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- 3.3 Lyrik
- 3.3.4 Stilmittel der Lyrik
- Personifikation
Bei der Personifikation erhalten
die Gestalt von handelnden und sprechenden Personen.
Bei PLATON und CICERO sowie in der mittelalterlichen und barocken Literatur werden das Gesetz („‚Justitia“) bzw. das Vaterland personifiziert. Aus der heutigen Zeit kennen wir solche Personifikationen eher als karikierende nationale Stereotypen. In der Dichtung gibt es den sprechenden Mond oder Wald, und in der Fabel wird der ‚schlaue Fuchs' zum Ausdruck für einen intelligenten Menschen.
Vaterland:
„Freund Hein“ = der Tod (MATTHIAS CLAUDIUS):
„Das erste Kupfer ist Freund Hain. Ihm dedizier ich mein Buch, und Er soll als Schutzheiliger und Hausgott vorn an der Haustüre des Buchs stehen.“ (MATTHIAS CLAUDIUS: Der Wandsbecker Bote, Erklärung der Kupfer und Zeichen)
Der Tod wird oft auch als Schlafes Bruder bezeichnet. ROBERT SCHNEIDER nannte seinen Roman von 1992 so.
Die Fabel und das Märchen kennt den Gevatter Tod. Das alte Wort Gevatter (altdeutsch = Mit-Vater) steht hier für Taufpate. Aus dem Mittelalter bekannt ist die Personikation des Todes als Sensenmann.
„Frau Welt“ ist die Personifikation weltlicher Sinnenfreude, sie ist als eine sehr schöne Frau dargestellt, steht jedoch auch für die Vergänglichkeit allen Irdischen, ihre Rückseite mit Kröten und Schlangen, Eiterpusteln und Beulen weist darauf hin.
Walther von der Vogelweide ruft Frau Welt an:
„Fro Welt, ir sult dem wirte sagen
daz ich im gar vergolten habe.
min groziu gülte ist abe geslagen,
daz er mich von dem brieve schabe.
swer ime iht sol, der mac wol sorgen.
e ich im lange schuldic waere, ich wolt e zeinem juden borgen.
er swiget unz an einen tac:
so wil er danne ein wette han, so jener niht vergelten mac.
'Walther, du zürnest ane not,
du solt bi mir beliben hie.
gedenke wie ich dirz erbot,
waz ich dir dines willen lie,
als dicke du mich sere baete.
mir was vil innecliche leit daz du daz ie so selten taete.
bedenke dich, din leben ist guot.
so du mir rehte widersagest, so wirst du niemer wol gemuot.'
Fro Welt, ich han ze vil gesogen,
ich wil entwonen, des ist zit.
din zart hat mich vil nach betrogen,
wand er vil süezer fröiden git.
do ich dich gesach reht under ougen,
do was din schoene an ze schouwen wünneclich al sunder lougen.
doch was der schanden alse vil,
do ich dich hinden wart gewar, daz ich dich iemer schelten wil.
'Sit ich dich niht erwenden mac,
so tuo doch ein dinc des ich ger.
gedenke an manegen liehten tac,
und sich doch underwilent her,
niuwan so dich der zit betrage.'
daz taet ich wunderlichen gerne, wan deich fürhte dine lage,
vor der sich nieman kan bewarn.
got gebe iu, frowe, guote naht, ich wil ze herberge varn.“
(Lachmann, Karl: Die Gedichte Walthers von der Vogelweide. BVerlin, G. Reimer, 1827, Audio 1)
Auch KONRAD VON WÜRZBURG erlag der allegorischen Figur:
Ir werlte minnære,
vernement disiu mære,
wie einem ritter gelanc
der nâch der werlte lône ranc
(Konrad von Würzburg: Der Welt Lohn. In: Kleinere Dichtungen Konrads von Würzburg Bd. 1: Weidmannsche Buchhandlung, 1924)
In ANETTE VON DROSTE-HÜLSHOFFs Gedicht „Die Elemente“ wird die Natur personifiziert:
ANETTE VON DROSTE–HÜLSHOFF: Die Elemente
Luft
Der Morgen, der Jäger
Wo die Felsenlager stehen,
Sich des Schnees Daunen blähen,
Auf des Chimborasso Höhen
Ist der junge Strahl erwacht;
Regt und dehnt die ros'gen Glieder,
Schüttelt dann sein Goldgefieder,
Mit dem Flimmerauge nieder
Blinzt er in des Tales Schacht.
Hörst du, wie es fällt und steigt?
Fühlst du, wie es um dich streicht?
Dringt zu dir im weichen Duft
Nicht der Himmelsodem – Luft?
Ins frische Land der Jäger tritt:
„Gegrüßt du fröhlicher Morgen!
Gegrüßt du Sonn', mit dem leichten Schritt
Wir beiden ziehn ohne Sorgen.
Und dreimal gegrüßt mein Geselle Wind,
Der stets mir wandelt zur Seite,
Im Walde flüstert durch Blätter lind,
Zur Höh' gibt springend Geleite.
