Der gute Mensch von Sezuan

Stückgeschichte

Das Stück „Der gute Mensch von Sezuan“ hat BRECHT 1941 im Exil vollendet, 1943 ist es am Zürcher Schauspielhaus uraufgeführt worden, die Musik schrieb PAUL DESSAU. Die Idee zu dem Stück beschäftigte BRECHT allerdings schon seit Mitte der Zwanzigerjahre. 1930 hatte er ein Stück mit dem Titel „Ware Liebe“ konzipiert, in dem eine Prostituierte und das Motiv der Personenspaltung schon eine Rolle spielten. In den Jahren während der Arbeit an dem Stück befasste sich BRECHT zudem mit fernöstlicher Philosophie und chinesischer Schauspielkunst. Die asiatischen Darstellungstechniken beeinflussten maßgeblich seine Theorie vom epischen Theater.

Die Handlung:

Die Handlung: Drei Götter sind auf die Erde und in die Hauptstadt von Sezuan gekommen. Sie sollen herausfinden, ob genug gute Menschen in der Lage sind, die Gebote der Götter zu erfüllen. Wenn dem so wäre, könnte die Welt bleiben wie sie ist. Die Götter treffen am Eingang der Stadt den Wasserverkäufer Wang und bitten ihn, ein Nachtquartier zu suchen, aber bei den Reichen werden sie abgewiesen. Nur das Freudenmädchen Shen Te, das ein gutes Herz hat, gewährt den Göttern eine Nacht Quartier. Sie verliert deshalb einen Kunden und wird ihre Miete nicht zahlen können. Shen Te macht den Göttern klar, dass sie zu wenig Geld hat, um ein wirklich guter Mensch zu sein. Daraufhin bekommt sie von den Göttern etwas Geld, damit es ihr leichter fällt, nach den göttlichen Geboten zu leben.

Geschenk der Götter

Von dem Geschenk der Götter kauft sie sich einen kleinen Tabakladen und will fortan nur Gutes tun. Doch kaum ist der Laden eröffnet, wird She Te von der Hilfsbedürftigkeit der Armen und den Ansprüchen der Reichen förmlich überrannt. Eine achtköpfige Familie bezieht in ihrem Laden Quartier und braucht die Vorräte auf, der Schreiner fordert nachträglich 100 Dollar und die Hausbesitzerin eine Bürgschaft. Shen Te erscheint es als ihre einzige Rettung, einen Vetter zu erfinden und sich als dieser auszugeben.

Erste Verwandlung

Als Shui Ta verkleidet, der unerbittlich ist und ökonomisch zweckmäßig denkt, erscheint sie eines Morgens im Laden. Sie setzt die Familie vor die Tür, speist den Schreiner mit 20 Dollar ab und verhandelt mit der Hausbesitzerin über die Miete. Da diese im Voraus bezahlt werden soll, gibt ein Polizist dem Vetter den Rat, dass Shen Te eine Heiratsannonce aufgeben solle. Der hartherzige „Vetter“ hat Shen Tes Ruin für diesmal abgewendet. Shen Te will es bei dieser einen Verwandlung belassen. Als Shen Te auf dem Wege zu einem Witwer ist, den sie heiraten will, begegnet sie dem verzweifelten arbeitslosen Flieger Sun, den sie davon abhält, sich zu erhängen.

Shen Te verliebt sich

Shen Te verliebt sich und ist überglücklich. Am nächsten Morgen taucht Suns Mutter im Laden auf und erzählt Shen Te, dass Sun Aussicht auf eine Stelle habe, diese aber 500 Dollar Schmiergeld koste. Shen Te gibt ihr sofort 200 Dollar, die ihr ein befreundetes Teppichhändler-Ehepaar für den Mietvorschuss geliehen hat. Als Sun im Laden auftaucht, um sich den Rest des Geldes zu holen, trifft er auf Shui Ta, den Vetter. Der ist zunächst bereit, den Laden zu verkaufen, um die restlichen 300 Dollar herbeizuschaffen. Als er aber hört, dass Sun zwar das Geld haben, die von ihren Gefühlen geleitete, „unvernünftige“ Shen Te aber nicht nach Peking mitnehmen will, überdenkt er die Entscheidung und tritt in Verhandlungen mit dem reichen Barbier Shu Fu über ein Heiratsangebot für Shen Te. Aber Shen Te, wieder der Rolle des Vetters entschlüpft, liebt Sun und will bei ihm bleiben, egal, was es sie kostet. Auf dem Weg zur Hochzeit trifft sie die alte Frau des Teppichhändlers, der sie 200 Dollar schuldet. In ihrem Glück hat sie deren Hilfsbereitschaft ganz vergessen. Aus der Hochzeit wird nichts, denn Shen Te will den Freunden das Geld zurückgeben. Deshalb soll Sun auf die Fliegerei verzichten und in der Zementfabrik arbeiten gehen. Doch Sun will das Geld nicht wieder hergeben. Shen Te entschließt sich, den Laden zu verkaufen, um ihre Schulden bezahlen zu können. Ihrer Liebe zu Sun zu folgen und die Gebote der Nächstenliebe einzuhalten, beides zugleich ist für Shen Te nicht möglich.

