Literaturbegriff

Vor rund 30 000 Jahren schnitzte ein Schamane in der Schwäbischen Alb aus einem Schwanenknochen das erste bekannte Musikinstrument der Welt: eine Flöte. Dieser Vorgang wird als Beginn der Kunst angesehen. Zur Musik kam das gesungene, viel später das gesprochene Wort, das man vor etwa 3000 Jahren begann aufzuschreiben. Dies kennzeichnet den Beginn der Literatur.

Früheste literarische Zeugnisse sind Bearbeitungen der Mythen der Völker und stammen aus

  • Mesopotamien („Gilgamesch-Epos“, siehe PDF "Das Gilgamesch-Epos") und
  • Griechenland („Ilias“, „Odyssee“, siehe PDF "Homer - Odyssee").

Die antiken literarischen Werke prägten die überkommenen ästhetischen Vorstellungen von Literatur.

Literaturbegriff

Der Literaturbegriff ist abgeleitet aus dem lateinischen „litteratura“ und bedeutet Sprachkunst, Schrift. In diesem Sinne bezeichnet Literatur „alles Geschriebene".

Der Literaturbegriff im engeren Sinne trennt Literatur von Nicht-Literatur.
Literatur in diesem Sinne meint fiktionale Texte, d. h. ausgedachte Texte, die nur einen bedingten Wirklichkeitsanteil haben müssen.
Nicht-Literatur jedoch sind

  • Sach- bzw. Gebrauchstexte,
  • Fachtexte,
  • Informationstexte

usw., die auf einem hohen Wirklichkeitsanteil beruhen.
Somit fragt der Literaturbegriff nach Art, Sinn und Zweck von Literatur. Freilich ist er durch die Epochen steten Wandlungen unterworfen.

Wissenschaftsdisziplinen der Literatur

Man unterscheidet mehrere Wissenschaftsdisziplinen der Literatur:

  • Die Wissenschaftsdisziplin, die sich mit der Wirkungsweise von Literatur auseinander setzt, nennt man Literaturwissenschaft.
  • Die Darstellung der geschichtlichen Entwicklung einer Nationalliteratur oder der Weltliteratur wird in der Literaturgeschichte untersucht.
  • Die Systematisierung der Literatur unter den Aspekten ihrer Begriffe, Methoden und Forschungskonzepte nennt man Literaturtheorie.
  • Die Literaturkritik beschäftigt sich bewertend und interpretierend mit der Literatur.

Schöngeistige Literatur

Schöngeistige Literatur (Belletristik von franz. belle lettre = schöne Literatur) wird nach bestimmten ästhetischen Regeln abgefasst, die in einer Poetik formuliert sind.

Poetik bezeichnet die Lehre von der Dichtkunst und untersucht das Wesen, die Gattungen und Formen der Dichtung. Im abendländischen Kulturkreis hat ARISTOTELES die erste wichtige Poetik verfasst. Auch der Römer HORAZ schrieb eine „Dichtkunst“.

ADAM PUSCHMANs „Gründlicher Bericht des deutschen Meistergesangs“ (siehe PDF) von 1571 ist der Versuch, eine Regelpoetik für den Meistergesang aufzustellen.

Die erste auch Epochen übergreifende Poetik in deutscher Sprache war das „Buch der deutschen Poeterey“ (1624) von MARTIN OPITZ.

Weitere Poetiken des Barock waren:

  • SIGMUND VON BIRKENs Teutsche Rede-bind- und Dicht-Kunst (1679)
  • AUGUST BUCHNERs Kurzer Weg-Weiser zur deutschen Tichtkunst (1663) und die Anleitung zur Deutschen Poeterey (1665)
  • GEORG PHILIPP HARSDÖRFFERs Poetischer Trichter, Die Teutsche Dicht- und Reimkunst/ ohne Behuf der Lateinischen Sprache/ in Vl. Stunden einzugiessen. Samt einem Anhang Von der Rechtschreibung / und Schriftscheidung/ oder Distinction (1648–1653)
  • JOHANN KLAJs Lobrede der Teutschen Poeterey (siehe PDF)
  • DANIEL GEORG MORHOFs „Opera poetica“ (Lübeck 1697) sowie der „Unterricht von der Teutschen Sprache und Poesie“ (Kiel 1682)

Erst die Stürmer und Dränger, später die Romantiker lehnten die Regelpoetiken ab.

