JOSEPH JOHN THOMSON (BILD 1) lebte in einer Zeit, in der die klassische Physik ihrer Vollendung entgegenging und sich die moderne Physik zu entwickeln begann. Kennzeichnend für die Haltung vieler Physiker dieser Zeit war eine Meinung, die der Physiker P. J. G. VON JOLLY (1809-1884) im Jahre 1875 gegenüber dem jungen MAX PLANCK, dem späteren Begründer der Quantentheorie, äußerte, als er die Physik dieser Zeit beschrieb:
„als eine hochentwickelte, nahezu voll ausgereifte Wissenschaft, die nunmehr, nachdem ihr durch die Entdeckung des Prinzips der Erhaltung der Energie gewissermaßen die Krone aufgesetzt sei, wohl bald ihre endgültige stabile Form angenommen haben würde. Wohl gäbe es vielleicht in einem oder dem anderen Winkel noch ein Stäubchen oder ein Bläschen zu prüfen und einzuordnen, aber das System als Ganzes stehe ziemlich gesichert da, und die theoretische Physik nähere sich merklich demjenigen Grade der Vollendung, wie ihn etwa die Geometrie schon seit Jahrhunderten besitze“.
Dass dem nicht so war, zeigten bald die Arbeiten von MAX PLANCK und ALBERT EINSTEIN, von WILHELM CONRAD RÖNTGEN und von HENRI BECQUEREL, MARIE und PIERRE CURIE, ERNEST RUTHERFORD. Einen bedeutenden Anteil an der Entwicklung der Physik hatte auch J. J. THOMSON.
JOSEPH JOHN THOMSON wurde am 18. Dezember 1856 in Cheetham Hill als Sohn eines Buchhändlers geboren. Bereits im Alter von 14 Jahren begann er am Owens College der Universität Manchester ein Studium der Ingenieurwissenschaften. Als zwei Jahre später sein Vater starb, brach er dieses Studium ab und wechselte zum Studium der Mathematik und Physik. Mit einem Stipendium ausgestattet, studierte er ab 1876 an dem naturwissenschaftlich ausgestatteten Trinity College der Universität Cambridge. 1881 wurde er Mitglied dieses College und 1884 wurde er Professor für Experimentalphysik und übernahm die Leitung des 1871 gegründeten, berühmten „ Cavendish Laboratory “. Vorgänger in dieser Funktion waren JAMES CLERK MAXWELL (1831-1879) und LORD RAYLEIGH (1842-1919), Nachfolger nach seinem Ausscheiden 1919 ERNEST RUTHERFORD (1871-1937) und W. L. BRAGG (1890-1971).
J. J. THOMSON war sowohl in der Lehre als auch in der Forschung erfolgreich tätig. Im Laufe seines langen Lebens erhielt er fast alle Auszeichnungen, die einem Wissenschaftler zuteil werden konnten. 1906 bekam er den Nobelpreis für Physik für seine Arbeiten zum Elektrizitätsdurchgang durch Gase. 1908 wurde er vom britischen König geadelt. 1915 wählte ihn die Royal Society zu ihrem Präsidenten. 1918 übernahm er die Leitung des Trinity College.
Hochgeehrt starb J. J. THOMSON am 30. August 1940 in Cambridge.
In seinen ersten Arbeiten Anfang der 80ger Jahre des 19. Jahrhunderts beschäftigte sich J. J. THOMSON mit der Anwendung der maxwellschen Theorie auf bewegte Ladungen. Dabei konnte er nachweisen, dass eine geladene Kugel entsprechend der Ladung an Masse zunimmt. Das war ein erster Schritt in Richtung der Masse-Energie-Äquivalenz , die A. EINSTEIN in seiner speziellen Relativitätstheorie 1905 allgemein formulierte.
Die Entdeckung der Röntgenstrahlen im Jahre 1895 führte zu intensiveren Untersuchungen der Katodenstrahlen , durch die die Röntgenstrahlen hervorgerufen wurden. 1897 konnte J. J. THOMSON zeigen, dass es sich bei Katodenstrahlen um negativ geladene Teilchen handelt. Er bestimmte auch die spezifische Ladung dieser Teilchen. In seiner viele Jahre später veröffentlichten Autobiografie schreibt er dazu:
„Nach langen Erwägungen schien es mir, dass aus den Versuchen die folgenden Schlussfolgerungen zu ziehen sind: Erstens, dass Atome nicht unteilbar sind, denn negativ elektrische Partikel können von ihnen weggerissen werden durch Wirkung elektrischer Kräfte ... Zweitens, dass die Partikel alle von derselben Masse sind und diegleiche Ladung negativer Elektrizität tragen, aus welcher Art von Atomen sie auch stammen, und dass sie Bestandteile aller Atome sind. Drittens, daß die Masse dieser Teilchen geringer ist, als der tausendste Teil eines Wasserstoffatoms. Ich nannte diese Teilchen zuerst Korpuskeln, aber man nennt sie jetzt mit dem besser passenden Namen Elektronen.“
Mit dem Elektron war das erste Elementarteilchen gefunden. Als Name setzte sich die Bezeichnung durch, die der irische Physiker STONEY bereits 1891 für die elektrische Elementarladung vorgeschlagen hatte. Für die von THOMSON untersuchten Korpuskeln der Katodenstrahlen wurde die Bezeichnung Elektronen erstmals 1897 von dem irischen Physiker FITZGERALD eingeführt.
Ein interessantes Detail sei am Rande vermerkt: J. J. THOMSON entdeckte das Elementarteilchen Elektron. 30 Jahre später gelang es seinem Sohn G. P. THOMSON (1892-1975), gleichzeitig mit DAVISSON und GERMER Interferenzerscheinungen bei Elektronen und damit den Wellencharakter nachzuweisen. Er erhielt dafür 1937 gemeinsam mit DAVISSON den Nobelpreis für Physik.
Wertvolle Beiträge leistete J. J. THOMSON auch bei der Entwicklung der Atomphysik . So entwickelte er 1903 ein von W. THOMSON (LORD KELVIN) 1902 vorgeschlagenes Atommodell weiter. Während LORD KELVIN ein Modell mit stetig verteilter positiver Ladung annahm, in die die negativ geladenen Elektronen eingebettet sind, versuchte J. J. THOMSON zu beweisen, dass sich die Elektronen im Atom in Ringen um den Atomkern anordnen. Für jedes Element sollte eine stabile Verteilung der Elektronen existieren. Das war ein wichtiger Schritt hin in Richtung rutherfordsches Atommodell.
J. J. THOMSON gelang es 1907, durch die Ablenkung von Kanalstrahlen in elektrischen Feldern unterschiedliche Parabeln zu erhalten, die den verschiedenen Atom- bzw. Molekülarten zugeordnet werden konnten. Damit wurde zum ersten Mal der Beweis dafür erbracht, dass die Atome eines Elementes nicht alle identisch sind, also Isotope existieren. Weitere Forschungen zu Kanalstrahlen, die er zusammen mit F. W. ASTON machte, führten zur Entdeckung von Isotopen des Edelgases Neon.
Stand: 2010
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