- Lexikon
- Chemie Abitur
- 9 Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen
- 9.1 Allgemeine Grundlagen der Organischen Chemie
- 9.1.3 Der Isomeriebegriff
- Formen der Isomerie in organischen Verbindungen
JUSTUS VON LIEBIG beschäftigte sich mit der Elementaranalyse von organischen Verbindungen und entwickelte daraus eine Routinemethode zur Bestimmung der quantitativen Zusammensetzung. Dabei stellte er 1823 fest, dass viele unterschiedliche Stoffe wie die Cyansäure (HOCN) und die Knallsäure (HCNO) gleiche Summenformeln aufweisen. Diese Verbindungen haben aber trotz gleicher Summenformel unterschiedliche physikalische und chemische Eigenschaften. LIEBIG formulierte zur Veranschaulichung, dass aus gleichen Buchstaben ebenfalls unterschiedliche Worte gebildet werden können: „Dome - Mode - Odem“.
F. WÖHLER stellte 1828 aus Ammoniumcyanat Harnstoff her und synthetisierte damit eine organische Verbindung aus einer anorganischen Verbindung. Dass Harnstoff und Ammoniumcyanat Isomere sind, stellte er erst später fest.
Die Begriffe Isomerie und Isomere wurde 1830 von BERZELIUS in die Chemie eingeführt. Nach BERZELIUS sind isomere Stoffe, die „die gleichen Elementaratome, aber in ungleicher Weise zusammengelegt“ enthalten.
Heute versteht der Chemiker unter Isomeren Verbindungen gleicher atomarer Zusammensetzung bzw. Summenformel, die sich jedoch in der Anordnung der Atome, d. h. ihrer räumlichen Struktur unterscheiden. Daraus ergeben sich unterschiedliche Eigenschaften der Verbindungen (z.B. Siede- und Schmelztemperatur, chemische Reaktionsfähigkeit). Auch die Benennung der Stoffe ist unterschiedlich.
Es gibt verschiedene Arten der Isomerie :
Konstitutionsisomere bzw. Strukturisomere sind Verbindungen mit gleicher Summenformel, aber einer unterschiedlichen Verknüpfung von Atomgruppen oder Atomen im Molekül.
Die einfachste Form ist die Bildung von Strukturisomeren durch Verzweigung der Kohlenstoffketten. Die Zahl der möglichen Isomere mit einer Summenformel wächst mit der Zahl der Atome rasch an. Am Beispiel der Alkane wird dies deutlich.
Methan, Ethan und Propan besitzen keine Isomere. Butan mit der Summenformel kann dagegen zwei Isomere bilden:
Butan | 2-Methylpropan |
(Siedetemperatur 0.5°C) | (Siedetemperatur -12°C) |
Pentan ( ) besitzt drei Isomere, Hexan ( ) bildet fünf und Heptan ( ) schon neun verschiedene Konstitutionsisomere, und die Anzahl der möglichen isomeren Verbindungen wächst rasch an, z. B. bei dem Alkan
Grundsätzlich gilt, dass verzweigte Verbindungen niedrigere Schmelz- und Siedetemperaturen aufweisen als unverzweigte. Das hängt vor allem mit der kleineren Oberfläche und den daraus resultierenden geringeren VAN-DER-WAALS-Kräften zusammen.
Eine andere Form der Konstitutionsisomerie besteht darin, dass beispielsweise funktionelle Gruppen im Molekül anders angeordnet sind (Bild 2).
Außerdem gibt es auch die Möglichkeit, dass sich Mehrfachbindungen an unterschiedlichen Stellen im Molekül befinden.
Beispiel:
Auch die Isomeren bei mehrfach substituierten Aromaten sind Konstitutionsisomere. Sie werden aber häufig als Stellungsisomere bezeichnet.
Stereoisomere
Stereoisomere sind Moleküle mit gleicher Konstitution, aber einer unterschiedlichen räumlichen Anordnung der Atome. Sie unterscheiden sich weitaus geringfügiger als Konstitutionsisomere in ihren chemischen und physikalischen Eigenschaften, da die strukturellen Unterschiede nur geringfügig sind.
Man unterteilt die Stereoisomerie noch einmal in die Konfigurations- und die Konformationsisomerie.
Konstitutionsisomere von Butanol
Befindet sich in einem Molekül ein Kohlenstoffatom mit vier unter-schiedlichen Substituenten (asymmetrisches Kohlenstoffatom), können Bild und Spiegelbild nicht zur Deckung gebracht werden. Solche Verbindungen, die zwei Spiegelbildisomere bzw. Enantiomere besitzen, nennt man chirale Verbindungen.