Sinnbild der Dichtkunst ist das geflügelte Pferd, der Pegasus (griech. Pégasos), das Dichterross.

In Meyers Konversationslexikon findet sich zum Stichwort Pegasus folgender Eintrag:

„Pegasos ("Quellroß"), in der griech. Mythologie das göttliche Flügelroß des Bellerophon (...), das mit Chrysaor an den Quellen des Okeanos aus dem Blute der von Perseus enthaupteten Medusa entsprang. Bellerophon fing den P., als er gerade an der Quelle Peirene trank, und besiegte mit ihm die Chimära, die Amazonen und Solymer. Als er sich aber auf ihm zum Olympos emporschwingen wollte, ward er vom P. abgeworfen, während dieser seinen Flug fortsetzte. Im Olymp ist P. das Roß des Zeus, dem es Donner und Blitz trägt. Bei Spätern ist er das Roß der Eos und das Musenroß, insofern er den beim Gesang der Musen vor Entzücken himmelwärts strebenden Helikon durch einen Hufschlag zur Ruhe brachte und zugleich damit die begeisternde Musenquelle“
in: Meyers Konversationslexikon, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Einteilung der Literatur

Die Einteilung schöngeistiger Literatur ist möglich:

  • im Gattungszusammenhang,
  • nach inhaltlichen (stofflich-thematischen) Aspekten,
  • hinsichtlich ihrer Epochenzugehörigkeit oder
  • nach der Art und Weise der Konfliktlösung.

Ebenso kann man Werke verschiedener Nationalliteraturen vergleichend betrachten. Dies ist die Aufgabe der Literaturwissenschaft. Die deutsche Literaturwissenschaft, ein Teilgebiet der Germanistik, beschäftigt sich mit in deutscher Sprache abgefasster Literatur, während die Komparatistik eine vergleichende Literaturwissenschaft ist. Sie untersucht die Literatur in ihrem internationalen Kontext (siehe Weltliteratur).

Formal wird die Literatur in drei Hauptgattungen eingeteilt. Die klassischen Gattungen der Literatur sind:

  • das Drama mit seinen Genres Tragödie und Komödie usw.,
  • die Epik (erzählende Texte) mit den Genres Roman, Novelle, Kurzgeschichte, Märchen, Fabel, Parabel usw.,
  • die Lyrik (Gedicht, Ballade, Lied, Elegie, Hymne, Ode, Haiku usw.).

Sie wurden von JOHANN WOLFGANG VON GOETHE als die drei „Naturformen der Poesie“ bezeichnet.
Die Grenzen zwischen den Gattungen werden in der modernen Literatur jedoch mehr und mehr aufgehoben.

FRANÇOIS RABELAIS parodistischer Ritterroman „Gargantua und Pantagruel“ (der franz. Originaltitel des ersten Bandes lautet: „Les horribles et épouvantables faits et prouesses du très renommé Pantagruel, Roi des Dipsodes, fils du grand géant Gargantua. Composés nouvellement par maître Alcofrybas Nasier“, siehe PDF) collagiert bereits epische, dramatische und lyrische Elemente. Dieses Verfahren findet man sowohl in den Ritterromanen des ausgehenden Mittelalters als auch in ihren Parodien (daneben z. B. in MIGUEL DE CERVANTES SAAVEDRAs „Der sinnreiche Junker Don Quijote von der Mancha“).

Auch die Dichter der Romantik versuchten, eine Synthese zwischen Lyrik, Dramatik und Epik zu erreichen (NOVALIS: „Heinrich von Ofterdingen“, siehe PDF).

