Dioxine

Unter den vereinfachend genannten „Dioxinen“ versteht man polychlorierte Dibenzo-p-dioxine (PCDD) und polychlorierte Dibenzofurane (PCDF). Sie besitzen zwei ungesättigte Sechsringsysteme mit Elektronensextett, die über zwei Sauerstoffatome miteinander verbunden sind. An den Ringen sind ein oder mehrere Chloratome gebunden.

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Bekannt sind 75 verschiedenen Einzelverbindungen der PCDD und 135 Einzelverbindungen der PCDF. Die Gesamtzahl schließt die Homologen und die Stellungsisomeren ein. Als Homologe werden in diesem Fall die unterschiedlich stark chlorierten Verbindungen bezeichnet. Man spricht auch vom Chlorierungsgrad der Substanzen.
Alle Dioxine haben sehr unterschiedliche chemische und physikalische Eigenschaften. So sind auch ihre Wechselwirkungen mit der Umwelt sehr verschieden. Es können somit keine Verallgemeinerungen in Hinsicht auf die physiologischen Wirkungen getroffen werden. Trotzdem sind diese Stoffe alle in unterschiedlichem Maße giftig, fettlöslich und biologisch schwer abbaubar.

Vorkommen

Dioxine sind überwiegend anthropogenen Ursprungs.
Sie entstehen bei der unvollständigen Verbrennungsvorgängen, wenn chlorhaltige Verbindungen mit Kohlenstoffverbindungen zusammentreffen. Demzufolge muss es sie in der Natur schon immer in Spuren gegeben haben, z. B. durch Buschbrände. Dioxine sind technisch nie gezielt hergestellt worden, sondern treten ausschließlich als unerwünschte Begleiterscheinungen in der chemischen Industrie und in der Energieerzeugung auf.
Sie entstehen vermehrt in Müllverbrennungsanlagen, Stahlwerksabluft und auch in Autoabgasen sowie bei der Papierherstellung, und Metallveredlung (Stahl) und -rückgewinnung. Um die Freisetzung der außerordentlich stabilen Dioxine aus Müllverbrennungsanlagen zu verhindern, müssen Altchemiekalien und Müll bei Temperaturen über 1 200 °C verbrannt werden. Man hat festgestellt, dass die Bildungstendenz der Dioxine im Bereich 300 bis 600 °C besonders hoch ist. Deshalb ist auch die Entsorgung von Alt-Lösungsmitteln so teuer, da das Temperaturregime hohe Anforderungen an die Materialien stellt.

Dioxin – das Gift von Seveso

Als besonders toxisch und krebserregend haben sich die 2,3,7,8 chlorsubstituierten Isomere der PCDD und PCDF erwiesen. Das Gift von Seveso , der Stoff, der diese Gruppe von Verbindungen eigentlich ins Gespräch gebracht hat, ist wahrscheinlich der gefährlichste Vertreter der Dioxine mit der fachsystematischen Bezeichnung 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-1,4-dioxin („Dioxin“ bzw. 2,3,7,8-TCDD).

Der Name „Seveso-Gift“ stammt von der italienischen Ortschaft Seveso, 30 km nördlich von Mailand gelegen. Dort kam es am 10.07.1976 in einer Fabrik der Firma ICMESA bei der Herstellung von 2,4,5-Trichlorphenol zu einem folgenschweren Unfall. Durch Überhitzung der Anlage kam es zu einer außerordentlich verstärkten Dioxinbildung, und der hohe Druck der Anlage zerstörte ein Sicherheitsventil. Daraufhin konnte eine große Menge des gebildeten Dioxins in die Umwelt entweichen.
Nach einigen Tagen starben Vögel und Kleintiere. Infolge von ärztlichen Untersuchungen (220 000 Menschen) und Analysen von Bodenproben wurden 17 Tage nach dem Unglück fast 1 000 Menschen aus dem Ort umgesiedelt, der halbe Ort abgerissen und die oberste Bodenschicht vollständig abgetragen und deponiert. In der Bevölkerung wurden rund 200 Fälle von Chlorakne registriert. Erst 1986 waren die sichtbaren Krankheitssymptome einer Dioxinvergiftung bei den meisten Menschen in dieser Region verschwunden.

Physiologische Wirkung von Dioxin (TCDD)

Dioxinvergiftungen führen zu einer Chlorakne mit Rötungen und Pustelbildungen der Haut. Dabei handelt es sich um eine unter Umständen sogar lebenslang anhaltende Entzündungen der Talgdrüsen. Außerdem hinterlässt die Chlorakne Schädigungen an inneren Organen, Leber, Niere, Bauchspeicheldrüse und am Nervensystem.
Entsprechend unseren heutigen Kenntnissen gehört Dioxin (TCDD) zu den stark krebserregenden Substanzen. Es wird davon ausgegangen, dass Dioxine die Produktion körpereigener Enzyme fördern. Man spricht von einer Promotorwirkung, die die Tumorentstehung fördert. Der genaue Effekt ist noch unklar, es wird eine indirekte Erzeugung von Schädigungen an der DNA angenommen. Entsprechende Versuchsreihen an Ratten zeigen, dass schon die wiederholte Aufnahme von 10 ng ( 10 9 g ) pro kg Körpergewicht zu einer Tumorentstehung geführt hat. Außerdem zeigt sich im Tierversuch eine Schädigung des ungeborenen Kindes. Chemische Substanzen mit derartiger Wirkung nennt man teratogen.

