Ode

Chorische Ode

Die bedeutendsten Werke der Chorlyrik stammen von PINDAR (Lobesänge auf Helden und Sieger), deshalb nennt man diese Ode auch die pindarische Ode. Sie war in der Regel durch drei Strophen gekennzeichnet.

Dreiteiligkeit der Ode:
Die pindarische bzw. chorische ist dreiteilig aufgebaut:

  • 1. Ode,
  • 2. Antode (Gegenstrophe),
  • 3. Epode (Abgesang).

Monodische Ode

Daneben unterscheidet man verschiedene Strophenformen des Einzelgesangs (Monodie), wie etwa bei SAPPHO. Die Ode ist Lyrik in weihevoller, feierlich- erhabener und schwungvoller Form. Sie ist traditionell ungereimt. Emphatisch- enthusiastische Dichtung mit hymnischen Tönen, z. B. GELLERTs „Die Himmel rühmen“, vertont durch BEETHOVEN.
Eine Ode repräsentiert immer etwas Weihevolles, Feierlich-Erhabenes.

Themen der Ode

Die Themen der Ode stammen aus den Bereichen des Privaten und Gesellschaftlichen. Sie ranken sich um

  • Freundschaft,
  • Liebe,
  • Trauer,
  • Dichtertum,
  • Natur,
  • Vaterland,
  • Lebensweisheit
  • Fürstenlob,
  • Moral und
  • Religion (Gott).

Ein erhabener Stil mit oft kühler Distanz zeichnet die Ode aus. Deshalb sollte sie durch feierliches, schwungvolles Sprechen rezitiert werden.

Die wichtigsten Versmaße der Ode:

Alkäische Odenstrophe: benannt nach dem griechischen Dichter ALKAIOS, einem Zeitgenossen der SAPPHO aus Lesbos (600 v. Chr.)

vier Verse, Vers eins-zwei: Elfsilbler, Vers drei: Neunsilbler, Vers vier: Zehnsilbler.

Metrum: Jambus, im Schlußvers: 2 Daktylen und 2 Troachäen, im Deutschen meist trochäisch

v- v -v -v v -v- = 11 Silben
v- v- v -v v -v- = 11 Silben
v-v-v-v-v = 9 Silben
-v v -v v -v -v = 10 Silben

Asklepiadeische Odenstrophe: benannt nach dem griechischen Dichter ASKLEPIADES aus Samos (270 v. Chr.)

Vers eins und zwei sind Zwölfsilbler, Vers drei ist Siebensilber, Vers vier ist Achtsilbler,

Metrum: in allen Versen Wechsel von Trochäen und Daktylen,

entscheidendes Kennzeichen: Mittelzäsur in den ersten beiden Versen

-v -v v - -v v -v - = 12 Silben
-v -v v - -v v -v - = 12 Silben
-v -v v - v = 7 Silben
-v -v v - v- = 8 Silben

besonderes Kennzeichen: alkäische Elfsilbler.

Sapphische Odenstrophe benannt nach der griechischen Dichterin SAPPHO aus Lesbos (600 v. Chr.)

vierzeilige metrisch geregelte Strophen.

drei elfsilbrige Verse, der vierte Vers ist fünfsilbrig,

Trochäen mit eingeschobenem Daktylus, alle Versausgänge weiblich

-v -v -v v -v -v = 11 Silben

-v -v -v v -v -v = 11 Silben
-v -v -v v -v -v = 11 Silben
-v v -v = 5 Silben

besonderes Kennzeichen: sapphische Elfsilbler:

Klassisch orientierte chorische wie monodische Oden werden nicht gereimt. Sie enthalten pro Strophe immer vier Verszeilen.

Alkäische Strophe

An die Parzen
HÖLDERLIN

Nur einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen!
Und einen Herbst zu reifem Gesange mir,
Dass williger mein Herz, vom süßen
Spiele gesättigt, dann mir sterbe.


Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht
Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht;
Doch ist mir einst das Heilige, das am
Herzen mir liegt, das Gedicht, gelungen,

Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt!
Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel
Mich nicht hinab geleitet; Einmal
lebt ich, wie Götter, und mehr bedarfs nicht.

(Hölderlin, Friedrich: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Stuttgart: Cotta, 1946, S. 247.)

Dagegen können bei der monodischen Ode unendlich viele Strophen aneinander gereiht werden:

Asklepiadeische Strophe

Der Zürchersee (1750)
FRIEDRICH GOTTLIEB KLOPSTOCK

Schön ist, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht
Auf die Fluren verstreut, schöner ein froh Gesicht,
Das den großen Gedanken
Deiner Schöpfung noch Einmal denkt.

