- Lexikon
- Chemie Abitur
- 11 Analyseverfahren
- 11.2 Instrumentelle Analyseverfahren
- 11.2.3 Spektroskopische Analysemethoden
- Kernresonanz-Spektroskopie (NMR)
Die NMR-Spektroskopie (nuclear magnetic resonance) ist eine der leistungsfähigsten Methoden zur Strukturaufklärung von Stoffen. Sie basiert auf magnetischen Eigenschaften der Atomkerne, die 1945 vom amerikanischen Physiker E. M. PURCELL entdeckt wurden.
Die Kernbausteine (Protonen und Neutronen) haben einen eigenen Drehimpuls, der als Spin bezeichnet wird. Da die Kerne auch eine elektrische Ladung tragen und rotierende Ladungen ein Magnetfeld erzeugen, besitzen alle Atomkerne mit einem Drehimpuls auch ein eigenes magnetisches Moment m. Ohne Magnetfeld sind die Energiezustände magnetischer Kerne entartet, d. h., sie haben die gleiche Energie , unterscheiden sich aber in der Richtung ihrer Drehimpulse. In einem homogenen äußeren Magnetfeld treten die Kerne durch ihre magnetischen Momente mit dem Feld in Wechselwirkung. Dabei wird die Entartung aufgehoben, die Kerne nehmen diskrete, von ihren Spinquantenzahlen s abhängige Energiezustände ein. Bei den für die NMR-Spektroskopie wichtigsten Isotopen , , und beträgt die magnetische Spinquantenzahl s = ±½.
Für diese Kerne gibt es zwei Orientierungen der magnetischen Momente, die Spins können sich parallel oder antiparallel zum äußeren Feld ausrichten. Die Differenz zwischen den beiden daraus resultierenden Energieniveaus (E1 und E2) ist proportional zur Stärke des äußeren Magnetfelds und zum magnetischen Moment des untersuchten Isotops (Bild 2).
Wird durch ein hochfrequentes elektromagnetisches Wechselfeld genau der Energiebetrag zugeführt, der dem Abstand der Energieniveaus (ZEEMAN-Niveaus) entspricht, tritt Resonanz zwischen dem eingestrahlten Wechselfeld und den Kernen ein. Das bedeutet, dass die Übergänge zwischen benachbarten Niveaus der Kerne in beiden Richtungen, also vom tieferen zum höheren Niveau (Absorption) und vom höheren zum tieferen Niveau (induzierte Emission) mit gleicher Wahrscheinlichkeit stattfinden.
Wegen der etwas dichteren Besetzung des tieferen Energieniveaus überwiegt beim Resonanzexperiment die Absorption.
Durch die Elektronenhülle der Atome werden die Kerne vom äußeren Magnetfeld unterschiedlich stark abgeschirmt. Änderungen der Elektronendichte bewirken eine geringere bzw. höhere effektive Feldstärke () am Kern. Deshalb beeinflussen benachbarte Atome oder Atomgruppen, z. B. durch induktive oder mesomere Effekte die Aufspaltung der Kernenergieniveaus. Der Energiebetrag, der beim Übergang vom tieferen ins höhere Niveau absorbiert wird, hängt also von der "chemischen Umgebung" der Atome im Molekül ab.
Aufspaltung der Energieniveaus NMR-aktiver Atomkerne im äußeren Magnetfeld
Mit der Veränderung der chemischen Umgebung und damit der Struktur eines Moleküls geht auch eine Verschiebung der Resonanzfrequenz des betrachteten Kerns einher. Aus dieser chemischen Verschiebung und dem Phänomen, dass einige Atomkerne miteinander in Kopplung treten, können dem NMR-Spektrum Informationen zur Molekülstruktur entnommen werden. Die empfangenen Signale erlauben Aussagen über die Anzahl der im Molekül enthaltenen NMR-aktiven Kerne und deren unterschiedliche Bindungszustände. So können Einfach- und Mehrfachbindungen, die Anzahl und Art von Bindungspartnern und spezielle funktionelle Gruppen eindeutig nachgewiesen werden.
