- Lexikon
- Chemie Abitur
- 10 Anwendungen der Chemie
- 10.1 Werkstoffe
- 10.1.4 Maßgeschneiderte synthetische Polymere
- Klebstoffe – vielseitige Werkstoffe
In der Natur verwenden die Tiere die unterschiedlichsten Kleber auf vielfältige Weise. Sei es der Cellulosebrei beim Nestbau der Wespe (Analogie zum Tapetenkleister), der Latex beim Gummibaum oder das Wachs der Bienen. Menschen nutzten schon in der jüngeren Steinzeit die natürlich vorkommenden Baumharze als Klebstoff - etwa zur Befestigung von Speerspitzen. In Ägypten kannte man den Beruf des Leimsieders (Kellopsos), die Griechen und Römer entwickelten die Leimher-stellung weiter. Seit 1830 kennt man den Naturkautschuk als Klebstoff. Moderne Entwicklungen haben die Technik der Materialverbindung revolutioniert. Wir alle kennen den Klebstoffs aus der Tube oder das Befestigen eines Posters an der Wand mit einem sogenannten „Power Strip“. Weniger bewusst ist uns der Einsatz von Klebstoffen in Fahrzeugbau oder gar in der Luft- und Raumfahrttechnik.
Was ist ein Klebstoff?
Kleben ist die Verbindung zweier Werkstoffteile (Fügeteile) mittels eines Klebstoffs.
Nach der DIN-Norm 16920 versteht man unter Klebstoff einen nicht metallischen Werkstoff, der Körper durch Oberflächen-haftung und innere Festigkeit (Adhäsion und Kohäsion) verbinden kann, ohne dass sich das Gefüge der Körper wesentlich verändert.
Daraus ergibt sich das Anforderungsprofil an einen Klebstoff: Er muss an fremden Oberflächen haften bleiben (Adhäsion) und zudem auch in sich selbst kleben (Kohäsion).
Adhäsion und Kohäsion
Die Adhäsionskräfte wirken in der Grenzschicht zwischen Fügeteil und Klebstoff. Diese Schicht wird als Adhäsionszone bezeichnet. Hier weisen die Klebstoffe modifizierte chemische Strukturen und Zusammensetzungen auf, da die Adhäsionskräfte auf molekularen Wechselwirkungen zwischen Klebstoff und Fügeteil beruhen. Man unterscheidet die starken chemischen Bindungen und die schwächeren zwischenmolekularen Wechselwirkungen. Chemische Bindungen treten nur selten auf, finden sich aber z. B. bei der Verbindung von Silicon und Glas; Polyurethan und Glas oder Epoxidharz und Aluminium.
Klebstoffe sind auch beim Basteln und Reparieren nicht mehr wegzudenken.
Adhäsionskräfte | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Art | Bindungslänge in nm | Bindungsenergie in kJ/mol | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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In der Übergangsszone zwischen Adhäsions- und Kohäsionszone verändert sich die Struktur kontinuierlich, bis in der Klebeschicht selbst die Eigenschaften des Klebstoffs (Kunststoffs) voll zum Tragen kommen. Die Dicke dieser Zone beeinflusst die Haftung maßgeblich.
In der Kohäsionszone selbst unterscheidet man zwischen:
Die Kohäsionskräfte eines Klebstoffs beruhen dabei im Wesentlichen auf den zwischenmolekularen Wechselwirkungen zwischen den Polymermolekülen. Entscheidend für die Stärke dieser Kräfte sind die Art und Größe der Seitengruppen im Molekül insbesondere deren Polarität sowie die Größe des Polymermoleküle selbst.
Da sich Kohäsions- und Adhäsionskräfte erst während des Klebens ausbilden, ist es zwingend erforderlich, dass der flüssige Klebstoff die Oberfläche des Fügeteils vollständig benetzt. Daher muss der Klebstoff dünn und gleichmäßig aufgetragen werden. Zudem muss die Oberfläche des Fügeteils auch zwingend physikalisch oder chemisch aktive Strukturelemente aufweisen, mit denen der Klebstoff in Wechselwirkung treten kann. Daher muss der Klebstoff auf die Chemie der Fügeteiloberfläche abgestimmt werden. Zudem nutzt man heute verschiedene Verfahren der Oberflächenbehandlung um die Benetzung zu verbessern.
Es gibt verschiedene Typen von Klebstoffen:
Physikalisch abbindende Klebstoffe | Chemisch abbindende Klebstoffe (Reaktionsklebstoffe) |
Das Polymer liegt schon vor der Anwendung vor | Das Polymer wird durch chemische Reaktion (Polymerisation, Polyaddition, Polykondensation oder Vulkanisation) erst bei der Anwendung gebildet. |
Nassklebstoffe | Einkomponentenklebstoffe |
Kontaktklebstoffe | Zweikomponentenklebstoffe |
Schmelzklebstoffe | |
Haftklebstoffe |
Querschnitt einer Klebung
Physikalisch abbindende Klebstoffe liegen beim Auftragen bereits im Endzustand vor, daher können nur solche Polymere als Kleber eingesetzt werden, die sich verflüssigen lassen. Gering vernetzte Elastomere, die stark aufquellen, kommen als Kontaktklebstoffe zur Anwendung.
