Der strenge Knittelvers bestand aus 8 oder 9 Silben pro Verszeile. Der freie Knittelvers dagegen besaß eine beliebige (freie) Anzahl Silben.
HANS SACHS verwendete ihn häufig, u. a. im „Hörnen Sewfriedt“:
„Ja,weil Sewfriedt das thut begern, (8)
Ewr könglich mayestadt sun, (8)
Solt ir in dem im volge thun, (8)
In etwan schicken in Franckreich (8)
Oder in Hispania der gleich, (9)
Da er auch sicht anders hoffhalten, (9)
Wie man ist der höffligkeit walten (9)
Mit rennen, stechen und thurnieren, (9)
Mit jagen, hetzen und hoffieren (9)
Von den rittern und edlen allen; (9)
Das wirt im denn auch wolgefallen. (9)
Dardurch von grobheyt er erwacht, (8)
Wirt denn auch artig und geschlacht, (8)
Als denn gebüert eins königs sun.“ (9)
Im 18. Jahrhundert fand eine Umorientierung statt. GOETHE hat, dem Missverständnis aufgesessen, der Name des Verses käme von knüttel = knorrig, im Sinne von schlechten, unregelmäßigen Versen, ihn im Faust I metrisch unregelmäßig eingesetzt. Seit jener Zeit versteht man unter Knittelvers kurze Reimpaare mit vier Hebungen und freier Senkungsfüllung.
Beispiele
„Hábe nun, ách! Phílosophíe,
Jurísteréi und Médizín
Und léider áuch Théologíe
Durcháus studíert, mit heíßem Bemü´hn
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor;
Heiße Magister, heiße Doktor gar,
Und ziehe schon an die zehen Jahr
Herauf, herab und quer und krumm
Meine Schüler an der Nase herum –
Und sehe, daß wir nichts wissen können!
Das will mir schier das Herz verbrennen.“
(GOETHE: Faust I)
Reimschema:
− U U − − U U −
U − U − U − U −
U − U − − U U −
U − U − U − U U −
U − U − U − U −
U − U − U − U −
− U U − U − U − U U
U − U − U U − U −
U − U − U − U −
− U − U U U − U U−
U − U U U − − U− U
U − U − U − U − U