GERHART HAUPTMANN war so fasziniert von dem „konsequenten“ Naturalismus von HOLZ/SCHLAF, dass er ihnen sein Drama „Vor Sonnenaufgang“ widmete.
JOHANNES SCHLAF wurde am 21.06.1862 in Querfurt am Lederberg geboren. Er war der dritte Sohn des Kaufmannes FERDINAND SCHLAF. 1874 zog die Familie von Querfurt nach Magdeburg JOHANNES besuchte dort das Domgymnasium. Er gründete mit Gleichgesinnten des „Gymnasiums - Kloster Unser Lieben Frauen“ den Leseklub „Bund der Lebendigen“. Man las Bücher von KANT, PROUDHON, BEBEL, MARX, DARWIN und HAECKEL. Hier wurde der Heranwachsende auch zum Dichten angeregt. Und er begegnete einem anderen späteren Naturalisten: HERMANN CONRADI.
1884 studierte SCHLAF in Halle und Berlin Altphilologie und Germanistik.
In der Hauptstadt lernte er 1887 ARNO HOLZ kennen, mit dem er bis 1892 zusammenarbeitete. In ihrer programmatischen Schrift „Die Kunst, ihr Wesen und ihre Gesetze“ entwickelten beide ihre Theorie des Naturalismus. Daraus stammt die Gleichung Kunst = Natur - x. Mit „Papa Hamlet“(1889), einer Novelle, die beide unter dem Pseudonym Bjarne P. Holmsen veröffentlichten, gelten sie als Begründer des sogenannten „Sekundenstils“. GEORG MICHAEL CONRAD äußerte über das erste Meisterwerk des Naturalismus:
„Die Technik der Darstellung ist in hohem Grade originell. Es sind fast lauter Farbenspritzer, jäh, grell, unvermittelt, die sich in der Phantasie des kunstgeübten Lesers sofort zum brennendsten Lebensgemälde zusammensetzen. Nur Bilder, keine Gedanken. Diese erschreckliche Virtuosität der Wirklichkeitsnachbildung in winzigen Ausschnitten, nur am Tragisch-Banalen geübt, macht den Leser auf die Dauer ganz nervös.“
(Arno Holz und Johannes Schlaf: Papa Hamlet. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1979, S. 23)
Der Text „Ein Tod“ (1889), der den Tod eines Studenten schildert, veranschaulicht das Verfahren des Sekundenstils eindringlich:
„Du!“
„Was denn?!“
„Er liegt so auffallend still?“
„Ja! … Und… Herrgott! Sieh mal!!! Seine Nase ist - so spitz? Und… die - Augen…“
Olaf hatte sich schnell über Martin gebückt.
Um seinen Mund lag jetzt ein krampfiges Lächeln. Die Arme lagen lang über das zerwühlte Bett hin. Das scharfe spitzige Gesicht, auf welches jetzt schräg die Sonne fiel, war wachsbleich.
„Man… man spürt - den Puls gar nicht - mehr…“
„Was??“
„Ach… Er… er ist ja - tot?!“
„W…??“
„Tot!!“
„Tot?? Du meinst … tot???“
Die Worte blieben Jens in der Kehle stecken. Er zitterte.
„Tot?“
Es war, als ob er an dem Wort kaute.
„Es … es… ich will… die Wirtin…“
„Lass!“
Olaf hatte sich tief über die Leiche gebeugt. Er drückte ihr die Augen zu…
Eine Minute war vergangen. Sie hatten nicht gewagt, sich anzusehen.
Detailgetreu, Wort für Wort, mit minutiöser Genauigkeit, genau dem Sprechrhythmus der beiden Studenten Olaf und Jens entsprechend, wird der Dialog wiedergegeben, der sich an die Entdeckung anschließt, dass der Student, nach dessen Duell die beiden Kommilitonen ihn medizinisch versorgen, tot ist.