Die Surrealisten erweiterten dieses Kunstkonzept dahingehend, dass sie die Grenzen der schönen Künste zu sprengen suchten und wortkünstlerisch und bildkünstlerisch zugleich arbeiteten (MAX ERNST: Frottagen, Collageroman).

Eine stofflich-thematische Einteilung der Literatur erfolgt

  • in der Dramatik in: bürgerliches Trauerspiel, Historiendrama, Zauberspiel, Posse, Lustspiel, Farce usw.,
  • in der Epik in: Science-Fiction, Kriminalliteratur, historischer Roman, Gegenwartsroman, gothic novel
    (Schauergeschichte), Abenteuerroman, Liebesroman usw.,
  • in der Lyrik in: Minnedichtung, Liebesgedicht, Naturlyrik usw.

Hinsichtlich ihrer Epochenzugehörigkeit unterscheidet man Literatur der Antike, des Mittelalters, der Renaissance, der Aufklärung, des Sturm-und-Drangs, der Klassik, der Romantik, des poetischen Realismus, des Naturalismus, des Impressionismus usw.

Eine weitere Möglichkeit der Einordnung von Literatur nach der Art und Weise der Konfliktlösung ist das Komische und das Tragische.

Weltliteratur

Bis zur Renaissance war die allgemein anerkannte Literatursprache das Latein. Erst allmählich, und verstärkt in der Aufklärung, setzte sich eine Literatur durch, die in den Nationalsprachen verfasst wurde. Dieser Prozess wurde unterstützt durch neue Maschinen, mit denen man preiswert drucken konnte, sowie durch eine Bildungspolitik, die größere Volksschichten in die Bildung einschloss. JOHANN PETER ECKERMANN überlieferte in den „Gesprächen mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens“ die Sentenz von GOETHE: „Nationalliteratur will jetzt nicht viel besagen, die Epoche der Weltliteratur ist an der Zeit“ (Audio 1). Jedoch sprach AUGUST WILHELM SCHLEGEL bereits 1802 von der Unvergänglichkeit der „Universalpoesie“.

Mit dem Begriff der Weltliteratur verbinden sich die größten Leistungen der einzelnen Nationalliteraturen, die über ihre zeitliche Entstehung und Wirksamkeit hinaus Gültigkeit besitzen. Bücher der Weltliteratur sind globale Foren des internationalen kulturellen Austauschs. Literarische Einflüsse und Beziehungen zwischen Autoren der Weltliteratur sind sehr vielfältig. Sie betreffen Stoffe, Themen, Motive, literarische Darstellungsformen und Erzählperspektiven.
Die Wissenschaft, die sich mit dem Vergleich der Nationalliteraturen und der Literatur in ihren internationalen Zusammenhängen beschäftigt, nennt man Komparatistik.

Literaturpreise

Zahlreiche Literaturpreise kennzeichnen den Stellenwert der Literatur in der Gesellschaft.

Der wohl bedeutendste internationale Literaturpreis ist derNobelpreis für Literatur. Er wird seit 1901 alljährlich für herausragende weltliterarische Leistungen vergeben. Der erste Preisträger war SULLY PRUDHOMME (d.i. René François Armand Prudhomme).

Der bedeutendste deutschsprachige Literaturpreis ist nach der Lyrikerin INGEBORG BACHMANN benannt. Mitte der Siebzigerjahre hatten der Journalist HUMBERT FINK und der damalige Landesintendant des Österreichischen Rundfunks (ORF) in Kärnten, ERNST WILLNER, die Idee, einen deutschsprachigen Literaturwettbewerb nach dem Vorbild der Gruppe 47 ins Leben zu rufen. Jährlich werden seitdem in der Kärntner Landeshauptstadt Klagenfurt mehrere Literaturpreise vergeben: Der Ingeborg-Bachmann-Preis wird gestiftet von der Landeshauptstadt Klagenfurt, der Preis des Landes Kärnten vom Land Kärnten.

Der angesehenste Literaturpreis der Bundesrepublik ist derGeorg-Büchner-Preis, benannt nach GEORG BÜCHNER, der von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung e. V. in Darmstadt seit 1951 neu verliehen wird.

audio

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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