Alchemie – von der römischen Antike bis ins Mittelalter (0001-1500)

0001 n. Chr.
Beginn der sogenannten christlichen Zeitrechnung, die um 1000 in ganz Europa allgemein gebräuchlich wurde. Die Zeitrechnung erfolgte nach dem Julianischen Kalender, der 46 v. Chr. von JULIUS CAESAR im römischen Reich eingeführt wurde. Da das Jahr (365,25 Tage) im Julianischen Kalender um 11 Minuten und 14 Sekunden zu lang war, wurde er 1582 durch den bis heute gültigen Gregorianischen Kalender abgelöst.

2. Jh. v. Chr. bis 2. Jh. n. Chr.
Auf der Grundlage der Lehre von Yin und Yang entwickelte sich zuerst in China die Alchemie mit dem vorrangigen Ziel eine Universalmedizin für ewige Jugend herzustellen. Das ideale Gleichgewicht zwischen Yin und Yang wurde im Gold gesehen, sodass durch Mischen anderer Stoffe, z. B. Quecksilber und Schwefel, versucht wurde, Gold herzustellen. Die chinesischen Alchemisten erfanden chemische Gerätschaften wie Mörser und Pistill, Kolben aus Glas, einfache Schmelzöfen und Destillationsapparaturen. WEI-PO-YANG benutzte im 2. Jh. n. Chr. eine Geheimsprache, in der chemischen Substanzen erstmals Symbole oder Decknamen zugewiesen wurden, um Uneingeweihten das Experimentieren zu erschweren. Medizin und Arzneikunde standen in China in hohem Ansehen.

1. Jh. n. Chr.
Wissenschaft und Kultur des römischen Reiches wurden von griechischen und orientalischen Einflüssen bereichert. Viele wissenschaftliche Veröffentlichungen wurden in der neuen einheitlichen Amtssprache Latein verfasst.

Die Römer nutzten viele anorganische Oxide und Sulfide von Eisen, Blei, Kupfer und anderen Metallen als Farbmittel (Pigmente). Neben Indigo, Krapp (Alizarin), Henna wurden viele andere natürliche organische Farbstoffe zur Textilfärbung eingesetzt. Alaun (Kaliumaluminiumsulfat) dient zum Gerben von Leder und neben anderen Chemikalien (Quecksilber, Natron, Schwefel) auch zu medizinischen Zwecken. In Gebrauch waren auch andere Salze, wie z. B. Kochsalz (Natriumchlorid) und Vitriol (Kupfersulfat).

Metallurgie und Glasherstellung standen in hoher Blüte. Gips (Calciumsulfat-Dihydrat) und Kalkstein (Calciumcarbonat) waren gebräuchliche Baustoffe. Man wusste sogar, dass gebrannter Kalk in Ätzkalk übergeht und zum Neutralisieren sauren Weins genutzt werden kann. Ein besonderer Baustoff war römischer Beton (Opus caementitium), dessen enorme Festigkeit die Errichtung des Colosseums, des Pantheons und der vielen Wasserleitungen (Äquadukte) und Zisternen römischer Städte ermöglichte. Opus caementitium ist eine Mischung aus gebranntem Kalk, Sand, Steinen und Wasser, die nach dem Erhärten die Materialnormen des heutigen Betons erfüllt.

Olivenöl war ein wichtiger chemischer Rohstoff und diente neben Wasser und Essig als Lösungsmittel. In einfachen Destillationsapparaturen wurden Öle und Duftstoffe gewonnen. Germanen und Gallier stellten aus Fett und Buchenholzasche Seifen her.

um 105 n. Chr.
Der kaiserliche Verwalter TSAI LUN erfand in China das Papier. Durch Stampfen von gekochter Maulbeerrinde mit Hanf und alten Fischernetzen in Wasser entstand eine breiige Masse, die er mit Bambusmatten abschöpfte und auf Steinen trocknete. Die Papierherstellung wurde von den Chinesen jedoch lange Zeit geheim gehalten und gelangte erst viel später nach Europa, wo sie nur geringfügig modifiziert wurde.

