- Lexikon
- Biologie
- 4 Ausgewählte Lebensprozesse
- 4.3 Fortpflanzung, Individualentwicklung und Wachstum
- 4.3.2 Die Individualentwicklung
- Mensch, Individualentwicklung
Die Entwicklung der befruchteten Eizelle bis zum geburtsreifen Kind im Bauch der Mutter nennt man Schwangerschaft. Sie dauert von der letzten Menstruation gerechnet etwa 9 Monate. Die befruchtete Eizelle beginnt bereits auf ihrem Weg durch den Eileiter in die Gebärmutter sich zu teilen. Es entsteht ein Zellhaufen und daraus ein Bläschen mit einer winzigen Keimlingsanlage im Inneren. Dieses Keimbläschen nistet sich nach 7 bis 10 Tagen in die Gebärmutter ein.
In den folgenden Wochen entwickelt sich aus der Keimlingsanlage der Embryo und aus der Hüllschicht der Keimblase, die mit ihren feinen Zotten in die Gebärmutterschleimhaut hineinwächst, der sogenannte Mutterkuchen (Plazenta). Das ist ein spezielles Organ, durch welches im Verlauf der Schwangerschaft das Kind mit Sauerstoff und Nahrung versorgt wird.
Im Alter von 6 Wochen ist der Embryo knapp 2 cm groß, die Hälfte davon macht der Kopf aus. Äußerlich sind bereits die Ansätze von Armen und Beinen, Augen- und Gehöranlagen erkennbar. Innerlich haben sich Anfänge für einen Magen-Darm-Kanal und ein einfaches schlauchförmiges Herz entwickelt, das bereits regelmäßige Pumpbewegungen ausführt.
Im 3. Monat sind in dem ca. 8 cm langen und 30 g schweren Embryo praktisch alle wichtigen Organe angelegt, wenn sie auch noch nicht voll funktionieren. Die menschliche Gestalt ist jetzt schon deutlicher ausgeprägt. Die Nabelschnur führt zum Mutterkuchen. Man kann auch einige größere Blutgefäße sehen, die den Embryo mit dem Mutterkuchen verbinden.
Der vier Monate alte Keimling (nun Fetus genannt) ist schon etwa 20 cm groß und ca. 150 g schwer. Kopfhaare, Finger- und Zehennägel wachsen bereits. Die Mutter spürt etwa in dieser Zeit zum ersten Mal Bewegungen des Kindes in ihrem Bauch. Die Muskeln sind also schon entwickelt und allmählich verknöchert auch das Skelett. Mit einem Stethoskop kann der Arzt die Herztöne des Kindes abhören. Genauere Informationen über Lage und Größe des Kindes, die Bewegungen der Gliedmaßen und die Herztätigkeit vermitteln Untersuchungen mit dem Ultraschallgerät. Damit lässt sich auch feststellen, ob Zwillinge unterwegs sind oder, ab dem 6. Monat, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist.
Am Ende des 7. Monats ist das Kind etwa 35 cm groß und 1 300 g schwer. Zu diesem Zeitpunkt ist seine Organentwicklung so weit fortgeschritten, dass Chancen bestehen, es bei einer vorzeitigen Geburt (Frühgeburt) durch spezielle Pflegemaßnahmen am Leben zu erhalten.
In den letzten beiden Monaten bis zur normalen Geburt erfolgt die weitere „Ausreifung“ des Kindes. Es bilden sich Fettpolster in der Haut; die Körperformen runden sich. Das Kind nimmt an Größe, Gewicht und Körperkraft weiter zu; am Ende der Schwangerschaft ist es 50–52 cm lang und 2 800 bis 3 400 g schwer. Es hat nun auch seine spätere Geburtslage in der Gebärmutter eingenommen; das ist in der Regel mit dem Kopf nach unten.
Während der gesamten Schwangerschaft liegt das sich entwickelnde Kind gut geschützt in der mit Fruchtwasser gefüllten Fruchtblase. Durch die Nabelschnur ist es mit dem Mutterkuchen verbunden. Über die Poren von Kapillaren und die Hohlräume im Mutterkuchen findet zwischen Mutter und Kind ein reger Stoffaustausch statt.
Aus dem Blut der Mutter gehen Sauerstoff und Nährstoffe in das Blut des Kindes über. Umgekehrt werden Kohlenstoffdioxid und weitere Stoffwechselendprodukte aus dem Blut des Kindes in das der Mutter abgegeben.
