Rote Liste

Das Artensterben ist nicht erst seit kurzer Zeit bekannt, sondern fand immer dann in der Evolutionsgeschichte statt, wenn eine Art sich nicht schnell und gut genug an veränderte Umweltverhältnisse anpassen konnte. Nur Arten, die sich in die veränderte Umwelt integrieren, können überleben und sich vermehren. Doch auch durch die natürliche Selektion untereinander sterben Arten aus. Man spricht bei diesen zwei Faktoren vom natürlichen Verschwinden einer Art.

Sobald jedoch der Mensch in diese natürlichen Lebensräume direkt oder indirekt eingreift, sind Pflanzen und Tiere in ihrem Erhalt bedroht. Seit dem wir Ökosysteme verändern, nehmen die Artenzahlen 1000 - 10000-mal schneller ab als vor unserer Einmischung.

Für Deutschland lässt sich so zum Beispiel feststellen, dass jedes Jahr durchschnittlich eine Pflanzen- und Tierart verschwindet.

Deshalb werden von der Weltnaturschutzorganisation (IUCN) die „Red Data Books“ herausgegeben. In ihnen sind die vom Aussterben bedrohten Pflanzenarten und Tierarten vermerkt. Viele Länder geben parallel dazu ihre eigenen entsprechenden Veröffentlichungen heraus, die sich immer auf einen bestimmten Raum, Naturraum, Landkreis und auf ein spezielles Bundesland beziehen. In Deutschland sind es die sogenannten Roten Listen. Der Schwerpunkt dieser Listen liegt auf der Einordnung der Arten in bestimmte Kategorien nach Kriterien des Grades ihrer Gefährdung. Diese Kriterien sind auch für Deutschland aus den international verwendeten IUCN-Kriterien heraus entwickelt worden. Damit sind die aktuellen Roten Listen für Tiere und Pflanzen in Deutschland international vergleichbar.

In diesen Listen sind Verzeichnisse aller bekannten ausgestorbenen, verschollenen und gefährdeten Pflanzen- und Tierarten, Pflanzengesellschaften, Biotoptypen, Biotopkomplexen und Landschaften aufgelistet. Sie stellen den aktuellen Erhaltungszustand der biologischen Vielfalt mittels Zuordnung zu bestimmten Gefährdungskategorien dar. Hintergrund der Erstellung von Roten Listen ist die in den letzten Jahrzehnten ungewöhnlich starke Beeinträchtigung der Natur und der unübersehbare Rückgang von Arten und natürlichen bzw. naturnahen Lebensräumen.

Die Roten Listen dienen Naturschützern, Planern und Behörden als Entscheidungsgrundlage und sind heute nicht mehr aus der Naturschutzarbeit, der Umweltpolitik und dem Bewusstsein des interessierten Bürgers wegzudenken.

Der Sinn der Roten Listen besteht also darin, dass die Öffentlichkeit, Politiker und Behörden über den aktuellen Stand der Gefährdung der deutschen Flora und Fauna informiert werden. Gleichzeitig bilden sie die Grundlage für Artenschutzprogramme (Wie kann das Artensterben verlangsamt oder sogar gestoppt werden?). Solche Programme rufen die Bevölkerung dazu auf, aktiv zu werden und sich zum Beispiel gegen den Pelzmantelverkauf, die Abholzung des Regenwaldes oder die Umbettung eines Flussbettes zu wehren.

Sie dienen vor allem

  • der Information der Öffentlichkeit und der zuständigen nationalen und internationalen Behörden und Gremien über die Gefährdung der biologischen Vielfalt,
  • dem wirksamen Schutz von Gebieten, in denen gefährdete Arten und Pflanzengesellschaften vorkommen,
  • als Entscheidungshilfe für Naturschutzbehörden bei der Ausweisung und Bewahrung von Schutzgebieten,
  • als Entscheidungshilfe für alle Institutionen der Landschaftsplanung, des Naturschutzes, der Jagd und der Fischerei,
  • als Anregung an alle Fachleute, sich an der Erhaltung der biologischen Vielfalt zu beteiligen,
  • als Aufforderung an alle Bildungsstätten, die Vermittlung von Wissen über die Bedrohung von Fauna, Flora und Lebensräumen zu verstärken und
  • als Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur Erstellung europäischer und weltweiter Listen gefährdeter Arten.

