Blankvers

Der Blankvers ist ein ungereimter steigender Fünftakter. Dabei besteht der männliche Vers aus zehn, der weibliche aus elf Silben.

Das Reimschema ist:

U – U – U – U – U – ( U )

Der Blankvers wurde im 15. Jahrhundert in England in die Dramatik eingeführt.

Besonders die Dichter des 16. und 17. Jahrhunderts BEN JONSON (1572–1637), CHRISTOPHER MARLOWE (1564–1593) und WILLIAM SHAKESPEARE (1564–1616) benutzten den Vers in ihren dramatischen Werken. Deshalb nennt man den Blankvers auch den Vers SHAKESPEAREs:

„Hence! home, you idle creatures get you home:
Is this a holiday? what! know you not,
Being mechanical, you ought not walk
Upon a labouring day without the sign
Of your profession? Speak, what trade art thou?“

(SHAKESPEARE: Julius Caesar)

JOHN MILTON (1608–1674) verwendete den Blankvers in seinem epischen Gedicht „Paradise Lost“:

„Of Mans First Disobedience, and the Fruit
Of that Forbidden Tree, whose mortal tast
Brought Death into the World, and all our woe,
With loss of EDEN, till one greater Man
Restore us, and regain the blissful Seat,
Sing Heav'nly Muse, that on the secret top
Of OREB, or of SINAI, didst inspire
That Shepherd, who first taught the chosen Seed,
In the Beginning how the Heav'ns and Earth
Rose out of CHAOS: Or if SION Hill
Delight thee more, and SILOA'S Brook that flow'd [...]“

(JOHN MILTON: Paradise Lost)

Im 18. Jahrhundert wurde er aus der englischen Dichtung in die deutsche übernommen. AUGUST WILHELM SCHLEGEL (1767–1845) hat sich in seinen Übersetzungen der Werke des englischen Dramatikers an dieses Dogma gehalten:

„Packt euch nach Haus, ihr Tagediebe! fort!
Ist dies ein Feiertag! Was? wißt ihr nicht,
Dass ihr als Handwerksleut an Werkeltagen
Nicht ohn ein Zeichen der Hantierung dürft
Umhergehn? – Welch' Gewerbe treibst du? sprich!“
(SHAKESPEARE: Julius Caesar, in der Übersetzung SCHLEGELs, siehe PDF "William Shakespeare - Julius Cäsar")

In der deutschen Aufklärung und Klassik wurde der Blankvers in zahlreichen Dramen verwendet, so schrieb GOTTHOLD EPHRAIM LESSING (1729–1781) sein Drama „Nathan der Weise“ in Blankversen:

„Es eifre jeder seiner unbestochnen
Von Vorurteilen freien Liebe nach!
Es strebe von euch jeder um die Wette,
Die Kraft des Steins in seinem Ring' an Tag
Zu legen! komme dieser Kraft mit Sanftmut,
Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun,“

(LESSING: Nathan der Weise, Ringparabel, siehe PDF)

JOHANN WOLFGANG VON GOETHE (1749–1832) verwendete den Blankvers u. a. in „Iphigenie auf Tauris“:

„Heraus in eure Schatten, rege Wipfel
Des alten, heil'gen, dichtbelaubten Haines,
Wie in der Göttin stilles Heiligtum,
Tret ich noch jetzt mit schauderndem Gefühl,
Als wenn ich sie zum erstenmal beträte,
Und es gewöhnt sich nicht mein Geist hierher.
So manches Jahr bewahrt mich hier verborgen
Ein hoher Wille, dem ich mich ergebe;
Doch immer bin ich, wie im ersten, fremd.
Denn ach! mich trennt das Meer von den Geliebten,
Und an dem Ufer steh ich lange Tage,
Das Land der Griechen mit der Seele suchend;
Und gegen meine Seufzer bringt die Welle
Nur dumpfe Töne brausend mir herüber.
Weh dem, der fern von Eltern und Geschwistern
Ein einsam Leben führt! Ihm zehrt der Gram
Das nächste Glück vor seinen Lippen weg,
Ihm schwärmen abwärts immer die Gedanken
Nach seines Vaters Hallen, wo die Sonne
Zuerst den Himmel vor ihm aufschloß, wo
Sich Mitgeborne spielend fest und fester
Mit sanften Banden aneinanderknüpften.
Ich rechte mit den Göttern nicht; allein
Der Frauen Zustand ist beklagenswert.“

(GOETHE: Iphigenie auf Tauris, siehe PDF)


Auch HEINRICH VON KLEIST verwendete ihn.

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