- Lexikon
- Chemie
- 8 Stoffkreisläufe
- 8.4 Der Kreislauf des Stickstoffs
- 8.4.0 Der Kreislauf des Stickstoffs
- Justus Freiherr von Liebig
JUSTUS FREIHERR VON LIEBIG wurde in eine Zeit großer politischer Veränderungen hineingeboren. Die Französische Revolution hatte gerade acht Jahre zuvor ein erfolgreiches Ende genommen und beeinflusste auch die Entwicklung anderer europäischer Länder.
Ein Jahr nach LIEBIGs Geburt ernannte sich NAPOLEON BONAPARTE selbst zum Kaiser der Franzosen. Er verfolgte eine Eroberungspolitik, die Europa in einen Krieg stürzte. Mit seinem Sieg über die Preußische Armee im Oktober 1806 gehörte Deutschland zu seinem Besetzungsgebiet. 1812 begann er seinen Russlandfeldzug, was letztlich seinen Niedergang bedeutete.
Mit den politischen Veränderungen gingen auch wirtschaftliche Veränderungen einher. Die industrielle Revolution, die schon in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts in England begonnen hatte, wurde nun auch in Deutschland spürbar. Fabriken und neue Maschinen entstanden. Es entwickelten sich neue Methoden im Bergbau und Hüttenwesen.
1825 entstand das erste deutsche Gaswerk.
Weitere Veränderungen betrafen die Landwirtschaft. Von der Dreifelderwirtschaft ging man zum Fruchtwechsel über, die Viehhaltung gewann an Bedeutung und aus den Leibeigenen wurden schrittweise freie Bauern.
1847 kam es zu einer Weltwirtschaftskrise, die eine revolutionäre Krise nach sich zog. Diese begann am 23./24. Februar 1848 in Frankreich. Sie war Auslöser einer Revolutionswelle im März des Jahres, die sich über Europa ausbreitete.
In den fortgeschrittenen Ländern England, Frankreich, USA und Deutschland fand die industrielle Revolution ihr Ende.
Es entstanden völlig neue Industriezweige, darunter der Maschinenbau. Tief greifende Veränderungen gab es in der Landwirtschaft, in der nun Dampfdreschmaschinen und Dampfpflüge zur Verfügung standen.
Dank LIEBIGs Entwicklung der künstlichen Düngemittel konnten die Erträge erheblich gesteigert werden.
JUSTUS FREIHERR VON LIEBIG wurde am 12. Mai 1803 in Darmstadt als Sohn eines Drogisten geboren.
In den Jahren 1817 und 1818 war er als Lehrling bei einem Apotheker in Heppenheim. 1820 begann er an der Universität in Bonn bei KASTNER sein Chemiestudium und folgte ihm noch im gleichen Jahr nach Erlangen.
Als Mitglied einer verbotenen Burschenschaft und wegen seiner Teilnahme an Studentenunruhen musste er im März 1822 sein Studium abbrechen. Noch im gleichen Jahr kehrte er nach Darmstadt zurück, wo er sich erneut politisch betätigte.
Er bekam Stadtarrest. Doch noch im gleichen Jahr erhielt er durch ein großherzogliches Stipendium die Möglichkeit, sein Studium in Paris fortzusetzen. Hier besuchte er Vorlesungen bei DULONG, THENARD, GAY-LUSSAC und DESORMES.
Hier begann LIEBIG auch mit seinen Forschungen und beschäftigte sich mit den Eigenschaften von Knallquecksilber und den Salzen der Knallsäure.
GAY-LUSSAC ließ LIEBIG in seinem Labor arbeiten, wo dieser seine Arbeiten über die Knallsäureverbindungen abschloss. Noch während seiner Pariser Zeit wurde LIEBIG für seine Ergebnisse bei der Untersuchung von Knallsäure von der Universität Erlangen zum Doktor ernannt.
1824 wurde LIEBIG auf Empfehlung von HUMBOLDT als außerordentlicher Professor an die Universität Gießen berufen. Hier richtete er sein Labor im Waschraum einer alten Kaserne ein. Später sollte dieses Labor weltberühmt werden. Ein Jahr darauf folgte die Berufung zum ordentlichen Professor. Im gleichen Jahr begann er mit der Entwicklung seines Plans für ein „Chemisch-Pharmazeutisches Institut“.
1826 konnte er seinen Plan als Privatunternehmer verwirklichen.
JUSTUS FREIHERR VON LIEBIG zählte in Deutschland zu den ersten Chemikern, die das chemische Praktikum als Ergänzung zur Experimentalvorlesung in die Ausbildung einführten.
