Es war die Zeit der großen Forschungsreisen, aus aller Welt wurden neu entdeckte Pflanzen und Tiere nach Europa gebracht. THEODOR SCHWANN ist in einer politisch unruhigen Zeit aufgewachsen, NAPOLEON BONAPARTE (1769 – 1821) besetzte Preußen, bald darauf folgten die Befreiungskriege und viele revolutionäre Unruhen erschütterten die Länder Europas. Das Bildungsbürgertum wuchs und setzte sich mehr und mehr gegen die monarchisch-absolutistischen Herrschaften und den Klerus durch. Die romantischen Geisteswissenschaften wurden vom Realismus abgelöst.
Auch in den Naturwissenschaften kam es mit CHARLES DARWINs (1809 – 1882) Abstammungslehre zu einem revolutionären Umschwung. GREGOR MENDELs (1822 – 1884) Vererbungslehre trug ebenso seinen Teil dazu bei, obwohl dessen Bedeutung erst später richtig erkannt und honoriert wurde, nachdem man die Grundprinzipien der Entwicklung des Lebens zu begreifen lernte. Dazu musste erst der Grundbaustein des Lebens – die Zelle – entdeckt und verstanden werden. Die Entwicklung und ständige Verbesserung der Mikroskope waren ein wichtiges Hilfsmittel für neue Erkenntnisse im zellulären Bereich. SCHWANN konnte mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten ebenfalls viel dazu beitragen.
Werdegang
Als Sohn eines Goldschmiedes und späteren Gründers des SCHWANN-Verlages wurde THEODOR SCHWANN am 7. Dezember 1810 in Neuss bei Köln geboren. Sein Abitur beschloss er 1829 in Köln mit der Gesamtnote „Eins“ (und das bei 30 Unterrichtsfächern). In den dazugehörigen Bemerkungen wurde er als vorbildlicher, fleißiger Schüler gelobt, der mit seinen Mitschülern wie auch mit Lehrgegenständen sorgsam und liebevoll umginge. Er zeige zudem eine Vorliebe für Mathematik und die Naturwissenschaften, was zu großen Hoffnungen veranlasse.
Nach dem Abitur begann er 1829 mit dem Studium der Medizin, erst in Bonn, dann in Würzburg und später in Berlin. An der heutigen Humboldt-Universität in Berlin traf er mit MATTHIAS SCHLEIDEN (1804 – 1881) und RUDOLF VIRCHOW (1821 – 1902) zusammen, die wie er Schüler des bekannten Physiologen JOHANNES PETER MÜLLER (1801 – 1858) waren, der die Naturwissenschaft damals aus der spekulativen Romantik heraus zu einer exakten Wissenschaft führte. Sie arbeiteten auch später noch zusammen und ergänzten sich sehr gut.
Nach seiner Promotion und Habilitation arbeitete SCHWANN von 1834 – 1839 weiterhin als Assistent bei seinem Professor. In dieser Zeit konnte er neben mikroskopisch-anatomischen Erforschungen an Muskeln und Nerven, sowie der Entdeckung des Pepsins (1836) auch seine wohl bedeutendste Erkenntnis nachweisen und formulieren – seine Zellenlehre (1839). SCHWANN arbeitete auch hervorragend als Feinmechaniker, mit seinen geschickten Händen, die er wohl von seinem Vater geerbt hatte, konnte er sich viele Hilfsmittel selbst herstellen und vor allem seine Mikroskope so verbessern, dass sie für seine Zwecke geeignet waren. 1839 wurde er als ordentlicher Professor der Medizin an die Universität Löwen in Belgien berufen. Er lehrte vor allem Anatomie, Physiologie und Embryologie. Dort arbeitete er hauptsächlich an der Aufklärung der Verdauung, der Gärung und der Fermentation. Auf ihn geht die Benennung der Bierhefe Saccaromyces cerevisiae zurück. SCHWANN nannte diese Hefe ursprünglich „ Zuckerpilz“ . (Saccharose – ein Zucker, Myces – Pilz).
1849 wechselte er nach Lüttich und war 1850 – 1863 Dekan an der dortigen Universität. Von 1852 – 1878 forschte er u. a. an der Entwicklung von Atemschutzgeräten für Bergwerke. Anlass war ein schweres Unglück in einem Bergwerk in Belgien. Auf der ersten Weltausstellung in Paris (1878) führte er sein Rettungsgerät „zur Arbeit in irrespirabler Luft“ erfolgreich vor und bekam eine Goldmedaille. Dieser Gerätetyp wird heute noch weltweit genutzt.