Und hat die Gems, das listige Tier,
Mich verlockt in ihr zackiges Felsrevier,
Wie sind wir Drei dann so ganz allein,
Du, Luft, und ich und der uralte Stein!“
Wasser
Der Mittag, der Fischer
Alles still ringsum –
Die Zweige ruhen, die Vögel sind stumm.
Wie ein Schiff, das im vollen Gewässer brennt,
Und das die Windsbraut jagt,
So durch den Azur die Sonne rennt,
Und immer flammender tagt.
Natur schläft – ihr Odem steht,
Ihre grünen Locken hangen schwer,
Nur auf und nieder ihr Pulsschlag geht
Ungehemmt im heiligen Meer.
Jedes Räupchen sucht des Blattes Hülle,
Jeden Käfer nimmt sein Grübchen auf;
Nur das Meer liegt frei in seiner Fülle,
Und blickt zum Firmament hinauf.
In der Bucht wiegt ein Kahn,
Ausgestreckt der Fischer drin,
Und die lange Wasserbahn
Schaut er träumend überhin.
Neben ihm die Zweige hängen,
Unter ihm die Wellchen drängen,
Plätschernd in der blauen Flut
Schaukelt seine heiße Hand:
„Wasser“, spricht er, „Welle gut,
Hauchst so kühlig an den Strand.
Du, der Erde köstlich Blut,
Meinem Blute nah verwandt,
Sendest deine blanken Wellen,
Die jetzt kosend um mich schwellen,
Durch der Mutter weites Reich,
Börnlein, Strom und glatter Teich,
Und an meiner Hütte gleich
Schlürf' ich dein geläutert Gut,
Und du wirst mein eignes Blut,
Liebe Welle! heil'ge Flut!“ –
Leiser plätschernd schläft er ein,
Und das Meer wirft seinen Schein
Um Gebirg und Feld und Hain;
Und das Meer zieht seine Bahn
Um die Welt und um den Kahn.
Erde
Der Abend, der Gärtner
Rötliche Flöckchen ziehen
Über die Berge fort,
Und wie Purpurgewänder,
Und wie farbige Bänder
Flattert es hier und dort
In der steigenden Dämmrung Hort.
Gleich einem Königsgarten,
Den verlassen die Fürstin hoch –
Nur in der Kühle ergehen
Und um die Beete sich drehen
Flüsternd ein paar Hoffräulein noch.
Da des Himmels Vorhang sinkt,
Öffnet sich der Erde Brust,
Leise, leise Kräutlein trinkt,
Und entschlummert unbewusst;
Und sein furchtsam Wächterlein,
Würmchen mit dem grünen Schein,
Zündet an dem Glühholz sein
Leuchtchen klein.
Der Gärtner, über die Blumen gebeugt,
Spürt an der Sohle den Tau,
Gleich vom nächsten Halme er streicht
Lächelnd die Tropfen lau;
Geht noch einmal entlang den Wall,
Prüft jede Knospe genau und gut:
„Schlaft denn“, spricht er, „ihr Kindlein all,
Schlafet! ich lass' euch der Mutter Hut;
Liebe Erde, mir sind die Wimper schwer,
Hab' die letzte Nacht durchwacht,
Breit wohl deinen Taumantel um sie her,
Nimm wohl mir die Kleinen in acht.“
Feuer
Die Nacht, der Hammerschmied
Dunkel! All Dunkel schwer!
Wie Riesen schreiten Wolken her –
Über Gras und Laub,
Wirbelt's wie schwarzer Staub;
Hier und dort ein grauer Stamm;
Am Horizont des Berges Kamm
Hält die gespenstige Wacht,
Sonst alles Nacht – Nacht – nur Nacht.
Was blitzt dort auf? – ein roter Stern –
Nun scheint es nah, nun wieder fern;
Schau! wie es zuckt und zuckt und schweift,
Wie's ringelnd gleich der Schlange pfeift.
Nun am Gemäuer klimmt es auf,
Unwillig wirft's die Asch' hinauf,
Und wirbelnd überm Dach hervor
Die Funkensäule steigt empor.
Und dort der Mann im ruß'gen Kleid,
– Sein Angesicht ist bleich und kalt,
Ein Bild der listigen Gewalt –
Wie er die Flamme dämpft und facht,
Und hält den Eisenblock bereit!
Den soll ihm die gefangne Macht,
Die wilde hartbezähmte Glut
Zermalmen gleich in ihrer Wut.
Schau, wie das Feuer sich zersplittert!
Wie's tückisch an der Kohle knittert!
Lang aus die rote Kralle streckt
Und nach dem Kerkermeister reckt!
Wie's vor verhaltnem Grimme zittert:
„O, hätt' ich dich, o könnte ich
Mit meinen Klauen fassen dich!
Ich lehrte dich den Unterschied
Von dir zu Elementes Zier,
An deinem morschen, staub'gen Glied,
Du ruchlos Menschentier!“
(Droste-Hülshoff, Annette von: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 1, München: Winkler, 1973, S. 62ff.)
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