„Dieses Erzählen will keine Vergangenheit mehr darstellen, es will nur noch absolute Gegenwart sein. Es deutet nicht … über sich selbst hinaus. Der Dichter erkennt keinen übergreifenden Sinnzusammenhang, gibt keine Sinndeutung ...“ (Edgar Neis, 1965)
Die Literatur des konsequenten Naturalismus forderte die Totalität der Wirklichkeit.
In der „Neuen Gemeinschaft“ der Brüder HART waren die beiden Autoren tatkräftige Mitstreiter.
Zwar kehrte SCHLAF 1890 nach Magdeburg zurück, die Gemeinschaftsarbeit mit HOLZ bestand aber noch zwei Jahre weiter. Ihr Drama „Familie Selicke“ wurde 1890 in Magdeburg und Berlin uraufgeführt. Zusammen schrieben sie 1892 auch die Novelle „Neue Gleise“ und „Der geschundne Pegasus. Eine Mirlitoniade in Versen von Arno Holz und 100 Bildern von Johannes Schlaf“.
SCHLAF und HOLZ trennten sich freundschaftlich. Erst 1898 kam es zu einem erbitterten Streit zwischen beiden wegen der Anteile an den gemeinsamen Arbeiten. SCHLAF hatte öffentlich behauptet, er habe den größeren Anteil an der Arbeit gehabt. HOLZ musste darauf erwidern. Der Streit war irreparabel. In den Romanen um die Jahrhundertwendezeit (u. a. „Das dritte Reich“ und „Die Suchenden“) reflektierte SCHLAF diesen Streit.
Allein veröffentlichte SCHLAF 1892 sein Drama „Meister Oelze“. Bis 1904 blieb er in Magdeburg, schrieb dort u. a. die Romane „Peter Boies Freite“ (1903) „Der Kleine“ (1904 ) und zog dann als freier Schriftsteller nach Weimar. Seine große Zeit als Literat war allerdings vorbei. Er hatte sich vom Naturalismus abgewandt und schrieb nun Werke voller Mystik (u. a. „Peter Boies Freite“) und naturverbundener religiöser Schwermut. Als Autor hatte er WALT WHITMAN für sich entdeckt, dessen „Grashalme“ er übersetzte.
Auch wandte sich SCHLAF den französischen Symbolisten (VERLAINE) zu. Daneben beschäftigte er sich laienhaft mit Philosophie und Astronomie. 1912 erinnerten sich MAX BROD und FRANZ KAFKA des Dichters und besuchten ihn. In den Zwanzigerjahren näherte sich SCHLAF verstärkt dem Nationalen zu und kam der Ideologie der Nazis nahe.
Er beschäftigte sich seit Beginn der Neunzigerjahre des 19. Jahrhunderts mit seiner Heimatstadt Querfurt und nannte es „Dingsda“. Damit gelang ihm noch einmal ein Achtungserfolg als Autor. Das erste dieser Bücher „In Dingsda“ (1892) erreichte eine Auflagenhöhe von 60.000 Stück. Weitere seiner Geschichten sind in „Stille Welten“, „Neues aus Dingsda“ u. a. niedergeschrieben.
Diese Arbeiten wurden auch in seiner Geburtsstadt gelesen und anerkannt. Anlässlich seines 60. Geburtstages am 21.06.1922 brachte man ihm zu Ehren einen Gedenkstein an der Querfurter Friedhofskapelle an und benannte die davor stehende Linde nach ihm. Zehn Jahre später, zu seinem 70. Geburtstag am 21.06.1932 wurde er zum Ehrenbürger der Stadt ernannt. 1937 zog SCHLAF in seine Geburtsstadt Querfurt zurück. Dort starb er am 02.Februar 1941 an den Folgen eines Schlaganfalles. Im Johannes-Schlaf-Haus am Entenplan wurde ein Museum eingerichtet.
Als Übersetzer von Werken EMILE ZOLAs, WALT WHITMANs und PAUL VERLAINEs wird er bis heute rezipiert.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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