Klebstoff | Art der Abbindung | Basisrohstoffe | Anwendungs-beispiele |
Nass- | schnell verdunstende Lösungsmittel | Polyvinylester, Polymethyl-methacrylat, Natur- und Synthese-kautschuk | Klebestifte, Alleskleber, Holzleim, PVC-Rohrklebung Druck- u. Verpackungsindustrie |
Kontakt-klebstoff | Diffusion in die Oberfläche der Werkstoff-schicht | Butadiene-Acrylnitril-Kautschuk: Polyurethane | Kraftkleber, Fußbodenverklebung, Schuhe, Automobilindustrie |
Schmelz-klebstoff | Erstarren der Schmelze | Ethylen-Vinylacetat-Copolymere, Polyamide, Polyester u.a. | Heißkleber, Verpackungs-, Druck-, Textil-, Schuh-, Holzverarbeitende Industrie, Fahrzeugbau, Elektrotechnik |
Haft-klebstoffe | dauerklebrige Schicht | spezielle Polyacrylate, Polyvinylether, Naturkautschuk | Klebebänder, Heftpflaster, Etiketten |
Chemisch härtende Klebstoffe sind Klebstoffe, die in Verbindung mit einer weiteren Komponente ihre Klebkraft entwickeln.
Einkomponentenklebstoffe benötigen eine zweite Reaktionskomponente wie z. B. die Luftfeuchtigkeit (beim Sekundenkleber) oder das UV-Licht (wie in der Zahnmedizin), die das Abbinden des Klebstoffes einleitet.
Beispiele für Einkomponentenklebstoffe
Klebstoff | Art der Härtung | Basisrohstoffe | Anwendungs-beispiele |
Sekunden-kleber | Polymerisation | Cyanacryl-säureester | Kleben von Kleinteilen, Glas, Gewebe, Sprühverband |
strahlen-härtbare Klebstoffe | Polymerisation | Epoxyacrylate, Polyester-acrylate | Zahnmedizin, Kleben von Glas und transparenten Kunststoffen |
Zweikomponentenklebstoffe härten nach dem Mischen der Komponenten (Reaktionspartner) bei Raumtemperatur spontan aus. Sie werden getrennt bevorratet (Harz und Härter) und erst unmittelbar vor dem Auftragen gemischt.
Beispiele für Zweikomponentenklebstoffe
Klebstoff | Art der Härtung | Basisrohstoffe | Anwendungs-beispiele |
Methylmeth-acrylate | Polymeri-satrion | Methacrylsäure-methylester | Verkleben von Kunststoffen (Automobile, Schienenfahrzeuge) |
Phenol-formaldehyd-harze | Polykonden-sation | Phenol, Methanal (Formaldehyd) | Holzwerkstoffe (Spanplatten), Brems- und Kupplungsbeläge |
Silicone | Polykonden-sation | organische Polysiloxane | Dichtungen, Automobilbau, Elektrotechnik |
Polyurethane | Polyaddition | Di- (bzw. tri-) funktionelle Isocyanate und Polyole | Karosseriebau, Glasscheibenkleben in Fahrzeugen, Materialien mit stark unterschiedlichem Temperatur-dehnungsverhalten |
Epoxidharz-klebstoffe | Polyaddition | Oligomere Diepoxide und Polyamine oder Polyamidoamine | Fahrzeug- und Flugzeugbau, Karosseriebau, Reparaturklebung |
Alleskleber zählt zu den physikalisch abbindenden Klebstoffen.
Epoxidharze
Ähnlich wie mit Isocyanaten können Alkohole, Amine und Säuren auch mit Epoxiden Polyadditionsprodukte bilden. Man setzt dafür so genannte Bis-Epoxide ein, die z. B. durch eine Kondensationsreaktion aus dem auch für Polycarbonate eingesetzten 2.2-Di(4-hydroxy-phenyl)propan und Epichlorhydrin gebildet werden. Diese zähflüssigen oder schmelzbaren Produkte werden dann z. B. mit einem Diol, Polyol oder Polyamin gehärtet.
„Epoxy“Klebstoffe sind allgegenwärtig, ob im Fahrzeug- oder Flugzeugbau, im Haushalt oder auf dem Bausektor. Auch in den sogenannten Verbundwerkstoffen sind sie unverzichtbar. Dies beruht darauf, dass sie sich für Metallklebungen eignen und auch auf vielen Kunststoffen gute Haftung aufweisen. Zudem sind sie beständig gegenüber physikalischen und chemischen Einflüssen.
Härtung eines Bis-Epoxids mit einem Polyamin
Im Flugzeugbau gehört das Kleben schon lange zu den wichtigsten Techniken für die Materialverbindung. Erst dadurch wird die extreme Leichtbauweise möglich. Klebungen findet man im Innenraum aber auch bei der Herstellung hoch beanspruchter Außenbauteile wie etwa den Versteifungen der Außenbleche. Hier finden Epoxidharze ihre hauptsächliche Anwendung.
Auch im Bereich der Schienenfahrzeuge führt der Einsatz von glasfaserverstärkten Kunststoffen zu enormen Gewichtseinsparungen. Im Regio-Shuttle der Fa. Adtranz werden auf die fachwerkartige tragende metallische Struktur mithilfe eines Polyurethanklebstoffes die Außenbleche befestigt.
Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer technischer Anwendungen. Das Spektrum reicht von der Elektronik (z. B. Leiterplatten) über den Elektromotor oder der DVD, der Folienlaminierung bis hin zum eingeklebten Hüftgelenksimplantat.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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