In diesen Listen werden die bedrohten Arten in verschiedene Gefährdungsstufen eingeteilt:

0: ausgestorbene oder verschollene Arten
Hierbei handelt es sich um Arten, die bereits ausgestorben sind oder früher einmal in Deutschland vorkamen, aber deren Existenz seit zehn Jahren nicht mehr nachweisbar ist.
Zum Beispiel: der Auerochse

1: vom Aussterben bedrohte Arten
Hierzu zählen alle Arten, deren Anzahl stark zurückgegangen ist.
Zum Beispiel: der Otter

2: stark gefährdete Arten
Die Bestände dieser Arten gehen im einheimischen Gebiet zurück.
Zum Beispiel: die Wildkatze

3: gefährdete Arten
Diese Arten sind in ihrem Bestand regional gering und sie gehen vor Ort zurück oder sind mancherorts sogar schon verschwunden.
Zum Beispiel: der Iltis

R: extrem seltene Arten und Arten mit geografischer Beschränkung
Diese Arten waren schon immer selten und lokal nicht oft vorkommend. Bei ihnen ist kein merklicher Rückgang und keine Gefährdung bemerkbar. Die in Deutschland geringen Vorkommen können aber ganz plötzlich minimiert oder ausgerottet werden.

Nicht in den Roten Listen erfasst sind die Kategorien:

V: Arten der Vorwarnliste
Solche Arten sind noch nicht gefährdet, werden es aber innerhalb der nächsten zehn Jahre sein, wenn keine Veränderung eintritt.

G: Gefährdung ist anzunehmen, aber der Status dieser ist noch unbekannt
Arten, die diesem Status entsprechen, sind nicht mit denen über sie bekannten Informationen in die Stufen 1-3 einzuordnen.

D: Einstufung ist nicht ausreichend
Zur Einstufung dieser Arten fehlen wichtige Daten. Eine Einordnung ist daher nicht möglich.

Die erste Rote Liste für die Bundesrepublik Deutschland wurde im Jahr 1977 von J. BLAB herausgegeben. Heute werden die Roten Listen im Auftrag von der Bundesregierung für gefährdete Pflanzen- und Tierarten in Deutschland erstellt und durch Landeslisten der einzelnen Bundesländer ergänzt.

Alle sieben bis zehn Jahre werden die Bestände der Pflanzen- und Tierarten überprüft, um Art und Ausmaß ihrer Gefährdung zu ermitteln. Seit Dezember 2019 gibt es eine "Artensuchmaschine", mit der der Gefährdungsstatus von rund 30.000 Tieren, Pflanzen und Pilzen kostenlos und zuverlässig online abrufbar ist. Sie wurde vom Rote-Liste-Zentrum im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz entwickelt und greift auf die Daten der bundesweiten Rote-Liste-Publikationen zu.

Rote Listen im europäischen Vergleich

Auch aus anderen Staaten Europas liegen Rote Listen vor, in denen die Gefährdungssituation von Tieren bewertet wird. Am Beispiel der Säugetiere den Anteil der gefährdeten und ausgestorbenen bzw. verschollenen Arten am Gesamtartenbestand der einzelnen europäischen Staaten dar. Einen hohen Anteil an gefährdeten Arten weist besonders das Zentrum Europas auf. Dafür sind vor allem die hohe Siedlungsdichte, die engmaschige Verkehrsinfrastruktur und die großflächige intensive land- und forstwirtschaftliche Nutzung verantwortlich. Die prognostizierten Zunahmen des Verkehrsaufkommens und des Flächenverbrauchs für Siedlung, Verkehr und Industrie lassen eine Verschärfung erwarten.

Aufgrund erdgeschichtlicher, klimatischer, geografischer und nutzungsbedingter Faktoren hat jede Pflanzenart ihr spezifisches Verbreitungsgebiet (Areal). Innerhalb dieses Areals kommen die Arten entsprechend den lokalen Lebensbedingungen nach Individuenmenge und -häufung unterschiedlich verteilt vor. Bestandsgefährdende Faktoren wirken sich nicht immer im gesamten Verbreitungsgebiet gleichmäßig aus. Daher ist die Gefährdungssituation vieler Arten regional sehr unterschiedlich. Seit Anfang der Siebziger Jahre sind in fast allen mitteleuropäischen Ländern Rote Listen gefährdeter Farn- und Blütenpflanzen erschienen. Wegen der Verwendung unterschiedlicher Kategorien, aber vor allem wegen einer sehr unterschiedlichen Interpretation der Definitionen einiger Kategorien sind die einzelnen Roten Listen nur bedingt miteinander vergleichbar. Trotzdem ist eine Tendenz klar erkennbar: Einen sehr hohen Anteil an Rote-Liste-Arten weisen mit 24-45 % des Artenbestandes die dichtbesiedelten Länder Mitteleuropas mit ausgeprägter Verkehrsinfrastruktur, hohem Anteil besiedelter Fläche und intensiver Landwirtschaft auf. In den skandinavischen und osteuropäischen Ländern ist die Situation etwas günstiger.

(Textauszüge und Grafiken vom Bundesamt für Naturschutz (BfN), Daten zur Natur 1999)

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