Paarbeziehungen in der bildenden Kunst

Seit KONSTANTIN DEM GROSSEN war das Christentum Staatsreligion, aber Adam und Eva werden erst mit dem Mittelalter zu einem verbreiteten Bildsujet in Europa. Sie werden als Ganzfiguren dargestellt, die meist durch einen Baum getrennt sind. Ihre Attribute sind Apfel, Schlange, Tod. Eva ist die Verführerin, die durch den Verzehr des Apfels Erkenntnis erlangt und Adam überredet, vom Apfel zu kosten, so wecken beide den Zorn Gottes. Die Menschen werden aus dem Paradies vertrieben und damit sterblich.

HANS BALDUNG GRIENs Adam und Eva entstand wahrend der Renaissance. Der tradierte religiöse Bildinhalt ist hier bereits abgeschwächt, die Schlange windet sich um einen dürren Zweig an einem dürren Apfelbaum, sie wirkt winzig, Evas aktionslose Hand hält den Apfel, eine Landschaft ist lediglich angedeutet, der Tod wird nicht gezeigt. Wert legt BALDUNG hingegen auf die Darstellung der Schönheit des Körpers, der Maler zeigt die liebevolle, innige Beziehung zweier Liebender. Ihm gelingt malerisch eine erstaunlich realistische Wiedergabe der Körperhaftigkeit in den Proportionen.

HANS THOMA greift in seinem Spätwerk dagegen wieder auf den mittelalterlichen Bildaufbau zurück. Seine Darstellung wirkt stark symbolistisch, ist dunkel gehalten durch die Verschattung des Formats. Die Figuren werden durch Dunkelheit eingerahmt. Im Hintergrund droht ein roter Himmel Unheil an. Zwischen Adam und Eva stehen der Baum der Erkenntnis und der Tod, der ein Tuch ausbreitet, so wirkt die bühnenhafte Szenerie wie ein großes Welttheater, was wiederum symbolisch ins Mittelalter zurückweist.

Die Haltungen der beiden Vordergrundfiguren wirken gekünstelt, sie sind in einem akademischen, ästhetizistischen Stil gemalt. Adams Haltung ist linkisch, als schäme er sich seiner Nacktheit, Eva greift eher lustlos nach dem Apfel, als wolle sie glauben machen, sie folge nur einer Bestimmung. Modern wirken lediglich Adams Haarschnitt und die Schnitte der Gesichter Adams und Evas.

GUSTAV KLIMT, Zeitgenosse THOMAs, nennt sein Paar Adam und Eva, allerdings verweist er mit keinem dem ersten Menschenpaar gehörenden Attribut auf die Bibel. KLIMT malt lediglich ein Paar, die Frau im Vordergrund nimmt 2⁄3 des Bildes ein, nur der rechte Arm, ein wenig Gesicht und noch weniger Schulter des Mannes sind zu sehen. Die Frau dominiert zwar den Bildinhalt, jedoch werden beide Figuren als Paar empfunden, weil die Frau in die Körperformen des Mannes eingeschlossen ist. Das vermittelt zugleich Vertrautheit, Schutz, Liebe.

Bei KLIMT ist es üblich, den Kontrast des Inkarnats der Frauenfiguren mit fein abgestufter Farbfläche zur dekorativ-flächigen Musterung des Hintergrundes zu setzen. Aus diesem Kontrast ergibt sich die besondere Spannung der Bilder. 

TIZIAN und Jahrhunderte nach ihm EGON SCHIELE weichen in der Komposition ihrer Bilder vom Schema ab. Sie zeigen einen neuartigen Bildaufbau, um Paarbeziehungen auszudrücken. TIZIANs Studie stellt ein intimes Verhältnis der Figuren zueinander vor, sie wirken nicht statisch, sondern dynamisch. Die Formen greifen ineinander, viele Diagonalen weisen in verschiedene Richtungen. Ein starker Hell-Dunkel-Kontrast sowie bewegte Linien unterstützen die Dynamik. Gemeinsam bilden die Figuren eine Ellipse.

Diese Studie eines mythologischen Paares wurde möglicher Weise fur ein Ölgemälde solchen Inhaltes genutzt, unwahrscheinlich ist ein selbstständiges Bildsubjekt „Jupiter und Jo“.

EGON SCHIELE verwendet ähnliche Formen. Auch sein Paar wird in eine ellyptische Form eingeschlossen, es ist jedoch nicht dynamisch gestaltet. Das rechte Bein das Mannes ragt aus dem Bild heraus. Die Frau lehnt ihren Kopf an den Rucken des Mannes, sie umschlingt ihn. Eine starke Überdeckung der Figuren zeigt die Zusammengehörigkeit des Paares an. Bei der Frau dominieren die runden, weichen Linien und Formen, der Mann dagegen wird mit nervösen, zackigen, oft die Richtung wechselnden Linien dargestellt – ein Verweis auf den Seelenzustand SCHIELEs.

Die Intimität der Bildsituation wird unterstutzt durch die teilweise unbekleideten Figuren. Das Bildmotiv des Selbstbildnisses mit Akt ist im 20. Jahrhundert bereits voll akzeptiert. Es ist – im Gegensatz zur Studie TIZIANs – ein vollständiges Bildwerk.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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