Über den Mutterkuchen gelangen auch Hormone und Antikörper in den Organismus des heranwachsenden Kindes. Auf dem gleichen Wege können aber auch schädliche Stoffe wie Alkohol, Nikotin, Medikamente oder Drogen sowie Krankheitserreger in den kindlichen Kreislauf gelangen.
Im Verlauf der Schwangerschaft gibt es sogenannte „sensible Phasen“, in denen das heranwachsende Kind besonders empfindlich gegenüber schädlichen Stoffen, Infektionen und anderen Einwirkungen ist. Das sind vor allem die ersten drei Schwangerschaftsmonate, wenn sich beim Kind die Organe ausbilden.
Solche schädigenden Einflüsse können u. a. sein:
Die Schwangerschaft bewirkt große Veränderungen im Körper der Frau, die ihren Organismus stärker belasten und auch allgemeine Beschwerden verursachen können.
In den ersten Schwangerschaftsmonaten leiden viele Frauen unter Übelkeit und Brechreiz. In den letzten Monaten bereiten der stark vergrößerte Bauchumfang, die Gewichtszunahme und der Druck des Kindes in der bis zum Zwerchfell reichenden Gebärmutter der werdenden Mutter zunehmend Beschwerden. Sie wird schwerfälliger, die „Puste“ geht ihr schneller aus und sie muss häufiger Ruhepausen einlegen. Verständnis und Hilfe der Familienangehörigen sind hier dringend geboten!
Durch verantwortungsbewusste Lebensführung trägt die werdende Mutter zur gesunden Entwicklung ihres ungeborenen Kindes wesentlich bei. Das wird unterstützt durch staatliche Vorsorge- und Betreuungsmaßnahmen. Die werdende Mutter kann sich (auf Kosten der Krankenkassen) regelmäßig alle 2 Wochen untersuchen lassen. Dabei kommen moderne medizinische Geräte zum Einsatz, z. B. das Ultraschallgerät.
Die werdende Mutter kann an Kursen zur Geburtsvorbereitung teilnehmen. Ein guter Vorbereitungskurs berücksichtigt folgende Elemente: Atem- und Entspannungsübungen, Gymnastik und Gespräche. Die Schwangerschaftsgymnastik lockert den Körper, kräftigt den Rücken und stärkt den Beckenboden.
Der Beginn der Geburt zeigt sich durch Einsetzen der Wehen an, das sind Kontraktionen der Gebärmuttermuskulatur. Sie werden durch ein Hormon, das von der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) abgegeben wird, ausgelöst.
Die Geburt verläuft in 3 Phasen:
In der ersten Phase der Geburt (Eröffnungsphase) bereiten die zunächst in größeren Abständen eintretenden Eröffnungswehen den Geburtskanal für den Austritt des Kindes vor. Der Ausgang der Gebärmutter (Muttermund) öffnet sich und die in immer kürzeren Abständen wiederkehrenden Wehen drücken die Fruchtblase mit dem Kind langsam in Richtung Scheide. Dabei platzt sie und das Fruchtwasser fließt aus (Blasensprung).
In der zweiten Phase (Austreibungsphase) wird das Kind durch kräftigere Wehen, die von der Frau durch aktives Pressen mit ihrer Bauchmuskulatur unterstützt werden (Presswehen), in der Regel mit dem Kopf voran durch den inzwischen vollständig (8–10 cm) geöffneten Muttermund in den Scheidenkanal gedrückt.
Mit Unterstützung der Geburtshelfer (Hebammen, Schwestern und Ärzte) schieben sich der Kopf, die Schultern, der übrige Körper des Babys aus dem Bauch der Mutter, das Kind ist geboren.
Das Neugeborene hängt zunächst noch an der 0,5–1 m langen Nabelschnur, die anschließend abgebunden und durchtrennt wird.
Da das Kind nun nicht mehr über den Mutterkuchen mit Sauerstoff versorgt wird, reichert sich in seinem Blut Kohlenstoffdioxid an; dadurch wird sein Atemzentrum gereizt. Das Neugeborene fängt kräftig an zu schreien, füllt dabei seine Lunge mit Luft und beginnt, selbstständig zu atmen.
In der dritten Phase (Nachgeburtsphase) löst sich 5–30 Minuten nach der Geburt des Kindes der Mutterkuchen – da er funktionslos geworden ist – von der Gebärmutterwand ab und wird mit den Fruchthüllen und der anhängenden Nabelschnur ausgestoßen (Nachgeburt).
