ERICH HÜCKEL lebte im zwanzigsten Jahrhundert, in einer sehr bewegten Zeit. Er erlebte sowohl den ersten Weltkrieg, als auch die Machtergreifung Hitlers, den 2. Weltkrieg und die schweren Aufbaujahre nach dem Krieg.
Er stammt aus Berlin und studierte in Deutschland. Während des zweiten Weltkrieges blieb er in Deutschland, war aber nicht am Kriegsdienst beteiligt.
Die erste Hälfte des 20. Jh. stand ganz im Zeichen der Kernphysik und der Quantenchemie. Die neu entdeckten radioaktiven Strahlen ermöglichten neue Experimente, die zur rasanten Weiterentwicklung des Atommodells von RUTHERFORD (1911) über BOHR (1913) bis hin zum modernen quantenmechanischen Atommodell (1927) führten. Das verbesserte das Verständnis über die Struktur der Materie.
Durch kernchemische Experimente wurden neue Elemente entdeckt, darunter das hoch radioaktive Plutonium. Während des 2. Weltkrieges stellten sich Chemiker und Physiker in den Dienst der Militärs und entwickelten neue Sprengstoffe, giftige Kampfstoffe sowie die erste Atombombe.
Biochemiker erkundeten die Strukturen von Naturstoffen und konnten diese nach und nach im Labor synthetisieren. Beispiele sind die Eiweiße, die Vitamine und die Hormone, deren Wirkprinzipien in biochemischen Prozessen erkannt wurden. Außerdem gewann die Synthese von Arzneistoffen (Antibiotika, Schmerzmittel etc.) zunehmend an Bedeutung und wurde ebenfalls industriell durchgeführt.
Die chemische Industrie erlebt einen ungeahnten Aufschwung, da neben dem Bedarf an Medikamenten auch der Bedarf an Erdölprodukten steigt. Diese werden sowohl zu Kraftstoffen, aber auch zu den neuen Werkstoffen des 20. Jahrhunderts, den makromolekularen Kunststoffen, verarbeitet.
ERICH HÜCKEL wurde am 09.08.1896 in Berlin als Sohn des Arztes ARMAND HÜCKEL und dessen Ehefrau Marie, als mittlerer von drei Brüdern geboren. HÜCKELS Vater, der sich in Göttingen niederließ, war zeitlebens sehr an den neuen Erkenntnissen in Physik und Chemie interessiert und hatte in seinem Haus ein Labor und eine Werkstatt für Versuche eingerichtet. Hier erhielten die Kinder von ihm ihren ersten Unterricht in den Naturwissenschaften.
ERICH HÜCKEL wurde 1902 in Göttingen eingeschult. Nach der Grundschule ging er auf das königliche Gymnasium. Sein Leitspruch in der Schule war „Soviel wie nötig, so wenig wie möglich“ und er machte nur für die Fächer Physik, Chemie und Mathematik eine Ausnahme. Während seiner Schulzeit konnte sich ERICH HÜCKEL noch nicht entscheiden, was er später einmal werden wollte. Erst nach dem Abitur entschied er sich schließlich für die Physik und begann sein Studium in Göttingen, wo er 1921 seine Doktorarbeit: „Zerstreuung von Röntgenstrahlen“ fertigstellte. Sein Betreuer war PETER JOSEPH WILHELM DEBYE (1884 - 1966).
ERICH HÜCKEL arbeitete während seiner Göttinger Zeit zuerst als Hilfsassistent bei DAVID HILBERT (1862-1934) und ab 1922 als Assistent bei MAX BORN (1882-1970). Mit BORN veröffentlichte er gemeinsam 1923 und 1951 Artikel zur Quantentheorie mehratomiger Moleküle. BORN beschäftigte sich mit der Quantentheorie in der alten ursprünglichen Form und deren Anwendungen auf die Atom- und Molekularphysik.
HÜCKEL folgte später seinem Mentor DEBYE, der einen Ruf an die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich erhalten hatte, in die Schweiz.
In dieser Zeit entwickelten die beiden Wissenschaftler gemeinsam die DEBYE-HÜCKEL-Theorie .
In der DEBYE-HÜCKEL-Theorie werden die Gesetzmäßigkeiten für das osmotische Verhalten und die Leitfähigkeit starker Elektrolyte beschrieben. Unter der Annahme einer vollständigen Dissoziation werden osmotische Effekte durch die Existenz von Ionenwolken und die Wirkung des Lösungsmittels als Dielektrikum erklärt.
1925 habilitierte HÜCKEL zum ersten Mal, u. a. mit dieser Theorie. Sie gehört auch heute noch zum Standard physikalisch- chemischer und elektrochemischer Lehrbücher.
ERICH HÜCKEL heiratete nach seiner Habilitation die Tochter des österreichischen Chemikers RICHARD ADOLF ZSIGMONDY.
1928 erhielt DEBYE einen Ruf nach Leipzig. HÜCKEL folgte ihm nicht, sondern ging nach London. Er hatte für ein Jahr ein Rockefeller-Stipendium erhalten. Dort beschäftigte er sich theoretisch mit der Adsorption von Gasen, empfand dieses Gebiet jedoch schnell als unergiebig für eine akademische Laufbahn.
So begann er die Arbeiten von ERWIN SCHRÖDINGER zu studieren. Er kannte den österreichischen Physiker bereits aus seiner Züricher Zeit.
Aus familiären Gründen musste HÜCKEL seinen Aufenthalt in England unterbrechen und ging im Frühjahr 1929 nach Kopenhagen zu NIELS BOHR.
