Bitterfelder Weg

„Bitterfelder Weg“ bezeichnet eine künstlerische, insbesondere literarische Bewegung in der DDR, die das künstlerische Laienschaffen fördern und thematisch die Probleme der Arbeitswelt aufgreifen sollte.

Eingeleitet wurde der Bitterfelder Weg mit den beiden „Bitterfelder Konferenzen“.

Vorgeschichte

Zur Vorgeschichte gehört der sogenannte Nachterstedter Brief: 1955 hatten Arbeiter des Nachterstedter Braunkohlewerks in einem offenen Brief an die Schriftsteller der DDR gefordert:

Wir möchten mehr Bücher über den gewaltigen Aufbau, der sich auf allen Gebieten der Deutschen Demokratischen Republik vollzieht, über das Schaffen und Leben der Werktätigen. Schreiben Sie und gestalten Sie ... den Enthusiasmus, unsere Leidenschaft und das große Verantwortungsbewußtsein, das die Arbeiter im Kampf um das Neue beseelt.
( vgl.: Der Nachterstedter Brief. Verlag Tribüne, [o. J.], 96 S.)

Vorbild des Bitterfelder Weges im bildkünstlerischen Bereich war die Bitterfelder Brigade „Nikolai Mamai“, die der Maler WALTER DÖTSCH in einem Gemälde festgehalten hatte. Nach dem Vorbild dieser Zusammenarbeit zwischen Künstler und Werktätigen sollte sich in der Folgezeit orientiert werden.

Erste Bitterfelder Konferenz

Die erste Bitterfelder Konferenz fand am 24.04.1959 statt (siehe PDF "Rede Walter Ulbrichts auf der 1. Bitterfelder Konferenz") und stand unter der Losung: „Greif zur Feder Kumpel, die sozialistische deutsche Nationalliteratur braucht dich!“.

Sie sollte zur Schaffung einer eigenständigen, DDR-geprägten Nationalkultur beitragen. Ziele sollten sein:

  • Verbindung von Kunst und Leben.
  • Verbindung von Künstler und Arbeiterklasse.

Die erste Konferenz sollte das künstlerische Laienschaffen entwickeln helfen sowie die Autoren anregen, in die Betriebe zu gehen, um von dort über die Probleme der Arbeitswelt zu schreiben.

Zweite Bitterfelder Konferenz

Die zweite Bitterfelder Konferenz vom 24.–25.04.1964, modifizierte das Ziel. Das Motto der Konferenz lautete: „Sozialistisch arbeiten, sozialistisch lernen, sozialistisch leben“.

Dies machte deutlich, dass diese kulturelle Bewegung in der DDR sich auf das gesamte gesellschaftliche Leben erstrecken sollte bis in den Freizeitbereich hinein.

Das Ziel des Bitterfelder Weges

Über das Ziel des Bitterfelder Weges erklärte der damalige 1. Sekretär des ZK der SED, WALTER ULBRICHT, in seiner Rede auf der 2. Bitterfelder Konferenz 1964:

„… dass es darum gehe, unserer Literatur, der bildenden Kunst, den schönen Künsten überhaupt, einen neuen, sozialistischen Inhalt zu geben und sie dem ganzen Volk zugänglich zu machen. Wir stellten die Forderung an die Schriftsteller und Künstler, sie möchten aktiv am sozialistischen Aufbau teilnehmen, das Neue erkennen und begreifen, aufspüren und schöpferisch darstellen und selbst mithelfen, das Leben zu verändern, dem Neuen zum Siege zu verhelfen. Gleichzeitig wurden die Arbeiter und Bauern aufgefordert, die Höhen der Kultur zu erstürmen.“ (WALTER ULBRICHT. In: Zweite Bitterfelder Konferenz 1964. Protokoll der von der Ideologischen Kommission beim Politbüro des ZK der SED und dem Ministerium für Kultur am 24. und 25. April im Kulturpalast des Elektrochemischen Kombinats Bitterfeld abgehaltenen Konferenz.Berlin: Dietz Verlag, 1964)

Der Redner bezeichnete die Umwälzungen auf dem Gebiet der Kultur als „sozialistische Kulturrevolution“.
Als Aufgabe des Kulturschaffenden bezeichnete er es, „Mängel und Unzulänglichkeiten“ des Sozialismus aus dem Wege zu räumen.