Beispiele sind die Isomere der Milchsäure und des Glycerinaldehyds (Bild 3). Die Moleküle sind räumliche Spiegelbilder obwohl die Verknüpfung der Atome durch chemische Bindungen gleich ist. Physikalisch unterscheiden sich die Enantiomere nur in ihrem optischen Drehwert.
Milchsäure kann in einer L- Form (diese dreht polarisiertes Licht nach links) und in einer spiegelbildlich gleichen D- Form (diese dreht polarisiertes Licht nach rechts) vorkommen.
Verblüffend ist die unterschiedliche pharmakologische, toxische oder biochemische Wirkung solcher Enantiomere. Alle auf der Erde lebenden Lebewesen enthalten nur L- Aminosäuren und können auch nur L- Formen von organischen Verbindungen verstoffwechseln. Diese seltsame Eigenschaft ist bis heute unerklärlich. Auch bei Arzneistoffen sind oft nur bestimmte Isomere wirksam.
Die FISCHER-Projektion ist die Darstellung der räumlichen Struktur tetraedrisch koordinierter Kohlenstoffatome in der Ebene. Chirale Verbindungen können so eindeutig als D- oder L-Enantiomer identifiziert werden. Folgende Regeln wurden von EMIL FISCHER am Glycerinaldehyd als Stammverbindung für die FISCHER-Projektion aufgestellt:
Die längste Kohlenstoffkette steht vertikal, das am höchsten oxidierte Kohlenstoffatom steht oben und trägt die Nummer 1. | |
Die beiden horizontalen Bindungen am betrachteten Kohlenstoffatom zeigen aus der Papierebene auf den Betrachter zu, die beiden vertikalen in die Papierebene. | |
Steht die OH-Gruppe am chiralen Kohlenstoffatom rechts, gehört das Molekül in die D-Reihe - steht sie links, gehört es in die L-Reihe. |
Mit der FISCHER-Nomenklatur wird nur die absolute Konfiguration eines Kohlenstoffatoms eindeutig festgelegt. Die Festlegung der absoluten Konfiguration nach Cahn, Ingold und Prelog ermöglicht die Zuordnung für alle Chiralitätszentren in einem Molekül. Dabei werden den Substituenten am asymmetrischen C-Atom Prioritäten zugeordnet (Regeln). Blickt man jetzt auf das Kohlenstoffatom in Richtung des Substituenten mit der kleinsten Priorität, ordnen sich die anderen in (R) oder gegen den Uhrzeigersinn (S) an.
Chiralität heißt „Händigkeit“. Der Begriff ergibt sich daraus, dass die rechte und linke Hand Spiegelbildisomere sind.
cis-, trans-Isomerie
Die cis-, trans-Isomerie ist eine andere Form der Konfigurationsisomerie, die auftritt, wenn an beiden Enden der C=C-Doppelbindung je zwei verschiedene Substituenten gebunden sind. Die größeren Substituenten können entgegengesetzt, trans-, oder auf einer Seite der Doppelbindung, cis-, angeordnet sein. Auch hier sind die Unterschiede in den Eigenschaften bei kleinen Molekülen gering. Bei Makromolekülen, d. h. in der Kunststoffchemie ist jedoch die Anordnung der Substituenten von großer Bedeutung für die Eigenschaften, beispielsweise von Synthesekautschuk oder Polypropylen.
Konformationsisomere sind Isomere, die durch Rotationen um die C-C-Einfachbindung entstehen.
Sie sind normalerweise nicht zu unterscheiden, da diese Rotation ständig und mit hoher Geschwindigkeit stattfindet. Betrachtet wird die Stellung von je einem Substituenten (oder) an zwei benachbarten C-Atomen. Sind die Substituenten sehr groß, wird die Rotation behindert, sodass einzelne Zustände experimentell nachweisbar sind.
Zu den Konformationsisomeren zählt man aber auch die einzelnen Zustände des Cyclohexanringes, die durch das sogenannte Durchschwingen entstehen (Sessel - Wanne - Sessel). Zu beachten ist dabei, dass bei diesem „Durchschwingen„ äquatoriale (e) und axiale (a) Substituenten die Plätze tauschen.
Konformationsisomere lassen sich auch anschaulich in der Sägebockschreibweise darstellen:
gestaffelt, anti | verdeckt (eclipsed) |
Es existieren noch eine Reihe weiterer Formen der Isomerie. Diese Erscheinung ist nicht nur auf organische Moleküle begrenzt. So findet man noch weitere Isomerieformen bei anorganischen Komplexverbindungen.
Stabilität unterschiedlicher Konformationsisomere
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