1. bis 2. Jh. n. Chr.
In dieser Zeit wurde die Alchemie durch die vermutlich in Alexandria lebende MARIA („Die Jüdin“) geprägt. Sie suchte wie viele andere erfolglos nach einer Methode zur Herstellung von Gold.
Ihr bekanntestes Werk ist die „Maria Practica“, die von vielen anderen Alchemisten zitiert und ergänzt wurde. Die erste und lange Zeit einzige bekannte Chemikerin erfand neue chemische Geräte wie das Wasserbad, die Phiole, eine „Kerotakis“ genannte Heizplatte sowie verschiedene Destillationsgeräte. Sie benutzte Fette oder Wachse zum Abdichten ihrer Apparaturen.
Die Umwandlung unedler Metalle in Gold und Silber wurde das Hauptziel der Alchemisten, die ihre Kunst aus vielen Gründen geheim hielten. Anders als die griechischen Naturphilosophen versuchten sie jedoch, ihr Wissen durch experimentelle Arbeiten zu erweitern und führten praktische Versuche durch.

um 160 n. Chr.
Der griechische Gladiatorenarzt CLAUDIUS GALEN (130-200 n. Chr.), auch GALENUS VON PERGAMON genannt, veröffentlichte über 400 Schriften zur Medizin, Philosophie und Ethik. Seine Lehren beruhen auf anatomischen Studien und Tiersektionen bei Schweinen und Berberaffen und auf den Erkenntnissen der alexandrinischen Medizin. Sein ganzheitliches System der Medizin war bis ins 17. Jahrhundert hinein vorherrschende Lehrmeinung der Ärzte.

300 bis 400 n. Chr.
Der hohe Gewinn, der durch den Handel mit Edelmetallen, Edelsteinen und Farbstoffen zu erzielen war, spornte ehrliche Alchemisten und Fälscher gleichermaßen an, diese Stoffe aus billigeren Materialien herzustellen. Ein Autor, der sich „Demokrit“ nannte, gab detaillierte Anweisungen zum Fälschen von Gold, Smaragd und Purpur. Die Metallfälscherei nahm dermaßen überhand, dass Kaiser DIOKLETIAN im 3. Jh. alle Bücher, die sich mit „chemischen Umwandlungen“ beschäftigten, verbrennen und Falschmünzer hinrichten ließ.
Die Alchemie war eine geheimnisumwitterte, mystische Kunst, das Experimentieren wurde immer mehr durch unwissenschaftliches Spekulieren und „Magie“ verdrängt. So konnte z. B. nach Ansicht des ZOSIMOS die Umwandlung der Metalle nur mithilfe „geistiger Kräfte“ und der „Urmaterie“ erfolgen.

395 n. Chr.
Teilung des römischen Reichs in das Weströmische und Oströmische Reich. Während das Weströmische Reich 476 unterging, bestand das Oströmische bzw. Byzantinische Reich noch über 1 000 Jahre und durchlebte als Bewahrer der antiken römischen und griechischen Kultur eine wechselvolle Geschichte mit glanzvollen Höhen (800-1071) und Tiefen bis zu seiner Eroberung durch die Osmanen.

400 bis 600 n. Chr.
In der Zeit der Völkerwanderung fanden unzählige Kriege statt. Der christliche Glaube war Staatsreligion im byzantinischen Reich und eroberte Europa. In diesen stürmischen Zeiten entwickelten sich die Wissenschaften kaum, viele Erkenntnisse gerieten in Vergessenheit.

um 600 n. Chr.
In China wurde gegen Ende des 6. Jahrhunderts erstmals Porzellan durch Brennen eines Gemischs aus Silicaten (Kaolin und Feldspat) und Siliciumdioxid (Quarzsand) hergestellt.

668 n. Chr.
„Griechisches Feuer“, ein Gemisch leicht entzündlicher organischer Stoffe, wurde erstmals als Waffe verwendet.

