„Ätherisch wie ein Traum und exakt wie ein Logarithmus“ urteilte HERMANN HESSE schon 1925 und nannte FRANZ KAFKA einen „heimlichen Meister und König der deutschen Sprache“.
Die Lebensgeschichte FRANZ KAFKAs umfasst nur 41 Jahre. Er wurde als ältestes Kind des jüdischen Kaufmanns HERMANN KAFKA und seiner Frau JULIE, geb. LÖWY, in Prag geboren. Von 1889 bis 1893 besuchte er die deutsche Knabenschule und von 1893 bis 1901 das „Altstädter Gymnasium“. In den Jahren 1901 bis 1906 studierte er an der Deutschen Universität in Prag, zuerst Chemie, zwischendurch Germanistik, dann Jura.
1902 begegnete er MAX BROD, dem späteren Herausgeber seiner Werke, der einer seiner wenigen Freunde wurde. Seine erste literarische Arbeit entstand in den Jahren 1904/05: „Beschreibung eines Kampfes“. Dieses Werk ist nur noch fragmentarisch erhalten, da KAFKA später einen Großteil der Arbeit vernichtete, weil sie seinen Ansprüchen nicht mehr genügte. Nach seinen Staatsprüfungen im Jahre 1906 promovierte er schon 1906 zum Dr. jur.
1907 entstand sein Romanfragment „Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande“. Bis Juli 1908 arbeitete er als Aushilfskraft in einer Versicherungsanstalt. Er belegte im selben Jahr einen Kurs für Arbeitsversicherung an der Prager Handelsakademie und trat in die Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen in Prag als Aushilfsbeamter ein. Später wurde er mehrfach befördert, so 1910 zum Konzipisten, 1913 zum Vizesekretär, 1920 zum Sekretär und 1922 zum Obersekretär. Im Jahre 1917 erkrankte er an Tuberkulose, dies zwang ihn später, seinen Beruf aufzugeben. So entschloss er sich, eine schriftstellerische Laufbahn einzuschlagen und ausschließlich als freier Schriftsteller zu arbeiten.
1910 begann er seine Tagebücher zu schreiben und besuchte häufig Theatervorstellungen einer jüdischen Schauspielertruppe, die bis zum Jahre 1912 in Prag gastierte.
Von 1911 an unternahm er mehrere Reisen, meist mit MAX BROD, so u.a. in die Schweiz, nach Italien, Frankreich und auch nach Weimar. Er begann seine Arbeit am Roman „Der Verschollene/Amerika“ (siehe PDF "Franz Kafka - Amerika") und bereitete seine erste Buchveröffentlichung vor. „Betrachtung“ (18 Prosastücke) erschien 1912 im Rowohlt-Verlag. Am 13. August desselben Jahres lernte er bei MAX BROD die Prokuristin FELICE BAUER aus Berlin kennen. Schon 14 Tage später begann er mit dem Schreiben der „Briefe an Felice“. Im Jahre 1914 verlobte er sich mit FELICE, die Verlobung wurde jedoch im selben Jahr gelöst.
Er begann und vollendete verschiedene Werke, wie den Roman „Der Prozess“ (1925, posthum, siehe PDF "Franz Kafka - Der Prozeß") und die Erzählung „In der Strafkolonie“ (1919, siehe PDF "Franz Kafka - Erzählungen"). „Der Prozess“ wurde mehrfach verfilmt, so 1962 unter der Regie von ORSON WELLES mit ANTHONY PERKINS, JEANNE MOREAU und ROMY SCHNEIDER in den Hauptrollen und 1992 unter der Regie von DAVID JONES mit ANTHONY HOPKINS in der Hauptrolle.
1915 gab CARL STERNHEIM den ihm verliehenen Fontane-Preis an KAFKA weiter.
1917 begann KAFKA, nachdem er schon in früheren Jahren wachsendes Interesse für das Judentum und den Zionismus gezeigt hatte, Hebräisch zu lernen. Noch einmal verlobte er sich mit FELICE BAUER und löste die Verlobung erneut. In diesem Jahr erlitt er einen Blutsturz und die diagnostizierte Lungentuberkulose veranlasste ihn, wieder zu seinen Eltern zu ziehen. Nur langsam erholte er sich. Schon im Jahre 1918 erkrankte er an Spanischer Grippe. Während seines, der Erholung dienenden, Aufenthaltes in Schlesien lernte er die aus einer tschechisch-jüdischen Handwerkerfamilie stammende JULIE WOHRYZECK kennen und verlobte sich 1919 mit ihr, 1920 wurde auch dieses Verlöbnis gelöst.
