sind:
Während die Historienfigur des Richard III. entsprechend der statischen Figurenzeichnung der mittelalterlichen Moralitäten als Stellvertreter des Bösen erscheint, fesseln Gestalten wie Macbeth oder Lear gerade wegen ihrer Komplexität.
Mit seinen Komödien knüpft SHAKESPEARE an
variiert jedoch besonders in den Spätwerken auf meisterhafte Weise die vorgefundenen Strukturmuster und Motive. Die frühen Komödien
sind noch einfacher konstruiert. Ihre verwickelten Handlungen um Liebe und Freundschaft bedienen sich vielfältiger farcenhaft-komischer Mittel, weisen jedoch auch zunehmend reflexive Züge auf.
Zu den Komödien der mittleren Schaffenszeit gehören
Sie beschäftigen sich feinsinnig mit den ernsten und heiteren Seiten der Liebe (in den Nebenhandlungen vielfach bis ins Derbe oder Verstiegene abgewandelt), die mit ernsten Themen wie dem der politischen Herrschaft verknüpft und zur Darstellung menschlicher Vervollkommnung durch Selbsterkenntnis und Herzensbildung geführt werden.
Zu den sogenannten Problemkomödien gehören
in denen Themen grundsätzlicher durchgespielt und um Aspekte wie Gnade und Gerechtigkeit erweitert werden.
Die Behandlung des antiken Troilus-Stoffes steht den Tragödien nahe. Die späteren, häufig als „romantische Komödien“ oder „Romanzen“ bezeichneten Stücke
greifen auf spätgriechische und mittelalterliche Romanzenstoffe und Motive wie
zurück, wobei tragisches Geschehen zum Teil durch magische Kräfte zu einem glücklichen Ende gewendet wird.
Inwiefern persönliches Erleben das Werk SHAKESPEAREs bestimmt hat, lässt sich nicht mehr ermitteln. Jedenfalls entstammen die Stoffe seiner Stücke in den wenigsten Fällen eigener Erfindung. SHAKESPEARE bediente sich zum Teil wohl bekannter Vorlagen :
Zweifellos deutet das Werk jedoch auf die Fähigkeit, diesen Stoffen unterschiedlichste
unter Einsatz vielfältiger sprachlicher Mittel von der holprigen Prosa der niederen Figuren bis zum Blankverspathos der politisch Mächtigen abzugewinnen und sie so zu gestalten, dass ein fast unbegrenzter Facettenreichtum von Personen und Haltungen entsteht.
Deshalb lässt sich zu Recht sagen, dass die dichterische Einbildungskraft für SHAKESPEARE die Quelle des künstlerischen Schaffens dargestellt haben muss. Wenn sich PHILIP SIDNEY in „The defense of poesie“ (herausgegeben 1595) angesichts der konstatierbaren Regelverstöße englischer Dramatiker, die sich nicht an die die Normen der Gattungsreinheit vorschreibende Renaissancepoetik halten, besorgt über den Zustand des englischen Theaters äußert, dann deutet SHAKESPEAREs Werk angesichts der
auf eine als realistisch zu bezeichnende multiperspektivische Weltabbildung hin, die das Leben, die Menschen und die Gesellschaft in ihrer Breite und Vielschichtigkeit darstellt. Das Frühwerk weist sicherlich Texte auf, deren literarische Vorbilder (CHRISTOPHER MARLOWE, LYLY, GREENE) ebenso erkennbar sind, wie Figurenzeichnung und Handlungsführung noch eher konventionellen Mustern entsprechen. Das ab 1595 zu verzeichnende Nebeneinander von nationalem Optimismus und Sorge vor der staatlichen Desintegration (in den Historien) wird kompensiert durch die spielerische Heiterkeit der Komödien, die etwa in der Judendarstellung des „Merchant of Venice“ auch düstere Facetten aufweist, so wie sich in „Twelfth night“ die Probleme von Sein und Schein, Identitätsverlust und Desorientierung andeuten, ohne dominant zu werden.
