LEOPOLD STEPHEN RUZICKA lebte in einem sehr bewegten Jahrhundert, das von zwei Weltkriegen, Revolutionen aber auch unzähligen wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften geprägt wurde.
In den Naturwissenschaften wurden vielfältige Entdeckungen gemacht, die auch für die Forschungen von LEOPOLD STEPHEN RUZICKA bedeutsam waren, wie z. B.:
(in chronologischer Reihenfolge vom Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts an)
RUZICKA studierte in Deutschland und verbrachte auch seine ersten Forschungsjahre vor dem ersten Weltkrieg in diesem Land, bevor er 1912 in die Schweiz übersiedelte.
Die Wirtschaft in Europa erlebte in den zwanziger Jahren, nach dem ersten Weltkrieg einen deutlichen Aufschwung.
Katastrophale Folgen hatte der Börsenkrach vom 24. Oktober 1929 in New York, der sogenannte „Schwarze Freitag“, der eine Weltwirtschaftskrise auslöste.
Den zweiten Weltkrieg erlebte RUZICKA in Zürich.
Um den Druck auf das Krieg führende Japan zu erhöhen, warfen die USA am 6. August 1945 auf Hiroshima und drei Tage später auf Nagasaki die ersten Atombomben. Dabei kamen Millionen Menschen ums Leben und noch heute leiden viele unter den Folgen der atomaren Strahlung.
Sowohl die USA als auch die UdSSR befanden sich in einem Wettlauf um die Eroberung des Weltalls.
Als Erstes gelang es der UdSSR 1957 einen künstlichen Erdsatelliten, Sputnik 1, ins All zu schicken.
Lunik 3 sendete ein Jahr später die ersten Bilder von der Rückseite des Mondes zur Erde.
1969 betrat der Amerikaner Neil Armstrong als erster Mensch den Mond.
LEOPOLD STEPHEN RUZICKA wurde am 13.09.1887 in Vukovar, einer kleinen kroatischen Stadt an der Donau geboren.
Sämtliche Vorfahren von LEOPOLD STEPHEN RUZICKA waren arme Bauern, die nur wenige Jahre Schulbildung erhalten hatten.
Sein Vater, STJEPAN RUZICKA, war ein Fassbinder. Er starb früh, 1891, als RUZICKA erst 4 Jahre alt war. Seine Mutter kehrte mit ihm in ihren Geburtsort, Osijek zurück.
Dort besuchte er die Primärschule und das klassische Gymnasium.
RUZICKA war ein relativ guter Schüler in allen Fächern. Seine Hauptinteressen lagen jedoch auf den Gebieten Physik und Mathematik. Chemie wurde an dem Gymnasium, an dem er das Abitur ablegte, nicht unterrichtet und doch entschied sich RUZICKA für ein Studium gerade dieses Faches, da er großes Interesse an der Struktur und Zusammensetzung von Naturstoffen hatte.
Er wollte sein Studium am polytechnischen Institut in Zürich beginnen, musste jedoch zu seinem Entsetzen feststellen, dass eine Aufnahmeprüfung verlangt wurde und zwar nicht nur in Chemie, sondern auch in darstellender Geometrie.
Deshalb entschloss er sich in Deutschland zu studieren, da hier jeder Schüler mit Abitur an einer Universität oder an einem technischen Institut angenommen wurde, ohne zusätzliche Aufnahmeprüfungen zu absolvieren.
1906 begann LEOPOLD STEPHEN RUZICKA sein Studium der Chemie an der technischen Hochschule in Karlsruhe.
Er konnte aufgrund der geringen Bürokratie seine Laborkurse in nur knapp zwei Jahren absolvieren und anschließend gleich mit der Promotion beginnen. Es war nicht zwingend vorgeschrieben die Lehrveranstaltungen in chemischer Technologie oder in der Physik zu besuchen. Jeder Student konnte frei wählen.
Nach zwei Jahren Forschungsarbeit erhielt RUZICKA den akademischen Titel „Diplomingenieur“ und schon wenige Wochen später promovierte er zum „Dr. Ing.“.