Im Jahre 1919 vollendete er den „Brief an den Vater“ (siehe PDF "Franz Kafka - Brief an den Vater"), in dem er sich auf über 61 Seiten mit seinem Vater, konkret mit dem wegen der Übermacht des Vaters ständig angespannten Verhältnis, auseinandersetzt. Die Jahre 1920 bis 1924 (bis zu seinem Tod) waren von Zusammenbrüchen, Erholung und erneuten Zusammenbrüchen gekennzeichnet. 1922 wurde er pensioniert. 1924 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand und die Ärzte stellten bei ihm außerdem Kehlkopftuberkulose fest. In den Erholungsphasen und den immer kürzer werdenden Phasen, wo er sich gut fühlte, schrieb er noch einige bedeutsame Werke, so „Heimkehr“ (1920), „Kleine Fabel“ (1920), „Das Schloss“ (1922, siehe PDF "Franz Kafka - Das Schloß"), „Erstes Leid“ (1921), „Ein Hungerkünstler“ (1922, siehe PDF "Franz Kafka - Ein Hungerkünstler"), „Forschungen eines Hundes“ (1922). „Eine kleine Frau“ (1923), „Der Bau“ (1923), „Josefine, die Sängerin (1923).
Kleine Fabel
„Ach“, sagte die Maus, „die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, daß ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, daß ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, daß ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.“ – „Du mußt nur die Laufrichtung ändern“, sagte die Katze und fraß sie.
(Kafka, Franz : Gesammelte Werke. Band 8, Frankfurt /Main:S. Fischer, 1950 ff., S. 91)
KAFKA war Zeit seines Lebens ein Einzelgänger, der kaum Freunde hatte. Wenige Jahre vor seinem Tod sagte er von sich selbst:
Das „Grenzland zwischen Einsamkeit und Gemeinschaft habe ich äußerst selten überschritten, ich habe mich darin sogar mehr angesiedelt als in der Einsamkeit selbst. Was für ein lebendiges schönes Land war im Vergleich hierzu Robinsons Insel.“
(Kafka, Franz, Tagebücher Band 3. Frankfurt/Main: Fischer, S. 871)
Am 3. Juni 1924 starb KAFKA in einem Sanatorium in Kierling bei Wien. Er wurde auf dem jüdischen Friedhof in Prag-Straschnitz beigesetzt.
KAFKA hatte aufgrund seiner frühen und schweren Erkrankung nur wenige Jahre, um schriftstellerisch zu arbeiten. Für diese kurze Zeit schrieb er jedoch relativ viele und insbesondere für die deutschsprachige Literatur bedeutende Werke.
KAFKAs literarisches Schaffen umfasst vor allem Erzählungen und Romane, darüber hinaus jedoch auch eine Reihe von Feuilletons, Kritiken und juristischen Fachartikeln. Sein Gesamtwerk macht deutlich, dass er ein profunder Kenner der sozialen Bedingungen seiner Zeit war.
Typisch für KAFKAs Werke sind eine lineare Erzählführung, eine schnörkellose Sprache und eine detailgetreue und realistische Darstellung. Zugleich sind jedoch fast alle seine Werke parabelhaft angelegt; diese „Verschlüsselung“ führte zu diversen und oft konträren Deutungsversuchen.
KAFKA wird als einer der bedeutendsten Vertreter der frühen fantastischen Literatur und der klassischen Moderne angesehen. In seinen Texten findet sich häufig die Verwandlung von scheinbar Vertrautem und Alltäglichem. Das literarische Motiv der Metamorphose findet seinen Höhepunkt in der Erzählung „Die Verwandlung“ (siehe PDF "Franz Kafka - Die Verwandlung"), in der sich ein Mensch über Nacht in ein Insekt verwandelt und daraufhin von der entsetzten Familie verstoßen wird. Überhaupt wird bei KAFKA der Mensch der modernen Gesellschaft oft als Fremder dargestellt, dem das familiäre Vertrauen und die gesellschaftlichen Bindungen verloren gegangen sind und der sich statt dessen mit einer kalten, herzlosen, verschlossenen Welt und einer ungewissen Zukunft konfrontiert sieht.
KAFKA hat selbst nur wenige seiner Werke veröffentlicht. Der überwiegende Teil seiner Werke verdankt seine Veröffentlichung dem Prager Schriftsteller, Verleger und Freund KAFKAs, MAX BROD, der den literarischen Nachlass des früh verstorbenen KAFKA – gegen seinen Willen – nach dessen Tod publizierte.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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