Die Schaffensphase nach 1601 ist zunächst einmal geprägt vom Geist der bitteren Komödie und der düsteren Tragik, die sich am eindrucksvollsten in den verzweifelten Figuren des König Lear und Macbeth niederschlägt. Demgegenüber zeichnen sich die märchenspielhaften Romanzen des Spätwerks ab 1607 durch das Element der Versöhnung aus, wie es sich in SHAKESPEAREs letztem Drama „The tempest“ ausdrückt; allerdings bleibt SHAKESPEARE mit der Kritik an utopischen Schwelgereien des Höflings und an den gesellschaftlichen Umsturzfantasien des „wilden“ Caliban in „The tempest“ seiner prinzipiellen Orientierung am politischen und sozialen, wesentlich hierarchischen Ordnungsgefüge der Zeit treu. Wenn er einerseits häufig auf Techniken und Figuren des Volkstheaters zurückgreift undGestalten aus dem Volk (z. B. die Totengräber in „Hamlet“) oder die Narren überraschende Einsichten formulieren lässt, schreibt er andererseits auch für das gebildete Publikum der Londoner Juristenschulen oder für den Hof JAKOBs I. Der überständischen Rezeption in seiner eigenen Zeit entspricht die überzeitliche Aussagekraft von SHAKESPEAREs Werk, die in der Ausweitung seiner Stoffe auf universell-philosophische Fragen und das gesamte Spektrum menschlicher Empfindungen begründet ist und seine bis heute anhaltende internationale Wirksamkeit zu einer weltliterarischen Ausnahmeerscheinung hat werden lassen.
Schon zu seinen Lebzeiten galt SHAKESPEARE als der führende Dramatiker Englands. Sein Ansehen stieg in der Folgezeit zusehends, auch wenn mit Beginn der Restaurationszeit nach Wiedereröffnung der während der Puritanerherrschaft geschlossenen Theater (1660) die „barock“ scheinenden Regelverstöße seiner Dramen kritisiert wurden. Mit der Werkausgabe N.ROWEs (6 Bände, 1709) begann eine SHAKESPEARE-Philologie, die bereits Ende des 17. Jahrhunderts in E. MALONEs Ausgabe von 1790 (überarbeitet 1821) einen Höhepunkt fand. Gleichzeitig wurde SHAKESPEARE v.a. in Deutschland zum dramatischen Paradigma:
und Inbegriff des Originalgenies:
Die Wirkungen zeigen sich bei den Autoren des Sturm und Drang sowie in der Versübertragung von AUGUST WILHELM SCHLEGEL und LUDWIG TIECK, fortgeführt von DOROTHEA TIECK und WOLF HEINRICH VON BAUDISSIN (9 Bände, 1825/33).
Nachhaltig ist das SHAKESPEARE-Bild immer wieder auch durch die wechselnden Zielsetzungen der Aufführungspraxis geprägt worden: während des 19.Jahrhunderts durch die historistische Detailtreue ebenso wie durch die Rekonstruktion der SHAKESPEARE-Bühne und den Anti-Illusionismus des modernen Theaters zu Beginn des 20.Jahrhunderts (E.G. CRAIG, H.GRANVILLE-BARKER). In den 1960er-Jahren wurden v.a. die Inszenierungen der Royal SHAKESPEARE Company durch die Regisseure PETER BROOK und PETER HALL wegweisend, ebenso wie das Buch des Polen J.KOTT („Szekspir wspólczesny“, 1961; deutsch „SHAKESPEARE heute“) nachhaltig auf SHAKESPEARE-Bearbeitungen von EUGEN IONESCO („Macbett“, 1972), HEINER MÜLLER („Macbeth“, 1971) oder ROMAN POLANSKI („Macbeth“, Film 1971) gewirkt hat. Autoren wie
schrieben SHAKESPEARE-Stücke um.
SHAKESPEARE-Titel waren häufig auch Vorlagen für Opernkomponisten wie
oder Ballettbearbeitungen:
SERGEJ S. PROKOFJEW, „Romeo und Julia“, 1938
und Musicalbearbeitungen:
Die Popularität der SHAKESPEARE-Dramen zeigt sich auch in den zahlreichen Verfilmungen bis hin zu
und AL PACINOs „Looking for Richard“ (1996).
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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