Von des schimmernden Sees Traubengestaden her,
Oder, flohest du schon wieder zum Himmel auf,
Korn in röthendem Strale
Auf dem Flügel der Abendluft,

Korn, und lehre mein Lied jugendlich heiter seyn,
Süße Freude, wie du! gleich dem beseelteren
Schnellen Jauchzen des Jünglings,
Sanft, der fühlenden Fanny gleich.

Schon lag hinter uns weit Uto, an dessen Fuß
Zürch in ruhigem Thal freye Bewohner nährt;
Schon war manches Gebirge
Voll von Reben vorbeygeflohn.

Jetzt entwölkte sich fern silberner Alpen Höh,
Und der Jünglinge Herz schlug schon empfindender,
Schon verrieth es beredter
Sich der schönen Begleiterin.

»Hallers Doris«, die sang, selber des Liedes werth,
Hirzels Daphne, den Kleist innig wie Gleimen liebt;
Und wir Jünglinge sangen,
Und empfanden, wie Hagedorn.

Jetzo nahm uns die Au in die beschattenden
Kühlen Arme des Walds, welcher die Insel krönt;
Da, da kamest du, Freude!
Volles Maßes auf uns herab!

Göttin Freude, du selbst! dich, wir empfanden dich!
Ja, du warest es selbst, Schwester der Menschlichkeit,
Deiner Unschuld Gespielin,
Die sich über uns ganz ergoß!

Süß ist, fröhlicher Lenz, deiner Begeistrung Hauch,
Wenn die Flur dich gebiert, wenn sich dein Odem sanft
In der Jünglinge Herzen,
Und die Herzen der Mädchen gießt.

Ach du machst das Gefühl siegend, es steigt durch dich
Jede blühende Brust schöner, und bebender,
Lauter redet der Liebe
Nun entzauberter Mund durch dich!

Lieblich winket der Wein, wenn er Empfindungen,
Beßre sanftere Lust, wenn er Gedanken winkt,
Im sokratischen Becher
Von der thauenden Ros' umkränzt;

Wenn er dringt bis ins Herz, und zu Entschließungen,
Die der Säufer verkennt, jeden Gedanken weckt,
Wenn er lehret verachten,
Was nicht würdig des Weisen ist.

Reizvoll klinget des Ruhms lockender Silberton
In das schlagende Herz, und die Unsterblichkeit
Ist ein großer Gedanke,
Ist des Schweisses der Edlen werth!

Durch der Lieder Gewalt, bey der Urenkelin
Sohn und Tochter noch seyn; mit der Entzückung Ton
Oft beym Namen genennet,
Oft gerufen vom Grabe her,

Dann ihr sanfteres Herz bilden, und, Liebe, dich,
Fromme Tugend, dich auch gießen ins sanfte Herz,
Ist, beym Himmel! nicht wenig!
Ist des Schweisses der Edlen werth!

Aber süßer ist noch, schöner und reizender,
In dem Arme des Freunds wissen ein Freund zu seyn!
So das Leben genießen,
Nicht unwürdig der Ewigkeit!

Treuer Zärtlichkeit voll, in den Umschattungen,
In den Lüften des Walds, und mit gesenktem Blick
Auf die silberne Welle,
That ich schweigend den frommen Wunsch:

Wäret ihr auch bey uns, die ihr mich ferne liebt,
In des Vaterlands Schooß einsam von mir verstreut,
Die in seligen Stunden
Meine suchende Seele fand;

O so bauten wir hier Hütten der Freundschaft uns!
Ewig wohnten wir hier, ewig! Der Schattenwald
Wandelt' uns sich in Tempe,
Jenes Thal in Elysium!

(Klopstock, Friedrich Gottlieb: Oden, Band 1, Leipzig: Göschen, 1798, S. 82-87.)

Sapphische Strophe

Los des Lyrikers
AUGUST VON PLATEN

Stets am Stoff klebt unsere Seele, Handlung
Ist der Welt allmächtiger Puls, und deshalb
Flötet oftmals tauberem Ohr der hohe
Lyrische Dichter.

Gerne zeigt jedwedem bequem Homer sich,
Breitet aus buntfarbigen Fabelteppich;
Leicht das Volk hinreißend erhöht des Dramas
Schöpfer den Schauplatz:

Aber Pindars Flug und die Kunst des Flaccus,
Aber dein schwerwiegendes Wort, Petrarca,
Prägt sich uns langsamer ins Herz, der Menge
Bleibt's ein Geheimnis.

