- Lexikon
- Chemie
- 2 Struktur und Eigenschaften von Stoffen
- 2.5 Säuren und Basen
- 2.5.1 Der Säure-Base-Begriff
- Geschichte des Säurebegriffs
Säuren sind dem Menschen schon lange bekannt. Schon 2000 v. Chr. verwendete man Essig zum Würzen von Speisen. Die Griechen und Römer nutzten die erfrischende Wirkung von Zitrusfrüchten. Diese Erfrischung kommt unter anderem von der in den Früchten enthaltenen Zitronensäure. Diese Stoffe waren zwar in der Antike nicht unter dem Namen „ Säuren “ bekannt, aber ihr saurer Charakter und Geschmack wurde sehr geschätzt.
Im 13. Jahrhundert wurden die Salpeter- und die Schwefelsäure erstmals in byzantinischen Schriften erwähnt. Ihre Gewinnung wurde 1250 erstmals durch den Alchimisten GEBER beschrieben. Erstere gewinnt er durch „Destillation” aus den Salzen Alaun und Vitriol, die zweite Mineralsäure, indem er dem Salzgemisch noch Salpeter (Kaliumnitrat) zusetzt.
Die in der Renaissance noch als „scharfe Wässer“ bezeichneten Säuren bekamen eine immer stärkere wirtschaftliche Bedeutung. Der wirtschaftliche Einsatz der Schwefelsäure begann erst Mitte des 18. Jahrhunderts. Ihre Haupteinsatzgebiete waren die Stofffärberei und die Bleicherei.
Die Salpetersäure dagegen wurde schon früher zu gewerblichen Zwecken verwendet. Sie fand hauptsächlich in der Edelmetallverarbeitung ihren Einsatz. Zum Beispiel in Venedig wurde sie schon im 15. Jahrhundert zur Scheidung von Gold und Silber verwendet.
Die Salzsäure wurde im 16. Jahrhundert entdeckt und GLAUBER beschrieb erstmals ausführlich ihre Herstellung. GLAUBER empfahl Salzsäure zu verschiedenen Zwecken, unter anderem zum Würzen von Speisen, aber ihre große wirtschaftliche Bedeutung bekam sie erst im 19. Jahrhundert.
Doch wann sprach man eigentlich von „Säuren“? Und was ist genau mit diesem Begriff gemeint?
Die erste Definition entstand wohl nach dem Geschmack. Wir können „sauer“ schmecken. Da man aber im chemischen Labor keine Stoffe kosten kann, ohne die Gesundheit zu gefährden, wurden Messgeräte und Indikatoren entwickelt und der Begriff „Säure“ definiert. Die Definitionskriterien wandelten sich dabei im Laufe der Zeit.
Der englische Forscher ROBERT BOYLE (1627-1691) unterschied als erster Säuren und Basen. Er stellte fest, dass Säuren den Pflanzenfarbstoff Lackmus rot färben und Marmor lösen. Basen hingegen färben Lackmus blau und bilden beim Mischen mit sauren Lösungen Salze. Die Begriffe „Säure“ und „ Base “ für jeweils eine Stoffklasse wurden von R. BOYLE im 17. Jh. eingeführt.
Der Franzose ANTOINE DE LAVOISIER erkannte, dass beim Lösen vieler Oxide (z. B. Schwefeloxide) in Wasser saure Lösungen entstehen. Daraus schlussfolgerte er, dass Sauerstoff als Bestandteil der Oxide auch in allen Säuren enthalten sein müsse.
Diese Annahme wurde durch JUSTUS VON LIEBIG widerlegt, der mit der von ihm entwickelten Elementaranalyse nachwies, dass es Säuren gibt, die keinen Sauerstoff enthalten. Nach LIEBIG sind Säuren Substanzen, die Wasserstoff enthalten, der durch Metalle ersetzt werden kann. Es gibt jedoch einige Stoffe (Methan, Metallhydride), die Wasserstoff enthalten und überhaupt nicht sauer reagieren. Außerdem konnte LIEBIG kein allgemeines Merkmal für Basen formulieren.
Die erste wissenschaftlich geschlossene Säure-Base-Theorie entwickelte der schwedische Chemiker SVANTE ARRHENIUS . Dieser verstand in seiner 1887 aufgestellten Definition unter einer Säure immer noch einen Stoff, der sauer schmeckt, aber auch einen Stoff, der in wässriger Lösung Wasserstoff-Ionen bzw. Protonen bildet.
In Wasser dissoziiert eine Säure demnach in Wasserstoff-Ionen und Säurerest-Ionen nach folgender allgemeinen Gleichung:
HA steht in diesem Fall ganz allgemein für eine ARRHENIUS-Säure und ist das bei der Dissoziation entstehende Säurerest-Ion.