HERMANN STAUDINGER ernannte ihn zu seinem Assistenten. Gemeinsam befassten sie sich in den folgenden Jahren mit der bisher unerforschten Struktur und Wirkung von Insektiziden. Sie erforschten insbesondere die Bestandteile des Insektenpulvers Dalmatian. Sie fanden dabei die wirksamen Bestandteile, die sie als Pyrethrin bezeichneten.
Dieses wirkt auf Insekten und andere Wirbellose giftig, jedoch nicht auf Wirbeltiere.
1912 folgte er STAUDINGER in die Schweiz, an die Eidgenössische Technische Hochschule in Zürich.
Die Schweiz wurde in der Folgezeit zu seiner zweiten Heimat.
1917 wurde RUZICKA Schweizer Staatsbürger.
An der Eidgenössischen Hochschule in Zürich konnte er nur unterbrochen durch eine Stunde wöchentliche Lehrtätigkeit, frei forschen. Bis in die zwanziger Jahre hinein war dies die fruchtbarste und glücklichste Zeit für LEOPOLD STEPHEN RUZICKA. Er schuf hier die Grundlagen für seine gesamte darauffolgende Forschungstätigkeit.
1916-1917 wurde er von einem der ältesten Duftstoffhersteller in Deutschland, HAARMAN und REIMER in Holzminden unterstützt. RUZICKA sollte die verschiedensten Riechstoffe in ihrer Struktur und Wirkung für diese Produzenten untersuchen. Die finanzielle Unterstützung dieser Geldgeber ermöglichte es ihm, als Privatdozent zu arbeiten. Er untersuchte in jener Zeit vor allem die Zusammensetzung der Terpene, insbesondere der Polyterpene und des Pinins.
Dabei fand er die Isoprenregel, mit deren Hilfe die Struktur vieler komplizierter Steroide aufgeklärt werden konnte.
Ab 1921 arbeitete RUZICKA für die Duftstoffproduzenten CHUIT, NAEF und FIRMENICH in Genf. Für die Parfümerien dieser Hersteller erforschte der Wissenschaftler die Synthese von Nerolidol und Farnesol, sowie von synthetischen Jasmin.
Auch natürliche Duftstoffe wurden von ihm untersucht und ihre Struktur aufgeklärt. Mit seinen Mitarbeitern fand RUZICKA die Struktur von Zibeton und Muscon, Duftstoffen, die ursprünglich von der Zibetkatze (Zibeton) und vom Moschusochsen (Muscon) gewonnen wurden. Daraus ergaben sich schließlich die verschiedensten Synthesen alicyclischer Ketone, zu denen diese Substanzen gehören.
Von Oktober 1926 bis 1929 lehrte RUZICKA als Professor für organische Chemie an der Universität von Utrecht.
1929 kehrte er jedoch zu seinen Ursprüngen nach Zürich zurück, weil dort die Forschungsbedingungen und geldlichen Mittel weit besser waren.
1930 erneuerte die Firma CIBA den Vertrag mit seinem Labor. In den folgenden Jahren befasste sich RUZICKA, auf deren Auftrag hin, mit den männlichen Geschlechtshormonen.
1933/34 gelang es ihm die Struktur des männlichen Sexualhormons Androsteron aufzuklären, nachdem ihm die Synthese dieses Stoffes aus Cholesterin (Cholesterol) schon vorher geglückt war. Im Anschluss daran entwickelte der Wissenschaftler Teile der Synthese von Testosteron, ebenfalls ein männliches Sexualhormon.
Von 1937 an stellte die Rockefeller-Stiftung großzügige finanzielle Mittel für die Erforschung natürlicher Hormone, besonders der Steroide zur Verfügung.
1939 erhielt LEOPOLD STEPHEN RUZICKA den Nobelpreis für Chemie, gemeinsam mit A. F. J. BUTENANDT, für seine Erkenntnisse über den Aufbau der Steroide. Bis ins hohe Alter hinein war er an den Erkenntnissen der modernen Wissenschaft interessiert.
LEOPOLD STEPHEN RUZICKA starb am 26.09.1976 in Mammern im Kanton Thurgau.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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