Jenen ward bloß geistiger Reiz, des Liedchens
Leichter Takt nicht, der den umschwärmten Putztisch
Ziert. Es dringt kein flüchtiger Blick in ihre
Mächtige Seele.

Ewig bleibt ihr Name genannt und tönt im Ohr der
Menschheit; doch es geselle sich ihnen
Seiten freundschaftsvoll ein Gemüt und huldigt
Körnigem Tiefsinn.

(Platen, August Graf von: Werke in zwei Bänden. Band 1: Lyrik. München: Winkler, 1982, S. 483.)

 

Hymne auf Merkur
HORAZ

Mercuri, facunde nepos Atlantis,
qui feros cultus hominum recentum
voce formasti catus et decorae
more palaestrae,

te canam, magni Iovis et deorum
nuntium curvaeque lyrae parentem,
callidum - quidquid placuit - iocoso
condere furto.

Te, boves olim nisi reddidisses
per dolum amotas, puerum minaci
voce dum terret, viduus pharetra
risit Apollo.

Quin et Atridas duce te superbos
Ilio dives Priamus relicto
Thessalosque ignis et iniqua Troiae
castra fefellit.

Tu pias laetis animas reponis
sedibus virgaque levem coerces
aurea turbam, superis deorum
gratus et imis.

Die deutsche moderne Ode wurde zuerst in der Renaissance, später im Barock verfasst. Oden nach klassischem Muster schrieben MARTIN OPITZ und PAUL FLEMING.

Während der Aufklärung avancierte KLOPSTOCK zum führenden Odendichter deutscher Sprache. Hier wurde die Ode zu einem Mittel, den Zeitgeist und die Denkweise des 18. Jahrhunderts in eine lyrische Form zu bringen. FRIEDRICH HÖLDERLIN war der zweite großer Odendichter deutscher Sprache.

Im 19. Jahrhundert verfasste AUGUST VON PLATEN noch einmal einige der wichtigsten Oden.

Im zwanzigsten Jahrhundert verhalfen RUDOLF ALEXANDER SCHRÖDER und RUDOLF BORCHARDT dieser literarischen Form zu neuer Blüte. Während des literarischen Expressionismus schrieben JOHANNES R. BECHER, FRANZ WERFEL und WALTER HASENCLEVER bedeutende Oden.

In den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts hat JOHANNES BOBROWSKI sich dieses lyrischen Genres angenommen.

Bei den sogenannten Anakreontikern ist der Begriff Ode oft gleichbedeutend mit Lied; Vorbild sind oft die Oden des griechischen Lyrikers ANAKREON und seiner Nachahmer. Im Unterschied zu den sogenannten klassischen Oden sind diese jedoch gereimt.

Der Schäfer
JOHANN PETER UZ

Arkadien, sei mir gegrüßt!
Du Land beglückter Hirten,
Wo unter unentweihten Myrten
Ein zärtlich Herz allein noch rühmlich ist!

Ich will mit sanftem Hirtenstab
Hier meine Schafe weiden.
Hier, Liebe! Schenke mir die Freuden,
Die mir die Stadt, die stolze Stadt nicht gab.

Wie schäfermäßig, wie getreu
Will ich Climenen lieben,
Bis meinen ehrfurchtvollen Trieben
Ihr Mund erlaubt, daß ich ihr Schäfer sei.

Welch süßem Träume geb ich Raum.
Der mich zum Schäfer machet!
Die traurige Vernunft erwachet;
Das Herz träumt fort und liebet seinen Traum.

(Uz, Johann Peter: Sämtliche poetische Werke, Stuttgart: Göschen’sche Verlagshandlung, 1890, S. 130.)

Der chilenische Dichter PABLO NERUDA verfasste Oden, die sich von der überlieferten Form trennen und sehr zum Epischen tendieren („Odas elementales“, dt.: „Elementare Oden“, 1954 ). Es sind Preislieder, die oft ohne äußerlich sichtbaren Strophenaufbau von vier Versen pro Strophe daherkommen.

NERUDAs Oden haben eine oft leichtere, einfache Sprache als die klassischen Oden. Dabei überrascht die außerordentliche sprachliche Virtuosität und Sinnlichkeit seiner Werke.

Berühmte Oden NERUDAs sind:

  • Ode an den glückhaften Tag,
  • Ode an die Leber,
  • Ode an das Atom,
  • Ode an die Luft,
  • Ode an die Pommes frites,
  • Ode an den Meeresraum,
  • Ode an die Zwiebel
  • Ode an die Seeaalsuppe.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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