700 bis 900 n. Chr.
Perser und Araber eroberten Südwestasien und Nordafrika und wurden so unmittelbare Nachbarn des europäischen Kontinents. Sie entdeckten die Arbeiten von ARISTOTELES, GALEN und die Schriften der Alchemisten und übersetzten diese ins Arabische. Bagdad, Buchara und Isfahan waren die wissenschaftlichen Hochburgen dieser Zeit.
Im „Buch der Ursachen“ wurden den 7 Metallen die Symbole der 7 Planeten zugeordnet und die Salze in Vitriole, Alaune und Borate unterteilt. Die arabischen Alchemisten lehrten, dass die Metalle aus den vier Elementen über die Zwischenstufen Schwefel und Quecksilber hervorgehen (Schwefel-Quecksilber-Theorie). Schwefel wurde als Vater der Metalle und als Prinzip der Brennbarkeit, jedoch nicht als reines Element betrachtet.

um 750 n. Chr.
Durch chinesische Gefangene gelangte die Kunst der Papierherstellung in den Orient. 752 wurde in Samarkand die erste Papiermanufaktur außerhalb Chinas errichtet.

850 bis 1100 n. Chr.
Die arabischen Gelehrten schälten zunehmend den naturphilosophischen und den auf experimentellen Erkenntnissen beruhenden Kern der Alchemie und Medizin heraus. Der Arzt und Philosoph AR-RAZI beschreibt in „Geheimnis der Geheimnisse“ die damals bekannten Stoffe und chemischen Geräte sowie deren Nutzung. Neben den Metallen kannte man die Steine (Mineralien, Glas) und viele Salze, darunter auch Salmiak (Ammoniumchlorid) und „Qali“ (Kaliumcarbonat). Auch wenn das Ziel der Alchemie die Verwandlung der Metalle in Silber und Gold blieb, empfahl AR-RAZI jedoch nicht mehr Magie und Zauberei zu ihrer Herstellung, sondern detaillierte chemische Präparationsverfahren.
Auch andere Mediziner beförderten die Entwicklung der Naturwissenschaften. Der berühmte Arzt ABU-ALI AL-HUSAYN IBN-SINA, der allgemein unter dem Namen AVICENNA (980-1037) bekannt ist, schrieb den „Kanon der Medizin“. Seine Arzneivorschriften beruhen vielfach auf tropischen Drogen (Aloe, Mastix, Campfer, Moschus). Seine Zuckerpräparate wurden bis in die Neuzeit hinein verwendet.
Neue Destillationstechniken zur Herstellung von Duftstoffen wurden vom Alchemisten AL-KINDI entwickelt.

um 900 n. Chr.
Eine Mischung aus Honig, Salpeter (Kaliumnitrat) und Schwefel wurde als „chinesisches Feuer“ in kriegerischen Auseinandersetzungen genutzt.
In Europa wurden chemische Kenntnisse in dieser Zeit nur in einigen wenigen Klöstern bewahrt. Der Bergbau und die Metallgewinnung blieben auf wenige Regionen begrenzt.

1000-1200
Über Spanien und Sizilien gelangten die Kenntnisse der arabischen Gelehrten nach Europa. In Übersetzerschulen wurden auch die Schriften der Alchemisten ins Lateinische übersetzt. Mit der Gründung der ersten Universitäten verbreitete sich die Lehre der Alchemie über den gesamten Kontinent, obwohl dort zunächst Theologie und Geisteswissenschaften gelehrt wurden. Allerdings verlief die wissenschaftliche Entwicklung zur Zeit der Inquisition nur außerordentlich langsam.
Bergbau und Metallgewinnung erfuhren an Bedeutung. Durch die Konstruktion von Wassermühlen und Pumpen war auch die Förderung unter Tage möglich. In Deutschland wurden Kohle, Zinn, Silber und andere Metalle abgebaut.

