- Lexikon
- Chemie Abitur
- 9 Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen
- 9.2 Aliphatische Kohlenwasserstoffe
- 9.2.2 Gesättigte kettenförmige Kohlenwasserstoffe
- Kohleveredlung – Kohle als wertvoller Rohstoff
Kohleveredlungsverfahren dienen der Erzeugung von hochwertigen Brennstoffen wie Koks, Benzin und Stadtgas und von Grundchemikalien wie Alkanen, Aromaten oder Phenol. Im Prinzip können viele Rohstoffe für die chemische Industrie, die heute aus Erdöl erzeugt werden, auch aus Kohle gewonnen werden. Um aus dem Rohstoff Kohle die gewünschten Produkte herzustellen, müssen sowohl Braun- als auch Steinkohle chemischen Umformungen unterzogen werden, welche insgesamt unter dem Begriff Kohleveredlung zusammengefasst werden. Da die Raffination von Erdöl jedoch deutlich billiger ist als die Kohleveredlung, wird der größte Teil der Kohle nicht veredelt, sondern hauptsächlich in Kraftwerken verbrannt und somit zur Energiegewinnung eingesetzt.
Sowohl Braunkohle als auch Steinkohle sind kein reiner Kohlenstoff, sondern Stoffgemische aus hochmolekularen Kohlenwasserstoffen (siehe Abbildung), Wasser und mineralischen Bestandteilen (Asche).
Es gibt drei wichtige Verfahren zur Veredlung von Kohle, die Kohleentgasung (Verkokung, Schwelung), die Synthesegaserzeugung (Kohlevergasung) und die Kohlehydrierung (Kohleverflüssigung).
Wichtige Rohstoffe für die chemische Industrie können nicht nur aus Erdöl, sondern auch aus Kohle gewonnen werden.
Die Kohleentgasung dient zur Herstellung von Koks. Das Verfahren wird auch als Verkokung von Kohle bezeichnet und ist das älteste Veredelungsverfahren.
Die Verkokung findet in Kokereien statt. Im Koksofen wird die Kohle unter Ausschluss von Luft auf bis zu 1 400 °C erhitzt und bis zu 23 Stunden lang „gegart“. Dabei werden aus dem „Kohlemolekül“ kleinere Bruchstücke abgespalten. Diese leicht flüchtigen Bruchstücke nennt man Rohgas, das vor allem aus Teer, Benzen, Ammoniak und anderen Gasen besteht. Als Produkt erhält man den kohlenstoffreichen Koks (Bild 2).
Schematischer Ablauf der Kohleentgasung
Das Rohgas wird anschließend in mehreren Schritten weiter beim Abkühlen aufgetrennt, sodass man Teer, Ammoniak (als Ammoniumsulfat), Rohbenzen und Kokereigase erhält (Bild 3).
Man verwendet den gewonnenen Koks als hochwertigen Brennstoff und Reduktionsmittel im Hochofenprozess sowie in der Buntmetallurgie.
Der anfallende Teer enthält viele Stoffe, z. B. Aromaten und Phenole, und wird zur Gewinnung von Grundchemikalien für Medikamente, Farben u. a. eingesetzt.
Teer war ursprünglich ein unerwünschtes Nebenprodukt der Kohleentgasung. Er wurde jedoch zu einer wichtigen Rohstoffquelle, nachdem man entdeckt hatte, dass man aus den im Teer enthaltenen Aromaten und Phenolen viele Grundstoffe zur Produktion von Farbstoffen herstellen kann. Diese werden daher Teerfarbstoffe genannt, zu ihnen gehören beispielsweise die Anthracenfarbstoffe und die Anilinfarbstoffe.
Die entstehenden Kokereigase sind ein Gemisch aus Wasserstoff, Methan, Kohlenstoffmonooxid, Kohlenstoffdioxid, kurzkettigen Alkanen und Stickstoff. Sie dienen als Heizgas.
Man kann auch Braunkohle verkoken. Der dabei erhaltene Koks ist zwar nicht für den Hochofen geeignet, hat aber eine große Oberfläche. Er kann daher beispielsweise als Adsorptionsmittel zur Entfernung von Schadstoffen bei der Abwasserreinigung genutzt werden.
Als Synthesegas bezeichnet man zum einen Gemische aus Stickstoff und Wasserstoff und zum anderen Gemische aus Kohlenstoffmonooxid und Wasserstoff. Sie dienen nach Abtrennung störender Komponenten z. B. zur Herstellung von Ammoniak bzw. Methanol.
Synthesegas wird bei der Synthesegaserzeugung aus fossilen Rohstoffen gewonnen, indem diese mit Wasserdampf und Luft oder Sauerstoff umgesetzt werden. Das „Kohlemolekül“ wird bei dieser Reaktion vollständig abgebaut. Dieses Verfahren bezeichnet man auch als Kohlevergasung.