Zu seiner Emeritierung 1879 wurde er mit zahlreichen Ehrendoktorwürden und anderen Ehrungen ausgezeichnet. SCHWANN hielt noch einige Jahre Vorlesungen. Als er 1881 seinen Bruder in Köln besuchte erkrankte er schwer und starb am 11. Januar 1882.
SCHWANN war ein Meister der Mikroskopie, er arbeitete an der Entwicklung der Chorda dorsalis von Kaulquappen und untersuchte die verschiedensten Gewebe. In seiner Veröffentlichung „Mikroskopische Untersuchungen über die Übereinstimmung in der Struktur und dem Wachstum der Thiere und Pflanzen“ (1839) beschrieb er Zellstrukturen bei tierischen Zellen, ähnlich wie sie MATTHIAS SCHLEIDEN bei Planzen gesehen hatte. Er erweiterte SCHLEIDENs Zellenlehre auch auf tierische Organismen und postulierte, dass alles Leben auf Zellen aufgebaut ist. Er nahm die Möglichkeit an, dass sich neue Zellen aus formlosem zellfreiem Keimgewebe bilden können, analog der Kristallisation. Diese Annahme ähnelt noch sehr dem damaligen weitverbreiteten Konzepts der „generatio spontanea“, nach dem Organismen aus toter Materie entstehen können.
Zusammen mit SCHLEIDEN erkannten SCHWANN jedoch, dass es einzellige und vielzellige Organismen gibt. Sie beschrieben Membranen, Zellkörper und Zellkerne als gemeinsame Merkmale von pflanzlichen und tierischen Zellen und erkannten, dass Gewebe jeweils aus einer bestimmten Art von Zellen bestehen. Diese Entdeckung, die von RUDOLF VIRCHOW in seiner Zellular-Pathologie weitergeführt wurde, war ein großer Meilenstein in der wissenschaftlichen Forschung der Zellbiologie.
Während seiner Forschungen an Muskeln und Nerven im Bereich des peripheren Nervensystems entdeckte SCHWANN eine um die Axone von Nervenzellen gelagerte Schicht. Die Zellen dieser Isolierschicht werden SCHWANNsche Zellen genannt. Heute weiß man, dass die Funktion dieser Myelinscheide im Schutz und in der Ernährung des Axons besteht und eine schnellere Weiterleitung der Erregung ermöglicht. LOUIS ANTE (Louis-Antoine) RANVIER (1835 – 1922) erkannte später, dass die Einschnürrungen (RANVIERscher Schnürring) zwischen den SCHWANNschen Zellen der schnelleren Weiterleitung der Aktionspotenziale dient, indem diese von Schnürring zu Schnürring springen. Bei seinen Untersuchungen an der Magenschleimhaut entdeckte SCHWANN ein wichtiges Verdauungsenzym, das Pepsin (1836). Pepsin war das erste Enzym dass aus tierischem Gewebe isoliert wurde.
1837 konnte SCHWANN zeigen das etwas in der Luft ist, was Fäulnis bewirkt und durch Hitze zerstört wird. Er wusste genau, dass es nicht die Luft selbst ist. Diese Erkenntnis griff LOUIS PASTEUR (1822 – 1895) auf und bewies später (1863), dass dieses „Etwas“ Mikroorganismen sind, die durch Hitze abgetötet werden können.
Bis ins frühe 19. Jahrhundert ging man davon aus, dass die Hefe kein Lebewesen ist, deshalb beschäftigten sich auch fast ausschließlich Chemiker mit dem Phänomen der Gärung. Noch A. L. LAVOISIER (1743 – 1794), der Begründer der modernen Chemie bezeichnete die Gärung als ein „extraordinäres Ding in der Chemie“. SCHWANN jedoch erkannte früh, dass es sich bei der Hefe um einen lebenden, pflanzenähnlichen Organismus handelt und zwar um einen einzelligen Pilz. Er war der erste, der die Zucker- und Stärke-Gärung als einen biologischen Prozess erkannte.
SCHWANN prägte den Begriff „Metabolismus“ für chemische Veränderung in lebenden Geweben. Des Weiteren formulierte er die Grundprinzipien der Embryologie, er stellte sich das Ei als eine Einzelzelle vor, die zu einem kompletten Organismus auswachsen kann.
Aufbau eines Neurons
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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