1119
Gründung der ersten europäischen Universität zu Bologna (Italien)

um 1155
Destillation von reinem Alkohol aus Wein in einem Kloster in Süditalien. Schon im 13. Jh. wurde der Stoff als aqua vitae zu medizinischen Zwecken eingesetzt.

ab 1230
Der deutsche Universalgelehrte ALBERTUS MAGNUS (1206-1280) wollte das Wissen seiner Zeit (Theologie, Philosophie, Medizin und Naturwissenschaft) vollständig systematisch darstellen. Als Anhänger der Lehren von ARISTOTELES versuchte er, dessen naturphilosophische Denkweisen mit dem christlichen Glauben zu vereinbaren. Aus chemischer Sicht sind unter seinen bahnbrechenden Werken die ausführlichen Beschreibungen der mitteleuropäischen Flora sowie die Darstellung der Mineralien und Gesteinskunde von besonderer Bedeutung.

Der italienische Mönch THOMAS VON AQUIN (ca. 1225-1274), vollendete das Werk seines Lehrers ALBERTUS MAGNUS. Er löste die Gegensätze zwischen Philosophen und Theologen seiner Zeit mit der Erklärung, dass der menschliche Verstand eine Schöpfung Gottes sei und deshalb dessen Benutzung – also das richtige Denken – niemals zu Erkenntnissen führen könne, die im Widerspruch zum christlichen Glauben ständen. Dieser eindeutig rationalistische Standpunkt war eine Voraussetzung für die Erneuerung des Rationalismus.

um 1250
Im 13. Jh. veröffentlichte ein unter dem Namen GEBER schreibender Gelehrter eine Reihe von lateinischen Schriften. Darin berichtete er umfassend über Materialien, Methoden und Lehren der Alchemie des frühen Mittelalters, mit deren Hilfe unedle Stoffe in Edelmetalle umgewandelt werden sollten.
GEBER beschrieb die Anfänge der chemischen Analytik, mit denen die damals bekannten Metalle z. B. durch Glühen an Luft oder durch Erhitzen mit Schwefel voneinander unterschieden werden konnten. Außerdem gilt GEBER als Entdecker der Mineralsäuren Schwefelsäure und Salpetersäure. Erstere gewann er durch „Destillation“ aus den Salzen Alaun und Vitriol, zweitere, indem er dem Salzgemisch noch Salpeter (Kaliumnitrat) zusetzte.

1276
In Fabriano (Italien) entstand die erste Papiermühle Europas. Die Papierherstellung wurde immer weiter perfektioniert und das Pergament als Beschreibstoff schnell abgelöst.

um 1380
„Erfindung“ des Schießpulvers durch den Freiburger Mönch BERTOLD SCHWARZ. Das Schwarzpulver besteht aus Holzkohle, Schwefel und Salpeter und stellt somit nur eine geringe Abwandlung des „chinesischen Feuers“ dar.
In Deutschland begann dadurch inspiriert die chemische Salpeterfabrikation, wobei ein Teil des Produkts exportiert wurde.

1386
Gründung der ältesten deutschen Universität in Heidelberg.

um 1435
JOHANN GUTENBERG (1397-1468) begann mit seinen Arbeiten zur Verbesserung der Drucktechnik. 1455 war die erste GUTENBERG-Bibel fertiggestellt und die Grundlage dafür geschaffen, das Wissen der Gelehrten preiswert und einfach zu vervielfältigen und in Büchern zu verbreiten.

Ende des 15. Jahrhunderts
Gegen Ende des Mittelalters war Deutschland das wichtigste Eisenland und verfügte über reiche Kupfer- und Silbervorkommen. Die deutsche Bergbautechnik wurde auch in andere Länder exportiert.
Auch die Technologie des Salzsiedens, z. B. von Vitriol und Alaun, die Glasmacherei und die Branntweinbrennerei waren hoch entwickelt. CHRISTOPH COLUMBUS entdeckte 1492 Amerika und VASCO DA GAMA segelte nach Indien. Durch diese großartigen Entdeckungen und astronomische Beobachtungen von NIKOLAUS KOPERNIKUS geriet das geozentrische Weltbild ins Wanken und der Fortschritt war auch von der Inquisition nicht mehr aufzuhalten.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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