Auf dessen Anregung hin begann HÜCKEL mit der Erforschung von Doppelbindungen und veröffentlichte am Institut für Theoretische Physik in Leipzig 1930 seinen Artikel „ Zur Quantenchemie der Doppelbindung “.
Anregungen für seine Forschungen erhielt HÜCKEL auch von EDUARD TELLER, jenem Wissenschaftler, der Anfang der fünfziger Jahre unter dem Namen Edward Teller als „Vater der Wasserstoffbombe“ bekannt wurde.
In den Jahren 1931 bis 1932 erschien eine weitere Artikelserie von HÜCKEL, welche die Grundlage für die später nach ihm benannte Theorie bildete.
Einige Wissenschaftler der Zeit, z. B. FRIEDRICH HUND (1896 - 1997) oder ROBERT SANDERSON MULLIKEN (1896-1986) erforschten Bindungen mit Hilfe der Spektroskopie und befassten sich mit kleinen, zweiatomigen Molekülen.
HÜCKEL nun ging einen Schritt weiter und begann, mehratomige organische Moleküle, z. B. das Benzen zu erforschen. Ihm ging es dabei um die quantenmechanische Struktur der Doppelbindungen.
Seit JACOBUS HENDRICUS VAN´T HOFF (1852 - 1911) und GILBERT NEWTON LEWIS (1875 - 1946) war es üblich, chemische Bindungen unter Verwendung von Valenzstrichformeln darzustellen. Ein Problem, das moderne Chemiker damals beschäftigte, war die Frage, ob die Doppelbindung gegenüber einer Verdrehung starr ist oder nicht. Für eine Starrheit gab es experimentelle Beweise. DEBYE hatte zu dieser Zeit gerade mittels Röntgenuntersuchungen experimentell nachgewiesen, dass eine Rotation um die C = C Achse nicht stattfindet.
HÜCKEL ging bei seinen Forschungen anders vor. Zuerst erfasste er die bis dahin bekannten chemischen und physikalischen Eigenschaften dieser Stoffklassen mit den Methoden der damaligen theoretischen organischen Chemie. HÜCKEL interessierte sich dabei insbesondere für die Zustände der
Für das organische Molekül Ethen wies er nach:
Eine Verdrehung um die C - C-Achse würde eine Vergrößerung der Energie bedeuten. Da dies nicht geschehen kann, verhält sich die C = C Bindung starr.
1931 veröffentlichte ERICH HÜCKEL seine Hauptschrift: „Quantentheoretische Beiträge zum Benzolproblem“. Sie besteht aus drei Teilen mit insgesamt 132 Seiten. Mit dieser Veröffentlichung erreichte HÜCKEL seine zweite Habilitation.
Bereits sechs Jahre nach dem Beginn der Quantenmechanik bot HÜCKELS Methode die Möglichkeit, Reaktionsmechanismen über die Elektronendichte bei aromatischen und ungesättigten Verbindungen gedanklich nachvollziehen zu können.
ERICH HÜCKEL arbeitete und forschte inzwischen am Institut für Theoretische Physik der Technischen Hochschule Stuttgart.
DEBYE hatte ihm diese Stelle verschafft. Es war eine Stelle, die aus verschiedenen Stiftungen bezahlt wurde, und die jedes Semester wieder erneuert werden musste. Außerdem enthielt HÜCKELS Arbeitsvertrag die Klausel, dass sich immer mindestens 3 Hörer einschreiben mussten. Dies konnte er manchmal nur mit der Hilfe der Kinder von Kollegen erreichen.
Nach der Machtergreifung durch Hitler wusste HÜCKEL nicht, was er tun sollte, um seine Stelle zu behalten. Er trat nicht in die Partei ein, wie ihm geraten wurde. Um seine Familie und seine Stelle zu retten, trat er jedoch widerstrebend der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) bei und übernahm die Stelle eines Blockwarts.1937 wurde er als außerordentlicher Professor nach Marburg berufen und es blieb ihm nichts anderes übrig, als in die Partei einzutreten, sonst hätte er diese Stelle in Marburg nicht bekommen. Als der Krieg ausbrach, erhielt er einen Stellungsbefehl als Schütze der Luftwaffe nach Ebsdorf bei Marburg. Er hatte das Glück „überzählig“ zu sein und damit ausgemustert zu werden. Damit konnte er wieder nach Marburg zurückkehren. Nach Kriegsende wurde er 1946 in Marburg wieder in Amt und Würden eingesetzt. Er lehrte und forschte dort bis ins hohe Alter.
Am 16. 02. 1980 starb ERICH HÜCKEL in Marburg.
„Zerstreuung von Röntgenstrahlen durch anisotrope Flüssigkeiten“ 1921 | |
„Zur Theorie konzentrierter wässeriger Lösungen starker Elektrolyte“ 1925 | |
„Adsorption und Kapillarkondensation“ 1928 | |
„Zur Quantenchemie der Doppelbindung“ 1930 | |
„Quantentheoretische Beiträge zum Benzolproblem“.(4 Teile) 1931 - 1932 | |
„Über die C-C-Bindung in Hexaphenyläthan. Kritische Bemerkungen“ 1936 | |
„Zur Theorie des Magnetismus sogenannter Biradikale“ 1936 | |
„Die Bedeutung der neuen Quantentheorie für die Chemie“ 1936 | |
„Kritische Betrachtungen zur Theorie der Substitutionsreaktionen an substituierten Benzolen “ 1937 | |
„Grundzüge der Theorie ungesättigter und aromatischer Verbindungen“ 1937 | |
„Zur modernen Theorie ungesättigter und aromatischer Verbindungen“ 1957 |
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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