Die Synthesegaserzeugung verläuft kontinuierlich, d. h. die Ausgangsstoffe werden ständig zugegeben und die Reaktionsprodukte ständig abgeführt.
Wird als Ausgangsstoff Kohle eingesetzt, läuft der gesamte Prozess in einem Reaktor ab. Die zerkleinerte Kohle wird in den Reaktor gegeben, dazu werden Luft bzw. reiner Sauerstoff und Wasserdampf eingeblasen, die die Kohlepartikel aufwirbeln. Bei einer Reaktortemperatur von 700-1 000 °C reagieren Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserdampf hauptsächlich zu Kohlenstoffmonooxid und Wasserstoff.
Im Reaktor laufen exotherme und endotherme Reaktionen gekoppelt ab, wobei die exothermen Reaktionen von Kohlenstoff mit Sauerstoff die Energie für die endotherme Umsetzung von Kohlenstoff mit Wasser liefern.
Als Reaktionsprodukt erhält man Rohgas, ein Gemisch aus Kohlenstoffmonooxid, Kohlenstoffdioxid, Wasserstoff und - falls Luft eingesetzt wurde - Stickstoff. Das Rohgas wird aufgearbeitet und für Synthesen oder als Heizgas (Stadtgas) eingesetzt. Im Reaktor bleibt Asche zurück, die als Zusatz bei der Herstellung von Zement oder Bergbaumörtel genutzt wird.
Für die Ammoniakherstellung benötigt man Synthesegas aus 1 mol Stickstoff und 3 mol Wasserstoff. Hierfür werden Luft und Wasserdampf für die Synthesegaserzeugung eingesetzt und anschließend Kohlenstoffmonooxid und Kohlenstoffdioxid abgetrennt. Stickstoff und Wasserstoff bleiben übrig. Für die Ammoniaksynthese ist es aber günstiger, Methan als Rohstoff anstelle von Kohle einzusetzen. Im Methan ist bereits der benötigte Wasserstoff vorhanden, sodass man leichter das nötige Verhältnis Stickstoff : Wasserstoff von 1 : 3 realisieren kann.
Bei der Herstellung von Synthesegas für die Methanolsynthese, bei der ein Gemisch aus 1 mol Kohlenstoffmonooxid und 2 mol Wasserstoff benötigt wird, setzt man reinen Sauerstoff und Wasserdampf ein und braucht anschließend nur Kohlenstoffdioxid abzutrennen.
Gemische aus Kohlenstoffmonooxid und Wasserstoff sind auch hochwertige Brennstoffe und werden gemeinsam mit Methan als Stadtgas eingesetzt.
Hinsichtlich der Rohstoffe ist die Synthesegaserzeugung ein sehr flexibles Verfahren. Neben fossilen Rohstoffen (Kohle, Erdöl, Erdgas) lassen sich z. B. auch Kunststoffabfälle aus dem Dualen System und andere organische Abfälle mit Sauerstoff und Wasserdampf vergasen.
Im Verfahren der Kohlehydrierung werden aus Kohle und Wasserstoff flüssige Kohlenwasserstoffe wie Benzine und Heizöle hergestellt. Entdeckt wurde das Verfahren im Jahr 1913 von FRIEDRICH BERGIUS. Weil hier aus dem „hochmolekularen Kohlemolekül“ durch Hydrierung kürzerkettige, flüssige Kohlenwasserstoffe synthetisiert werden, wird es als Kohleverflüssigung bezeichnet.
Bei der Kohlehydrierung nach Bergius wird Kohle bei bis zu 460 °C und 700 bar unter Verwendung von Katalysatoren mit Wasserstoff umgesetzt. Dabei wird Wasserstoff an die Kohle angelagert und es entsteht sogenanntes Kohleöl, das wie Erdöl hauptsächlich aus verschiedenen Kohlenwasserstoffen besteht. Die Gewinnung von Heizölen und Benzinen aus Kohleöl erfolgt prinzipiell auf die gleiche Weise wie die Erdölraffination.
Der Energiebedarf zur Durchführung der Kohlehydrierung ist sehr hoch, weil einerseits Energie nötig ist, um Wasserstoff zu gewinnen und andererseits, um die erforderlichen hohen Temperaturen und Drücke zu erzielen. Von drei Tonnen Kohle, die eingesetzt werden, dienen zwei zur Energiegewinnung, um die dritte hydrieren zu können. Bei der Gewinnung von Benzinen und Heizölen aus Erdöl ist dieses Verhältnis wesentlich günstiger, weshalb die Kohlehydrierung z. Zt. nur von geringer wirtschaftlicher Bedeutung ist.
Da die Erdölvorkommen jedoch knapper als die Kohlevorkommen der Erde sind, könnte sich das bereits in naher Zukunft ändern.
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