Für die Salpetersäure lautet die Gleichung:
Salpetersäure dissoziiert in Wasser in Wasserstoff-Ionen und Nitrat-Ionen = Säurerest-Ionen.
Eine Base ist nach ARRHENIUS ein Stoff, der seifig oder laugenhaft schmeckt und in Wasser Hydroxid-Ionen bildet.
Allgemein gilt für Metallhydroxide:
Beispiel Natriumhydroxid:
Diese Definition musste aber erweitert werden, da sie einen entscheidenden Nachteil hatte. ARRHENIUS beschränkte sich in seiner Definition nur auf wässrige Lösungen. Für das Entstehen einer Säure oder Base war also immer Wasser notwendig. Es waren aber auch schon Säure-Base-Reaktionen bekannt, die nicht in wässrigen Lösungen abliefen.
Außerdem erkannte man, dass Basen wie Ammoniak nicht unbedingt Hydroxid-Ionen enthalten müssen und dass freie Protonen (Wasserstoff-Ionen) in wässriger Lösung nicht existieren können.
JOHANNES NICOLAUS BRÖNSTED (1879-1947)
Unabhängig voneinander entwickelten der dänische Chemiker Johannes BRÖNSTED und der Engländer THOMAS LOWRY im Jahre 1923 eine neue Definition des Säure-Base-Begriffs. Nach BRÖNSTED ist eine Säure ein Stoff oder eine Verbindung, die Protonen sowohl in wässrigen als auch in nicht wässrigen Systemen abgeben kann. Solch ein Stoff wird als Protonendonator (lat. donare = spenden) bezeichnet.
Allgemein reagiert eine Säure mit Wasser nach der Gleichung:
Für das Beispiel Salpetersäure ergibt sich daraus:
Eine BRÖNSTED-Base dagegen ist eine Verbindung, die Protonen aufnehmen kann. Deshalb wird ein solcher Stoff auch als Protonenakzeptor bezeichnet (lat. accipere = annehmen).
Nach dieser Definition wird auch ein Säurerest-Ion als Base betrachtet:
So reagiert Ammoniak im wässrigen und im nicht wässrigen System als Base, obwohl es keine Hydroxid-Ionen enthält:
Eine Grundvoraussetzung der BRÖNSTED-LOWRY-Theorie ist das Vorhandensein eines Teilchens, das das abgegebene Proton wieder aufnimmt, da freie Protonen nicht beständig sind. Säure-Base-Reaktionen sind nach BRÖNSTED also Reaktionen mit Protonenübergang.
Ein häufiger Protonenakzeptor ist das Wassermolekül, das dann zu einem Oxonium-Ion wird. Es können jedoch auch Säure-Base-Reaktionen erklärt werden, die in nicht wässrigen Systemen verlaufen, zum Beispiel in Ammoniak als Lösungsmittel.
Der amerikanische Chemiker GILBERT N. LEWIS entwickelte ein weiteres Säure-Base-Konzept. Er erweiterte den Säurebegriff auf alle Substanzen, die ein freies Elektronenpaar aufnehmen können. Deshalb werden LEWIS-Säuren auch als Elektronenpaarakzeptoren bezeichnet. Damit zählt LEWIS auch Verbindungen zu den Säuren, die selbst keine Protonen enthalten wie beispielsweise Metall-Kationen oder Verbindungen wie Aluminiumtrichlorid (AlCl3). Eine der wichtigsten LEWIS-Säuren ist das Proton
Basen sind nach LEWIS dagegen Stoffe, die ein freies Elektronenpaar besitzen und dieses abgeben können oder zur Bildung einer Bindung zur Verfügung stellen. Sie werden auch Elektronenpaardonatoren genannt. Dazu zählt unter anderem Wasser, aber auch alle Anionen wie die Halogenid-Anionen.
Eines der bekanntesten Beispiele für eine LEWIS-Base ist Ammoniak. Das Stickstoffatom im Ammoniak besitzt drei Bindungen zu Wasserstoffatomen und hat dann noch zwei freie Außenelektronen in Form eines freien Elektronenpaares.
Die LEWIS-Theorie ist eine Erweiterung der BRÖNSTED-LOWRY-Theorie, die in der organischen Chemie sehr nützlich ist. So lässt sich beispielsweise der Ablauf einer nucleophilen Substitution an Aromaten mit Aluminiumchlorid als Katalysator gut mittels der LEWIS-Theorie veranschaulichen. Nach LEWIS kann aber die Stärke von Säuren und Basen nicht quantitativ beschrieben werden. Außerdem werden Verbindungen wie Wasser oder Chlorwasserstoff nicht mehr als Säuren betrachtet, obwohl speziell letzterer eindeutig sauer reagiert. Das für viele naturwissenschaftliche Vorgänge anschaulichste Modell von Säuren und Basen ist deshalb nach wie vor die BRÖNSTED-LOWRY-Theorie.
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