Flussdelfinartige

Flussdelfinartige

Zu den Flussdelfinartigen zählen fünf kleinere, langschnäbelige Walarten, die sich sehr stark von allen anderen Walen unterscheiden, untereinander aber viele Gemeinsamkeiten aufweisen:

  • der Ganges-Delfin (Platanista gangetica),
  • der Indus-Delfin (Platanista minor),
  • der Chinesische Flussdelfin (Lipotes vixillifer*),
  • der Amazonas-Delfin (Inia geoffrensis) und
  • der La-Plata-Delfin (Pontoporia blainvillei).

*Der chinesische Flussdelfin gilt als eine der am meisten gefährdeten Walarten überhaupt, er ist akut vom Aussterben bedroht.

Mit Ausnahme des La-Plata-Delfins bewohnen alle Flussdelfine ausschließlich das Süßwasser. Diese Wale sind zwischen 1,5 bis 3 m lang und werden in der Regel nicht schwerer als 200 kg. Sie zeichnen sich durch eine hochgewölbte Stirnpartie aus, die von der Basis der lang ausgezogenen Kiefer steil ansteigt. Die 7 Halswirbel sind nicht miteinander verwachsen, der Kopf ist klar sichtbar vom Rumpf abgesetzt und beweglich. Der Kiefer ist lang und pinzettenähnlich („Schnabel“) und besitzt zahlreiche Zähne im Ober- und Unterkiefer.

Die Flussdelfine unternehmen kürzere Wanderungen, bei denen sie Fische, Krebse und Weichtiere als bevorzugte Beute am Grund der Flüsse aufspüren. Bei allen fünf Arten sind die Augen nicht besonders gut entwickelt. Die Ganges-Delfine orientieren sich in den trüben Flussgewässern nachweislich mit Tastsinn und durch Echoortung, bzw. Ultraschall, von den Amazonas- und La-Plata-Delfinen nimmt man das ebenfalls an.

Steckbrief des Amazonas-Delfin

  • Deutscher Name: Amazonas-Delfin
  • Lateinischer Name: Inia geoffrensis
  • Englische und andere Namen: Boto, Inia, Bufeo (Kolumbien), Tonina (Orinoko), Rosa Delfin
  • Unterordnung: Odontoceti (Zahnwale)
  • Familie: Iniidae
 

Beschreibung: Amazonas-Delfine sind die größten und am häufigsten gesichteten Flussdelfine. Sie haben stämmige Körper, breite, paddelförmige Brustflossen und anstelle der Rückenfinne eine Rückenleiste. Ihre Augen sind klein, wie die von anderen Flussdelfinen, und die Schnauze ist sehr lang mit kurzen Tasthaaren auf Ober- und Unterkiefer. Bis zu 140 Zähne können in solch einer Schnauze sitzen. Ihre Stirnregion (erinnert in der Form an eine Melone) ist rundlich gewölbt und auch die Wangen der Tiere treten derart hervor, dass sie stören könnten, wenn die Tiere nach unten schauen – das wäre eine plausible Erklärung dafür, dass sie so oft auf dem Rücken schwimmen!

Da sich die Amazonas-Delfine zwischen Wurzeln, Baumstämmen und Ästen des saisonal überfluteten Regenwalds aufhalten, haben sie flexible Körper entwickelt, die es ihnen erlauben, sich um diese Hindernisse herumzuwinden. Ihr Nacken ist viel beweglicher als der vieler anderer Delfinarten, da einige Wirbel nicht fest miteinander verwachsen sind. Eine der erstaunlichsten Tatsachen über diese Tiere ist übrigens, dass es dem Beobachter so erscheint, als könnten sie ihre Farbe wechseln:

Ausgewachsene Tiere variieren von grau nach leuchtend rosa – wobei sie in Phasen höherer Aktivität stärker rosa gefärbt sind, und wenn sie langsamer werden, werden sie wieder grauer!

Äußere Merkmale und typische Verhaltensweisen:

  • Ihre Körperfärbung variiert von weiß nach blaugrau bis leuchtend rosa,
  • sie besitzen eine lange Schnauze,
  • sie haben eine Leiste anstelle der Rückenfinne,
  • sie haben breite, paddelförmige Brustflossen,
  • der Amazonas-Delfin ist ein langsamer Schwimmer.

Länge: Erwachsene Weibchen werden bis 2,30 Meter lang, die Männchen bis 2,70 Meter und Neugeborene messen etwa 75 cm.

Gewicht: Ausgewachsene Tiere wiegen gewöhnlich zwischen 85 und 160 kg. Das Geburtsgewicht beträgt ca. 7 kg.