Ein einfaches Beispiel ist das - NMR - Spektrum von Ethanol (Bild 3). Die Lage der Signale (chemische Verschiebung, angegeben in ppm) gibt Hinweise auf die elektronische Umgebung der Atomgruppen. Eine "elektronenziehende" Umgebung (z. B. das Sauerstoffatom) verschiebt die Signale zu hohen Zahlen, da die Abschirmung geringer wird (Tieffeld, links im Spektrum). Die Alkyl-Gruppen erscheinen dagegen rechts im Spektrum.
Die Aufspaltung der Signale in die Feinstruktur entsteht durch Kopplungen der magnetischen Momente der benachbarten Kerne untereinander. Dadurch erhält man Informationen über den nächsten Nachbarn der jeweiligen Atomgruppe. Das Quartett (q) der -Gruppe entsteht durch Kopplung mit dern 3 Wasserstoffatomen der benachbarten -Gruppe und das Tripplett (t) der -Grupppe durch Kopplung mit den 2 Wasserstoffatomen der benachbarten -Gruppe). Das Wasserstoffatom der OH-Gruppe koppelt nicht mit den anderen Wasserstoffatomen und erscheint demzufolge als Singulett.
Durch die Entwicklung supraleitender Hochleistungsspulen für sehr starke Magnetfelder können neben - und -Kernen inzwischen eine Reihe von Kernen mit eigenem magnetischen Dipolmoment NMR-spektroskopisch analysiert werden. Dadurch können auch anorganische Verbindungen, die Fluor-, Phosphor- oder Vanadiumatome enthalten, untersucht werden.
NMR - Spektrum von Ethanol. Die Lage der Signale (chemische Verschiebung, Angegeben in ppm) gibt Hinweise auf die elektronische Umgebung der Atomgruppen.
Immer leistungsfähigere Computer erlauben die Verarbeitung riesiger Datenmengen, sodass neben der chemischen Strukturaufklärung auch die Erzeugung von Bildern auf der Basis der Kernspinresonanz möglich ist. Dieses Prinzip findet seit 1990 in der medizinischen Diagnostik bei der Magnetresonanz-Tomografie (MRT) ihre Anwendung. Die MRT oder Kernspin-Tomografie (griech.: tome = Schnitt und graphein = schreiben) ist das modernste Schnittbildverfahren. Dabei wird der Effekt ausgenutzt, dass mehr als zwei Drittel des menschlichen Körpers aus Wasser bestehen.
Bei der MRT wird der menschliche Körper in ein äußeres Magnetfeld von 0,5 bis 1,5 Tesla gebracht. Dieses Feld ist millionenfach stärker als das Magnetfeld der Erde und wird meist von supraleitenden Magneten erzeugt. Die H-Atomkerne richten ihre magnetischen Dipole danach aus. Eine abstimmbare Hochfrequenzspule erzeugt ein magnetisches Wechselfeld und sendet es aus. Entspricht die Sendefrequenz der Eigenfrequenz der -Kerne, so kommt es zur Kernspinresonanz. Die Mehrheit der -Kerne wechseln unter Energieaufnahme in das höhere Energieniveau. Nach der Energiezufuhr werden die Hochfrequenzspulen ausgeschaltet und als Empfänger genutzt. Die -Kerne kehren in ihre ursprüngliche Ausrichtung zurück und induzieren dabei in den Empfängerspulen einen hochfrequenten Spannungsstoß, der vom Computer gespeichert und ausgewertet wird.
Daraus berechnet die Software die Gewebedichte in Form eines zweidimensionalen Schnittbilds. Unter anderem aus dem unterschiedlichen Wassergehalt des Gewebes können Rückschlüsse auf etwaige Erkrankungen oder Verletzungen gezogen werden. Kernspin-Tomografen erlauben zahlreiche Untersuchungen, die zuvor unmöglich oder sehr schwierig waren. Tumore und Zysten, vor allem im Gehirn und im Knochenmark, lassen sich ebenso frühzeitig erkennen wie Knochenmarkerkrankungen oder Sportverletzungen (Kreuzbandriss). Nachteile der MRT sind sowohl die hohen Anschaffungs- und Betriebskosten als auch die zeitaufwendige Untersuchung im Vergleich zu anderen Bild gebenden Verfahren. Die MRT erlaubt Einblicke in alle Weichteile des Körpers mit großer Bildschärfe, selbst in Organe, die wie das Gehirn von Knochen umgeben sind.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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