- Lexikon
- Deutsch Abitur
- 4 Literaturgeschichte
- 4.6 Literatur des Barock
- 4.6.1 Zeit voller Widersprüche
- Regelpoetik des deutschen Barock
AUGUST BUCHNER (1591–1661),
GEORG PHILIPP HARSDÖRFFER (1607–1658),
Poetischer Trichter, die teutsche Dicht- u. Reimkunst ohne Behuf der ist. Sprache in 6 Stunden einzugießen, 3 Bde., 1648-53;
SIGMUND VON BIRKEN (1626–1681)
Teutsche Rede-bind- und Dicht-Kunst, Poetik, 1679.
Die Bedeutung MARTIN OPITZ’ in seiner Zeit aber mag ein Gedicht von SIMON DACH (1605–1659) verdeutlichen:
SIMON DACH
Gesang bey des Edlen vnd Hochberühmten Herren Martin Opitzen von Boberfeldt, etc. hocherfrewlichen Gegenwart
Zu Königsbergk in Preussen
Im Jahre 1638
Den 29. Tag des Hew-Monats,Gesungen von Simon Dachen.
Ist es vnsrer Seiten Werck'
Je einmahl so wol gelungen,
Das wir dir, O Königsbergk,
Etwas gutes vorgesungen,
So vernimm auch dieß dabey,
Wer desselben Stiffter sey:Dieser Mann, durch welchen dir
Jetzt die Ehre wiederfähret,
Das der Deutschen Preiß vnd Zier
Sämptlich bey dir eingekehret,
Opitz, den die gantze Welt
Für der Deutschen Wunder helt.Ach der Außbund vnd Begriff
Aller hohen Kunst vnd Gaben,
Die der Alten Weißheit tieff
Ihrem Ertz' hat eingegraben,
Vnd der lieben Vorfahrt Handt
Vns so trewlich zugesandt!Man erschricket, wenn er nun
Seiner tieff erforschten Sachen
Abgrundt anhebt auff-zuthun,
Vnd sein Geist beginnt zu wachen,
Wer alsdan Ihn loß sieht gehn,
Der sieht Welschlandt vnd Athen.Orpheus giebt schon besser Kauff,
Hört er dieses Mannes Seiten,
Vnser Maro horchet auff,
Sagt: was sol mir das bedeuten?
Wird der Weisen Lieder Ruhm
Nun der Deutschen Eigenthum?Ja, Herr Opitz, ewrer Kunst
Mag es Deutschland einig dancken,
Das der frembden Sprachen Gunst
Mercklich schon beginnt zu wancken,
Vnd man numehr ins gemein
Lieber Deutsch begehrt zu sein.Wer hat ewrer süssen Handt
Diesen Nachdruck mit gegeben,
Daß das gantze Norden-Landt,
Wenn Ihr schlagt, sich muß erheben,
Vnd so mancher Edler Geist,
Euch zu folgen sich befleist?Last den stoltzen Thracer-Fluß
Nicht so trotzig sich ergiessen,
Vnd den edlen Mincius
Was bescheidentlicher fliessen,
Ewres Bobers kleine Fluth
Nimpt doch allen nun den Muth.Wol euch, Herr! was für ein Lohn
Hat sich hie mit eingedinget?
Daß von hie-ab ewer Thon
Bis in jenes Leben dringet,
Dessen Nachklangk aller Zeit
Vnd vergängnüß sich befreyt.Hie kunt' ewre Jugend zwar
Schon den Lorber-Krantz erjagen,
Aber dort wird ewer Haar
Erst der Ehren Krohne tragen,
Die euch David gern gesteht,
Weil Ihr seinen Fußpfad geht.Doch wird auch des Pregels Randt,
Weil er ist, von Euch nicht schweigen,
Was von vns hie wird bekant,
Was wir singen oder geigen,
Vnser Nahme, Lust vnd Ruhe
Stehen Euch, Herr Opitz, zu.“
(Dach, Simon: Simon Dach: Gedichte, Herausgegeben von W. Ziesemer, Band 1, Halle a.d.S.: Niemeyer, 1936, S. 51f.)
Nach dem Vorbild des italienischen Dichtungstheoretikers JULIUS CAESAR SCALIGER (1484–1558) schuf OPITZ sein „Buch von der Deutschen Poeterey“, wobei er dessen Erkenntnisse auf die deutsche Sprache projizierte.
Zwei Schwerpunkte sind dabei von besonderem Interesse:
OPITZ lehnte den sogenannten unreinen Reim ab. Auch sollten keine unschönen Wortverkürzungen im Gedicht auftreten. Als Reim fasste er den Wortgleichklang von der letzten betonten Silbe an auf. Dabei ging er vom Hochdeutschen als Ideal aus, wissend, dass die Muttersprache sich keineswegs in allen Landesteilen nach dem Meißnerischen orientierte.
OPITZ grenzt die deutsche Sprache vom Griechischen und vom Lateinischen ab. Für ihn gibt es keine langen und kurzen Sprechsilben, sondern zwei Akzente , danach unterscheidet er, „welche sylbe hoch vnnd welche niedrig“ ist. Diesem Gedanken weist er die Versfüße zu, wobei er auch hier nur den Jambus und den Trochäus gelten lässt:
„Nachmals ist auch ein jeder verß entweder ein iambicus oder trochaicus; nicht zwar das wir auff art der griechen vnnd lateiner eine gewisse grösse der sylben können inn acht nemen; sondern das wir aus den accenten vnnd dem thone erkennen / welche sylbe hoch vnnd welche niedrig gesetzet soll werden.“
(vgl. PDF "Martin Opitz - Buch von der Deutschen Poeterey")
Das heißt, dass es nur alternierende, also regelmäßig hebende und senkende Sprechsilben gibt. Damit ist er der erste Deutsche, der den Charakter der Sprache als alternierendes akzentuierendes System erkannte. Dieses nennt man auch prosodisches System (von Prosodie, griech.: pros und ode = eigentlich das Hinzugesungene, Zugesang, meint Wortakzent, Silbenbetonung).
OPITZ beschäftigte sich nicht nur mit der Lyrik, sondern wies auch der Dramatik ihre Regeln zu. Tragödie ist für ihn:
„Die Tragedie ist an der maiestet dem Heroischen getichte gemeße / ohne das sie selten leidet / das man geringen standes personen vnd schlechte sachen einführe: weil sie nur von Königlichem willen / Todtschlägen / verzweiffelungen / Kinder- vnd Vatermorden / brande / blutschanden / kriege vnd auffruhr / klagen / heulen / seuffzen vnd dergleichen handelt. Vor derer zugehör schreibet vornehmlich Aristoteles / vnd etwas weitleufftiger Daniel Heinsius; die man lesen kan.“ (ebenda)
Dagegen besteht die Komödie
„in schlechtem wesen vnnd personen: redet von hochzeiten / gastgeboten / spielen / betrug vnd schalckheit der knechte / ruhmrätigen Landtsknechten / buhlersachen / leichtfertigkeit der jugend / geitze des alters / kupplerey vnd solchen sachen / die täglich vnter gemeinen Leuten vorlauffen. Haben derowegen die / welche heutiges tages Comedien geschrieben / weit geirret / die Keyser vnd Potentaten eingeführet; weil solches den regeln der Comedien schnurstracks zuewieder laufft.“
(ebenda)
OPITZ übernimmt also im Wesentlichen die Regelpoetik des ARISTOTELES.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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