Er selbst bildete dabei viele später berühmt gewordene Chemiker aus, darunter auch STRECKER, HOFMAN, KEKULÉ u. a.
1826 konnten LIEBIG und WÖHLER ihren Streit um die Zusammensetzung von WÖHLERs Silbercyanat und LIEBIGs Knallsilber beilegen, beide besitzen nämlich die gleiche quantitative Zusammensetzung.
LIEBIG führte an Harnsäure, Campher (Kampfer), Camphersäure, Hippursäure und anderen Stoffen Untersuchungen durch. Dabei stieß er auf Grenzen und erkannte, wie unzureichend die damaligen analytischen Apparaturen waren.
Sein Forschergeist war geweckt und er suchte nach Möglichkeiten, die Apparaturen effektiver zu gestalten. 1831 gelang ihm die Entwicklung des Fünf-Kugel-Apparats für die quantitative Analyse. Später wurde das als die Liebigsche Elementaranalyse bezeichnet. Mit diesem Apparat konnte er die Zusammensetzung verschiedener Stoffe klären, darunter Silicium, Coniin (ein hochgiftiger Inhaltsstoff des Schierlings) und Coffein (ein Inhaltsstoff der Kaffeebohne) .
1932 beschäftigte sich LIEBIG vorwiegend mit Alkohol und Chlor und ihrer Umsetzung zu Chloral und Chloroform. Gemeinsam mit WÖHLER untersuchte er das Öl der Bittermandel (Benzaldehyd) sowie seine Umsetzung zu Benzolsäure. Diese Untersuchungen bildeten schließlich die Grundlage für die Radikaltheorie der organischen Chemie, die von LIEBIG und WÖHLER begründet wurde. Im gleichen Jahr wurde LIEBIG zum Mitherausgeber der „Annalen für Chemie und Pharmazie“.
Inzwischen war man auch im Ausland auf die Arbeit LIEBIGs aufmerksam geworden, und so erhielt er 1837 eine Einladung zur Versammlung der British Association for the Advancement of Science in Liverpool. Die Reise nach England nutzte LIEBIG, um gleichzeitig eine Rundreise durch England und Irland zu unternehmen. Dabei besuchte er auch zahlreiche chemische Fabriken.
1840 erschien dann seine Arbeit „Die organische Chemie und ihre Anwendung auf Agricultur und Physiologie“, eine erweiterte Fassung folgte 1862. Mit diesem Werk schuf LIEBIG die Grundlage für die Agrikulturchemie.
Ebenfalls 1840 beschrieb LIEBIG erstmals einen Kohlenstoffkreislauf in der Natur.
Auch erkannte er das Gesetz des Minimums. Das bedeutet nichts anderes, als dass der maximale Ertrag einer Nutzpflanze von dem Spurenelement begrenzt wird, das in der kleinsten Menge ( im Minimum) vorhanden ist. Eine Erhöhung anderer Spurenelemente kann keine Ertragssteigerung bewirken. Seine Skizze von einem Fass, das an der Stelle ausläuft, an der sich die kürzeste Fassdaube (das Element im Minimum) befindet, ist auch heute noch bekannt.
Im Folgenden versuchte er, dem Nährstoffmangel bei Pflanzen entgegenzuwirken. Hierzu stellte er eine Mischung aus verschiedenen, schwer löslichen Salzen zusammen, die sich jedoch als wenig wirksam erwies.
Später erkannte er, dass leicht lösliche Salze aus dem Erdreich nicht sofort ausgewaschen werden und konnte so einen wirksamen, künstlichen Dünger herstellen.
LIEBIG wendete sich dann auch der Zubereitung von Fleisch und Fleischbrühe zu. Aus seinen Versuchsergebnissen entwickelte er 1847 einen Fleischextrakt, bekannt geworden als LIEBIGs Fleischextrakt.
Der englische Ingenieur GILBERT, der in Uruguay eine neue Heimat gefunden hatte, legte kurz darauf mit Zustimmung LIEBIGs diese Erkenntnisse über den Fleischextrakt schriftlich nieder. Damit schuf er die Grundlage dafür, dass die in Südamerika gehaltenen Kühe und Schafe nicht mehr nur als Fell- und Fettlieferanten gehalten wurden. Auch das Fleisch der Tiere fand nun eine Verwertung.
1852 ging LIEBIG nach München, wo er bis zu seinem Tod am 18. April 1873 lebte. Auch hier stand die Lösung praktischer Probleme im Vordergrund seiner Arbeit. So bemühte er sich um die Entwässerung des Roggenbrots und machte sich um die Herstellung von Backpulver und Säuglingsnahrung verdient.
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