Neue Verwandlung

Beglückt nimmt Shen Te wahr, dass sie schwanger ist. Da sieht sie ein fremdes Kind im Abfall spielen und ist entschlossen, ihr Kind nicht so aufwachsen zu lassen. Sie verwandelt sich wieder in den Vetter Shui Ta. Der verkauft den Laden nicht und gibt den Alten auch nicht das Geld zurück. Mit einem Scheck des Barbiers Shu Fu baut er eine Tabakfabrik auf, in der Shen Tes Freunde als Arbeiter angestellt werden. Auch Sun bittet um Arbeit, und er erhält von Shui Ta die Möglichkeit, die 200 Dollar, die er Shen Te schuldet, abzuarbeiten. Er steigt in der Fabrik bald zu einem eifrigen Aufseher und Leuteschinder auf. Doch für den Teppichhändler kommt die Rückzahlung zu spät. Seine Existenz ist wegen der Steuerschulden zerstört. Neue Geschäfte und Fabrikräume werden geplant.

Shui Tas wirtschaftlicher Erfolg

Shui Ta hat es mit Unnachgiebigkeit und hartem Kalkulieren zu Erfolg und Ansehen gebracht. Man nennt ihn den „Tabakkönig von Sezuan“. Was zunächst nur als Notlösung zur Rettung von Shen Te gedacht war, wird zu einem Dauerzustand. Die gütige Shen Te kehrt immer seltener zurück und bleibt schließlich ganz hinter der brutalen und geschäftstüchtigen Maske ihres Vetters verborgen. Doch die armen Leute warten immer ungeduldiger auf die Rückkehr der gutmütigen Shen Te. Auch der Barbier will endlich die Frau haben, für die er bereits so viel bezahlt hat. Sun hört von den Gerüchten, dass Shen Te schwanger sei und will sich diesen Umstand zunutze machen, um den Vetter aus dem Geschäft zu verdrängen.

Verhandlung und Parabel

Er zeigt Shui Ta unter der Anklage an, Shen Te mit Gewalt festzuhalten. Bei einer Hausdurchsuchung findet die Polizei bei dem Tabakkönig die Kleider Shen Tes. Shui Ta fällt in Ohnmacht, als sie erkennt, wer über sie zu Gericht sitzt: die drei Götter aus dem Vorspiel. Die reichen Leute aus Sezuan wissen nur Gutes über den Tabakkönig zu sagen, doch der Wasserverkäufer Wang berichtet von seinen bösen Werken. Da gibt sich Shen Te zu erkennen und enthüllt ihr Geheimnis. Sie gibt zu, dass es ihr nicht gelungen sei, zugleich zu sich und den anderen Menschen gut zu sein. Die Götter wollen nicht eingestehen, dass ihre abstrakten Gebote für die Menschen unerfüllbar sind. In ihrer Hilflosigkeit sind sie froh, in den Himmel zurückkehren zu können und übertönen Shen Tes Hilferufe mit Lobpreisungen des guten Menschen von Sezuan.

Das Werk

„Der gute Mensch von Sezuan“ ist ein Parabelstück in zehn Bildern, in denen die gleichnishafte Fabel entfaltet wird. Das Vorspiel und die Zwischenspiele sind den Auftritten der Götter vorbehalten. Als Vermittler zwischen der Welt der Götter und der realen Welt fungiert der Wasserverkäufer Wang. Nur lose mit der Handlung verknüpft sind die lyrischen Einschübe:

  • Das Lied vom Rauch,
  • Das Lied des Wasserverkäufers im Regen,
  • Das Lied von der Wehrlosigkeit der Götter und der Guten,
  • Das Lied vom Sankt Nimmerleinstag und
  • Das Lied vom achten Elefanten.

Diese Lieder schlagen den Grundton von der Vergeblichkeit des menschlichen Mühens an. Die gutmütige Shen Te, die sich von ihren Gefühlen der Liebe und der Nächstenliebe leiten lässt, ist machtlos in dieser Welt und scheitert an den harten Forderungen des Lebens. Als stark und lebenstüchtig erweist sich ihr rücksichtsloser Vetter Shui Ta, der sich von „vernünftigen“ Entscheidungen leiten lässt. Der ethische Anspruch der Güte und Selbstlosigkeit hat in dieser Welt des Nützlichkeitsdenkens und des Strebens nach dem eigenen Vorteil keinen Platz. Mit Güte richtet sich der Menschen letztlich selbst zugrunde, während Egoismus der Selbsterhaltung dient. So lautet das zugespitzte Fazit aus BRECHTs Gleichnis, das die Kategorien von Gut und Böse als sozial determinierte Größen versteht.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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