Der gesamte Geburtsvorgang dauert bei Erstgebärenden etwa 9 bis 14 Stunden; bei den nachfolgenden Geburten nur noch 4 bis 8 Stunden. Die Geburt sollte möglichst in einer Geburtsklinik erfolgen, weil dort moderne Geräte und gut ausgebildete Fachkräfte zur Verfügung stehen.
Beispielsweise werden mit dem Herzton-Wehenschreiber Dauer und Stärke der Wehen und der Herzschlag des Babys aufgezeichnet.
Geburten vor der 37. Schwangerschaftswoche werden als Frühgeburten bezeichnet. Die Überlebenschancen richten sich nach dem Reifegrad des Kindes. Frühgeborene müssen bei Unreife der Organe in einem Inkubator („Brutkasten“) aufgezogen, künstlich ernährt und manchmal auch beatmet werden.
Nach der Geburt finden große Veränderungen für das Baby statt. Atmungs-, Kreislauf- und Verdauungsorgane werden auf den eigenen Körper umgestellt.
Die nachgeburtliche Entwicklung ist die Entwicklung des Organismus von der Geburt bis zum Tode. Sie umfasst mehrere Entwicklungsabschnitte:
Diese erste Phase der nachgeburtlichen Entwicklung des Menschen umfasst das erste Lebensjahr, das Säuglingsalter. Das neugeborene Menschenkind ist (im Vergleich zu unseren tierischen Verwandten) eine lange Zeit hilflos und auf sorgsame Betreuung durch die Eltern angewiesen, weil es viele körperliche Grundtätigkeiten erst lernen muss. In den ersten Wochen nach der Geburt schläft das Baby 14–18 Stunden am Tag. Alle 3–4 Stunden braucht es Nahrung.
Am günstigsten ist das Stillen mit Muttermilch, denn diese enthält zugleich Abwehrstoffe gegen Krankheiten. Jede Mutter sollte deshalb mindestens 3 Monate stillen. Zusammen mit Pflegemaßnahmen, wie Windeln, Waschen und Baden, sowie anderen Formen liebevoller Kontaktaufnahme entsteht dadurch eine enge Mutter-Kind-Beziehung. Diese ist sehr wichtig für die gesunde Entwicklung des Babys.
Bis Ende 3. Monat: Heben des Kopfs, Festhalten von Gegenständen, Suchbewegungen der Augen, Lächeln, quietschende und gurrende Lautäußerungen; das Kind kann sich für kurze Zeit auf dem Unterarm abstützen und für wenigstens 1 Minute den Kopf hochhalten.
Bis Ende 6. Monat: Drehen aus der Rückenlage in die Bauchlage, gezielte Kopf- und Augenbewegungen, Erkennen von Personen; das Baby will nun unbedingt in die aufrechte Position und hilft beim Hochziehen zum Sitzen sehr aktiv mit.
Bis Ende 9. Monat: Kriechen und Sitzen, gezieltes Greifen nach Gegenständen, erste Aufstehversuche, Plappern von Silben; das Kind versucht, sich an Gegenständen hochzuziehen, und steht dann schon recht stabil mit voller Gewichtsübernahme.
Bis Ende 12. Monat: Gehen an einer Hand, selbstständiges Trinken, Versuchen mit dem Löffel zu essen, Sprechen erster sinnvoller Wörter in „Kindersprache“, Verstehen von Aufforderungen und Verboten; das Kind zieht sich selbstständig an Möbeln hoch und kann – wenn es sich festhält – in die Hocke gehen, um ein Spielzeug aufzuheben.
(2.–4. Lebensjahr)
Merkmale im Kleinkindalter sind Spielen mit Gegenständen und Geräten, später auch Nachahmungs- und Rollenspiele; Erlernen der Sprache, Beobachten und Untersuchen der Umwelt, beginnendes Fragen nach dem „Warum“.
(4.–6. Lebensjahr)
Kinder erweitern im Vorschulalter ihre sozialen Kontakte, lernen mit anderen in einer Gruppe zu spielen und gemeinsame Aktionen auszuführen. Wesentliche Erweiterung des Wortschatzes, Verse aufsagen, Lieder lernen.