Dioxin ist außerordentlich giftig, schon die Aufnahme einiger µg Dioxin führen zum Tod eines erwachsenen Menschen.
Dioxine sind lipophil und lagern sich insbesondere im Fettgewebe ab. Die Folge ist eine Weitergabe und Anreicherung in Nahrungsketten.

Dioxin in der Umwelt

Dioxine kommen heute in der Umwelt überall vor, sei es in der Luft, im Boden, Gewässern, Staub oder Organismen wie Insekten, Vögel, Krebstiere, Reptilien, Fische, Säugern und Menschen. Sie wurden praktisch überall nachgewiesen, sei es in Fleisch, Eiern, Milch oder im Wasser. Neben den natürlichen Entstehungsprozessen gelangen sie hauptsächlich durch Verbrennungsrückstände und Abgase in die Umwelt. Da die Gesamtmenge in Deutschland aber durch gezielte Abgasreinigung sehr gering ist, geht man davon aus, dass im Allgemeinen keine Gefährdung besteht.

Testungen des Umweltbundesamts bestätigen, dass jeder Mensch täglich ca. 50 pg (nur 0,000 000 000 050 g !) Dioxin mit der Nahrung aufnimmt, der größte Teil, etwa 80 %, erfolgt über tierische Nahrungsmittel. Die von der WHO festgelegte „tolerierbare Tagesdosis“, also die Dosis, von der keine negativen Folgen zu erwarten sind, liegt bei täglich 1-4 pg pro kg Körpergewicht, für einen Erwachsenen mit 70 kg Gewicht also 70-280 pg pro Tag.

Die Grenzwerte für Dioxine in Lebensmitteln sind auf deren Fettanteil bezogen, weil sich die Dioxine im Fett anreichern. Sie betragen je nach Verzehrhäufigkeit zwischen 1 pg (Schweinefleisch) und 6 pg (Leber) pro g Fett im Lebensmittel. Für Eier beispielsweise ist der Grenzwert 3 pg pro g Fett. Eier enthalten etwa 10 % Fett. In einem Ei von 60 g, also 6 g Fettsubstanz, wäre demnach der zulässige Maximalwert 18 pg.

Auch wenn die Umweltbelastung mit Dioxin durch die Kontrolle der Verbrennungsvorgänge möglichst gering gehalten wird, gerät der Stoff immer wieder in die Schlagzeilen. Ein Beispiel dafür ist der deutsche Dioxinskandal (2010), als das Seveso-Gift in Eiern nachgewiesen worden ist. Die Ursache bestand in der Nutzung von dioxinbelastetem Futter. In einzelnen Eiern wurden Gehalte um 50 pg gefunden, das ist etwa das Dreifache des Grenzwerts und entspricht etwa der täglichen Gesamtaufnahme mit allen Lebensmitteln. Auch wenn ein einmaliger Verzehr dieser Eier aufgrund der niedrigen Dosis als unbedenklich gilt, soll durch gezielte Lebensmittelüberwachung verhindert werden, dass solche belasteten Lebensmittel produziert werden und in den Handel gelangen.

Entstehung des SEVESO-Gifts aus 2,4,5-Trichlorphenol

Entstehung des SEVESO-Gifts aus 2,4,5-Trichlorphenol

Militärische Nutzung

Die USA haben im Vietnam-Krieg ein Entlaubungsmittel, ein Gemisch aus 2,4-Di- und 2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure eingesetzt. Dieses Entlaubungsmittel enthielt in Spuren das Dioxin TCCD. Die Folge war ein stark vermehrtes Auftreten von Missbildungen bei Neugeborenen in Vietnam. Auch bei Kindern von Vietnam-Veteranen wurde ein höheres Krebsrisiko festgestellt und der prozentuale Anteil an Missbildungen bei Neugeborenen war deutlich höher als im Allgemeinen in den USA.

Auch Geheimdienste greifen in unverantwortlicherweise auf Dioxine zurück, um ihre Gegner unter Druck zu setzen. So wurde der ukrainische oppositionelle Präsidentschaftskandidat Viktor Juschtschenko 2004 Opfer einer Dioxinvergiftung, für die der russische Inlandsgeheimdienst als Urheber vermutet wird.

Das Gemisch aus 2,4-Di- und 2,4,5-Trichlorphenoxessigsäure wurde als Entlaubungsmittel eingesetzt.

Das Gemisch aus 2,4-Di- und 2,4,5-Trichlorphenoxessigsäure wurde als Entlaubungsmittel eingesetzt.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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