Unter dem Begriff Gegenstromprinzip versteht man ein ununterbrochen (kontinuierlich) ablaufendes Verfahrensprinzip, bei dem die beteiligten Stoffe, meist Gase oder Flüssigkeiten, in entgegengesetzter Richtung aneinander vorbeigeführt werden.
Hierbei sind die Stoffe entweder durch eine Wand räumlich getrennt (z. B. in Wärmeaustauschern, Kühlern oder Verdampfern) oder die Reaktionsstoffe stehen in direktem Kontakt miteinander. Werden die Stoffe räumlich getrennt, so kann nur Wärmeenergie zwischen den Stoffen unterschiedlicher Temperatur ausgetauscht werden (thermischer Gegenstrom).
Stehen die Stoffe in direktem Kontakt zueinander, das heißt, ein Gas trifft auf eine Flüssigkeit oder einen Feststoff, z. B. bei Extraktions-, Destillations und Trocknungsprozessen, so kann ebenfalls Wärme ausgetauscht werden. Zusätzlich lässt sich der stoffliche Gegenstrom jedoch für den Ablauf von chemischen Reaktionen nutzen.
Ammoniaksynthese als Beispiel für den thermischen Gegenstrom
Bei der Ammoniaksynthese (Bild 2) müssen die Ausgangsstoffe Stickstoff und Wasserstoff auf die Arbeitstemperatur des Katalysators von ca. 400 °C vorgeheizt werden.
Das Produktgemisch aus Ammoniak und nicht umgesetzten Ausgangsstoffen verläßt den Reaktor mit einer Temperatur von über 400 °C und muss zur Abtrennung des Ammoniaks abgekühlt werden.
In einem Wärmetauscher wird mithilfe des Gegenstromprinzips die Wärme des Produktstroms ausgenutzt, um die Ausgangsstoffe vorzuheizen.
Das Gegenstromprinzip ist effektiver als das Gleichstromprinzip . So würde beim thermischen Gleichstrom der abzukühlende Stoff und das Kühlmedium am Ausgang des Wärmetauschers eine mittlere Temperatur Tend aufweisen (linke Abb.). Beim Gegenstrom wird der abzukühlende Stoff hingegen bis auf die Eingangstemperatur des Kühlmittels gebracht und das Kühlmittel auf die Eingangstemperatur des abzukühlenden Stoffs erwärmt (siehe rechte Abb.).
Salpetersäureherstellung als Beispiel für den stofflichen Gegenstrom
Bei der Absorption des Stickstoffdioxids in Wasser (Schritt 3 der Salpetersäureherstellung, siehe Bild 3) werden Gase und Wasser im Gegenstrom geführt. Sie Konzentration der Salpetersäure reichert sich dabei in der Absorptionskolonne von oben nach unten an während die Konzentration des Stickstoffdioxids von unten nach oben abnimmt.
So wird erreicht, das die geringen Mengen Stickstoffdioxid im Gas am oberen Ende des Reaktors noch ausreichend schnell mit frischem Wasser zu Salpetersäure reagieren.
Bei der Ammoniaksynthese wird im Wärmetauscher das Gegenstromprinzip angewendet.
Hochofenprozess als Beispiel für den stofflichen und thermischen Gegenstrom
Im Hochofen zur Gewinnung von Eisen aus Eisenerzen (Bild 4) werden die beteiligten Stoffe im Gegenstromprinzip zusammen gebracht. Dabei wird der Hochofen von oben mit Eisenerz, Kohle und Zusätzen, den sogenannten Zuschlägen, beschickt. Von unten wird Luft eingeleitet, die mit Koks zu Kohlenstoffmonooxid reagiert. Das aufsteigende Kohlenstoffmonooxid reduziert seinerseits Eisenoxid zu metallischem Eisen.
Im Hochofen wird auch Wärmeenergie über den Gegenstrom ausgetauscht. Die aufsteigenden heißen Gase geben Wärme an die von oben kommenden Feststoffe ab, die auf diese Weise auf die notwendige Reaktionstemperatur gebracht werden.
Stofflicher Gegenstrom in der Absorptionskolonne (5): Wasser wird oben aufgegeben und rieselt dem aufsteigenden Stickstoffdioxid entgegen.
Heute verwendet man das Gegenstromprinzip, um eine optimale Ausnutzung eines gegebenen Temperatur- oder Konzentrationsgefälles zu bezwecken.
Wesentlich am Gegenstromprinzip ist also, dass ein Stoff- und/oder Energieaustausch zwischen den beteiligten Stoffen erfolgen kann. Entweder geschieht dies durch räumliche Trennung (nur Energieaustausch) oder durch direktem Kontakt (Stoff- und Energieaustausch).
Schematische Darstellung des stofflichen Gegenstroms im Hochofen
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
Ein Angebot von