Ab dem 6. Lebensjahr vollzieht sich bei Mädchen und Jungen der erste Gestaltwandel. Er äußert sich u. a. in betontem Streckungswachstum mit Verlängerung der Arme und Beine, in einer deutlicheren Gliederung des Rumpfs in Brust und Bauch (Taillenbildung) sowie in der Kräftigung der Muskulatur. Die Bewegungen des Körpers werden zielgerichteter und flüssiger. Auch die geistige Entwicklung der Kinder geht weiter voran: Die Sprache wird bewusster gestaltet und verfeinert. Das kausale und abstrakt-logische Denken bilden sich heraus. Im Verlauf des Schulalters erfolgt auch der Wechsel vom Milchgebiss zum bleibenden Gebiss (Dauergebiss).
Etwa zwischen dem 11. und 17. Lebensjahr findet der Übergang vom Mädchen zur jungen Frau und vom Jungen zum jungen Mann statt. (Diese Phase bezeichnet man als Jugendalter.) Bei Mädchen beginnt er meist etwas früher als beim Jungen. Er ist verbunden mit den Vorgängen der Pubertät, also dem Eintritt der Geschlechtsreife, einem starken Wachstumsschub und mit der Ausprägung der sekundären Geschlechtsmerkmale.
Man bezeichnet das auch als zweiten Gestaltwandel. Er führt zu tiefgreifenderen körperlichen und geistig-seelischen Veränderungen, die sich bei jedem Jugendlichen verschieden (individuell) auswirken. Nicht selten kommt es zu Problemen im Umgang mit Eltern, Lehrern, mit sich selbst und dem anderen Geschlecht).
Mit 18 bis 20 Jahren ist das Stadium des Erwachsenseins biologisch gesehen erreicht (Erwachsenenalter). Jeder Mensch hat sein persönliches Erscheinungsbild (Konstitution) entsprechend den Erbanlagen und äußeren Faktoren ausgeprägt. Zwischen 20 Jahren und 40 Jahren erreicht er sein optimales körperliches und geistiges Leistungsvermögen (das sogenannte „Leistungsalter“). Viele Menschen leisten auch danach noch Bedeutendes in Beruf und Gesellschaft.
Im Greisenalter nehmen die Verschleißerscheinungen und Rückbildungsvorgänge zu, die mit zunehmender Lebensdauer in verschiedenen Organsystemen des Körpers eintreten. Sie führen zur allmählichen Abnahme des Leistungsvermögens und der Arbeitsfähigkeit und schließlich zum Tod.
Der zeitliche Verlauf und die Symptome der Verschleißerscheinungen und Rückbildungsvorgänge sind beim einzelnen Menschen je nach individueller Veranlagung, Belastung, Lebensführung unterschiedlich (allgemeine Erscheinungen und Merkmale des Alterns nach Organsystemen geordnet).
Als Ursachen für die mit dem Altern verbundenen Verschleiß- und Abbauvorgänge hat die medizinische Alternsforschung (Gerontologie) mehrere im Komplex wirkende Faktoren ermittelt:
Hieraus ergeben sich Maßnahmen zur Vorbeugung und Behandlung von Alterserscheinungen. Diese vorbeugenden Maßnahmen könnten auch zur weiteren Erhöhung der Lebensdauer und Lebensqualität der älteren Menschen beitragen.
Hautsystem: Erschlaffung, Runzel- und Faltenbildung, Rückgang der Kopf- und Körperhaare.
Stütz- und Bewegungssystem: Zwischenwirbelscheiben schrumpfen, Körperhöhe nimmt ab; stärkere Wirbelsäulenkrümmung und gebeugte Körperhaltung. Kalkverlust und Brüchigwerden der Knochen (Osteoporose), Abnutzungserscheinungen an Gelenken, Verringerung der Muskelmasse.
Atmungs- und Kreislaufsystem: Abnehmende Leistungskapazität von Lunge, Herz und Blutgefäßen. Geringere Sauerstoffzufuhr bewirkt zusammen mit Veränderungen am Bewegungssystem Rückgang des körperlich-sportlichen Leistungsvermögens.
Sinnes- und Nervensystem: Abnehmende Sehleistungen (Alterssichtigkeit, fortschreitende Sehschwäche) und Hörleistungen (Schwerhörigkeit); nachlassende Reaktionsfähigkeit. Mit zunehmendem Alter auch Minderung der Gedächtnis-, Orientierungs- und Denkleistungen, in schweren Fällen Altersschwachsinn (Alzheimerkrankheit).
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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