Wernher der Gartenaere

Lebensgeschichte

Über die Lebensgeschichte des Dichters WERNHER DER GARTENAERE, seine Herkunft und seinen Stand sind keine Überlieferungen bekannt. Er wurde wahrscheinlich im 2. Drittel des 13. Jahrhunderts geboren. Er war wohl als fahrender Dichter im Donauraum unterwegs. Hier entstand auch seine Verserzählung „Meier Helmbrecht“.
Sein Name ist den Schlussversen der Erzählung entnommen:

„Swer iu maere lese,
bitet daz im got genaede wese
und dem tihtaere,
Wernher dem Gartenaere.“

(Verse 1931 bis 1934)

Der Name lässt verschiedene Vermutungen zu: „Gartenaere“ könnte auf eine Tätigkeit verweisen, der Verfasser könnte also ein (Kloster-) Gärtner oder Besitzer eines Gartens gewesen sein. Der Name könnte aber auch in einem metaphorischen Sinn als „Arbeiter im Garten der Dichtkunst“ gedeutet werden.
Zur Form des Namens kann allerdings gesagt werden, dass er in der Tradition der Spruch- und Märendichter des 13. Jahrhunderts steht. Diese hatten zu ihren Rufnamen stets noch einen Berufs-, Herkunfts- oder Übernamen hinzugefügt, um sich damit von den sesshaften Dichtern zu unterscheiden. Von daher erscheint es aber auch sehr nahe liegend, dass sich hinter dem Zusatz das Verb „garten“ verbirgt, was die mittelhochdeutsche Bezeichnung für „bettelnd umherziehen“ ist. Danach wäre WERNHER ein fahrender Sänger gewesen, der eigene Dichtungen und Dichtungen anderer gegen Entlohnung vor Publikum vorgetragen hat. Man kann sogar annehmen, dass es sich bei dem Publikum um literarisch gebildete Zuhörer gehandelt hat. Das kann anhand der beiden erhaltenen Handschriften gefolgert werden. Einwürfe an das Publikum und Hinweise auf andere mittelhochdeutsche Dichtungen, die dem Zuhörerkreis wohl bekannt gewesen sein mussten, wie auch Vortrags- und Ortsnamenunterschiede zwischen beiden Texten sprechen dafür.
WERNHER DER GARTENAERE besaß eine gute Kenntnis der Literatur seiner Zeit, vor allem WOLFRAM VON ESCHENBACH und NEIDHART waren ihm offensichtlich Vorbilder. Außerdem verfügte er über genaueste Bibelkenntnisse, was eine kirchliche Schulbildung nicht ausschließen lässt. Die Annahme, dass er klerikaler Herkunft gewesen sein könnte, ist jedoch nicht naheliegend. Dagegen sprechen seine an einigen Stellen geäußerte Kritik an „pfaffen“ (vgl. Vers 780) sowie seine eher juristische Laienmoral.
Seine Kenntnisse und seine dichterischen Techniken vermitteln das Bild eines typischen mittelalterlichen Berufsdichters.

Werk

Die Verserzählung „Meier Helmbrecht“ gehört zu den kleineren mittelhochdeutschen Dichtungen. Das nicht einmal 2 000 Verse umfassende Werk aus dem späten 13. Jahrhundert ist aber bis in die heutige Zeit von literarischem Interesse. Die anhaltende Wirkung der Erzählung ist ein Ausdruck ihrer künstlerischen Bedeutung.
Bemerkenswert ist, dass WERNHER DER GARTENAERE den Bauernstand in den Mittelpunkt der Handlung rückt. Dies ist in gewisser Weise untypisch für die mittelhochdeutsche Dichtung, die sonst überwiegend ritterliche Standesdichtung war. Dem Dichter gelingt es, bestimmte mittelalterliche Lebensverhältnisse, den bäuerlichen Lebensraum und seine sozialen Eigenschaften präzise nachzuzeichnen und dabei tiefere menschliche Probleme zu gestalten, die auch noch heute Gültigkeit besitzen und den Leser betroffen machen. WERNHER schildert das Ansehen und die Moral der höheren Stände aus der Sicht des Bauernstandes, wobei durchaus auch Kritik zu finden ist. Der bäuerliche Stand wird mit Werten wie Tugend, Moral, Sitte und Ehre belegt, die diesem Stand in der zeitgenössischen Literatur nicht zukommen. Das wirft erstmals ein neues Licht auf die Lebensweise der rechtschaffenen Bauern.
Im Prolog beteuert der Dichter wiederholt den Wahrheitsgehalt seiner Geschichte. Dies trifft sicher für die zeitaktuellen Schilderungen zu, weniger wohl für die Figuren und ihre Handlungen, die höchstwahrscheinlich vor dem Hintergrund der vom Dichter beabsichtigten moralischen Aussage erfunden worden sind. Der Hauptheld, der junge Helmbrecht beabsichtigt, seinen Stand (den des Bauern) zu verlassen, weil er sich zu Höherem berufen fühlt und als Ritter an den Hof will. Darüber gerät er in Konfrontation mit seinem Vater, der dem alten Wertesystem verbunden bleibt und die Vorzüge des tugendhaften Lebens vor einem bloßen Geburtsadel ohne Tugend betont.
Trotz der Ansiedlung der Handlung im bäuerlichen Milieu ist das Werk durchaus als Lehrgedicht einzuordnen, als Befürwortung einer strengen Disziplinierung der Jugend, einer Aufrechterhaltung der Werte durch Vorbild und Nachahmung. Im Dialog zwischen Vater und Sohn verbirgt sich ein unlösbarer Generationskonflikt: die Weisheit und Lebenserfahrung des Alten auf der einen und die Selbstüberschätzung der Jugend auf der anderen Seite. Die hinter der Dichtung stehende Moral liegt in der Warnung vor den Folgen eines nicht angemessenen Verhaltens und des Ungehorsams gegenüber den Erziehern sowie im Festhalten am Altbewährten und der Besinnung auf die Normen, Werte und Traditionen der Gesellschaft.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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