ULBRICHT führte aus:

„Große Konflikte in der Literatur und Kunst können nicht nur privater Art sein, ihnen liegen echte gesellschaftliche Widersprüche zugrunde“. (ebenda)

Als die Schriftsteller begannen, genauer auf die Wirklichkeit in der DDR zu schauen, wurden 1965 auf dem11. Plenum genau die kritischen Werke und Stimmen verboten, die vorher so kräftig eingefordert worden waren (siehe PDF "Walter Ulbricht - Schlußwort auf der 11. Tagung des ZK der SED").

Allerdings hatte Ulbricht offenbar auch die Gefahren bedacht, die einen kritischen Blick auf die DDR-Wirklichkeit durch die Kunst mit sich brachten, denn er wandte sich zugleich gegen jene Stimmen, die „eine absolut „freie Kunst“ fordern, in der es „keinen Rahmen für den Sozialismus“ gibt, wenn sie nach einer „Rückbesinnung auf die allererste Periode des Freiwerdens aller, auch der kulturellen und künstlerischen Kräfte“ rufen,…“
Es konnte also nur eine solche Kunst geduldet werden, die genau im Sinne der SED-Politik war. Dies aber bedeutete die Vorherrschaft der Partei in allen Fragen der Kunst und Kultur. Damit erreichte die SED eine Kontrolle des gesamten gesellschaftlichen Lebens in der DDR.

Sozialistische Brigaden

Es sollte die „Entgegensetzung von Berufs- und Laienkunst“ beseitigt (HORST BIEN) und zugleich Probleme des Alltags gestaltet werden. Diese angestrebte Gleichstellung von Laien und professionellen Künstlern drückte sich auch im gesellschaftlichen System selbst aus: Die Brigaden, später sozialistischen Brigaden, als „kleinste Zellen der Produktion“ verpflichteten sich nicht nur zu Arbeitshöchstleistungen. Um Prämien zu erhaschen oder Auszeichnungen zu bekommen, mussten sie auch kulturelle Höhepunkte in ihre sogenannten Brigadepläne aufnehmen. So planten sie Theaterbesuche, die zwar oft gebucht, aber weniger besucht waren.

Ergebnisse des Bitterfelder Weges

In der Folge des Bitterfelder Weges wurden Zirkel schreibender Arbeiter, Arbeitertheater und -kabaretts und Volkstanzgruppen gegründet, Ergebnisse künstlerischer Arbeit wurden bei sogenannten Arbeiterfestspielen präsentiert. Auch die Poetenseminare der FDJ gehörten zu den Ergebnissen des Bitterfelder Weges.

Professionelle Künstler leiteten entsprechende Zirkel und Arbeitsgemeinschaften und führten interessierte Werktätige in ihre spezifischen Künste ein. Ihr Engagement war oftmals tatsächlich ernst gemeint, glaubte man doch, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse sich stetig bessern, demokratisieren würden.

Zwischen 1960 und 1961 absolvierte CHRISTA WOLF ein Betriebspraktikum im Waggonwerk Ammendorf.

Ein Ergebnis ihrer Studien wurde der Roman „Der geteilte Himmel“.

BRIGITTE REIMANN arbeitete 1959/1960 im Braunkohletagebau in Hoyerswerda. Sie beschrieb ihren Eindruck in zeitgenössischen Briefen als

„überwältigend, das Kombinat von einer Großartigkeit…. H. [Hoyerswerda] und das Kombinat werden noch oft genug – falls dies literarisch überhaupt zu bewältigen ist – in Erzählungen oder sogar einem Roman auftauchen“.
(BRIGITTE REIMANN: Tagebucheintrag vom September 1959)

Eine Bewegung zur Überwindung der Grenzen zwischen Autor und Leser in der Bundesrepublik wurde seit 1961 die „Gruppe 61“ und später der aus ihr hervorgegangene „Werkkreis Literatur und Arbeitswelt“.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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