Nahrung: über 50 verschiedene Fischarten

Verbreitung: Amazonas-Delfine werden in vielen der Hauptflusssysteme Brasiliens, Boliviens, Kolumbiens, Guayanas, Ecuadors, Perus und Venezuelas gefunden. In einigen Gebieten leben sie 3 000 km von der Küste entfernt! Wasserfälle, Stromschnellen, Staudämme und wechselnde Wasserstände sind die Haupthindernisse für ihre Wanderungen.

Bis zu 14 Meter variierende Wasserstände verursacht der Wechsel zwischen Regen- und Trockenzeit in einigen Gebieten. Während der Trockenzeit findet man die Delfine deshalb hauptsächlich in den Hauptflüssen, da die Nebenläufe und Seen dann zu seicht werden.

Die Verbreitung der Amazonas-Delfine über das Jahr hängt stark von den Wanderungen ihrer Beutefische ab. Starke Niederschläge in der Regenzeit füllen die Flüsse so stark, dass sie die Nebenläufe, Seen und anschließende flache Waldgebiete überfluten. Die Fische suchen solche Gebiete bevorzugt auf, um ins Wasser gefallene Früchte und Samen als Nahrung zu nutzen. Die Amazonas-Delfine folgen ihnen und schwimmen zwischen den Baumstämmen. Sotalias, von denen Gruppen im Amazonas-Flusssystem leben, suchen diese Gebiete ebenfalls auf, bleiben aber eher im tieferen Wasser.

Populationsgröße: Präzise Zahlen gibt es für diese Art nicht, doch man nimmt an, dass sie von allen Flussdelfinarten die häufigste und am weitesten verbreitete ist. Trotzdem wird der Inia als schützenswert eingestuft. Zahlreiche Faktoren deuten darauf hin, dass diese Art im Rückgang begriffen ist.

Verhalten: Amazonas-Delfine schwimmen die meiste Zeit sehr langsam, können dabei aber 30 km oder sogar mehr am Tag zurücklegen. Gewöhnlich sind sie nicht schneller als 2 km/h, doch wenn sie müssen, können sie auf kurzen Strecken durchaus 10 km/h erreichen. Erwachsene Tiere springen selten wirklich aus dem Wasser, doch gleiten sie manchmal über die Oberfläche; Jungtiere springen allerdings oftmals bis zu einem Meter hoch. Man kann sie beim Spielen beobachten, wie sie übereinanderrollen und dabei ihre rosa Bäuche und Brustflossen (Flipper) zeigen. Dabei wird von Zeit zu Zeit mit ihren Flippern und Schwanzflossen auf die Wasseroberfläche geschlagen. Außerdem schwimmen sie gern in kleinen Strudeln („Whirlpools“). Amazonas-Delfine sind bekannt für ihre Neugier: Sie nähern sich Kanus, schwimmen unter den Booten hindurch und greifen nach den Paddeln oder Ästen, um damit in der Strömung zu spielen.

Da sie in aufgewühlten, trüben Gewässern leben, sind die Augen für die Tiere eher ein nebensächlicher Sinn. Stattdessen verlassen sie sich auf Bilder, die sie sich über Geräusche (Echolokation) von der Umgebung machen. Da ihre Nacken flexibel sind, können Botos ihre Köpfe seitlich bewegen und so große Gebiete mit ihrem Sonarsystem scannen.

Amazonas-Delfine werden hauptsächlich allein oder in kleinen Gruppen von 1–5 Tieren gesehen, doch setzen sich an Nahrungsplätzen oder anderen interessanten Orten die Gruppen auch schon aus 10 bis 15 Individuen zusammen.

Bedrohungen: Direkte Bejagung, indirekte Tötung im Rahmen von Fischereiaktivitäten, Zerstörung des Lebensraums, Trennung des Verbreitungsgebietes und somit der Gruppen durch Dammerrichtungen, Umweltverschmutzung, zunehmenden Schiffsverkehr.

Besonderheiten: Amazonas-Delfine teilen ihren Lebensraum mit einer Vielzahl interessanter und wunderschöner Tierarten wie den Riesenottern, Schildkröten, Anacondas (Wasserschlangen), Kaimanen und Seekühen.

In einigen Gebieten ranken sich Mythen und Legenden um die Delfine. Die Menschen erzählen sich Geschichten über Frauen, die am Fluss ihre Wäsche wuschen und von männlichen Delfinen gekidnappt wurden, um in ihrer Unterwasserwelt zu leben. Die Mädchen dieser Gegenden werden vor freundlichen, weiß gekleideten Fremden gewarnt, da es sich um verkleidete Flussdelfine handeln könnte! Manchmal werden diese Fremden für ungewollte Erstgeborene eines unverheirateten Mädchens verantwortlich gemacht!

(Für die Entstehung dieses Artikels bedankt sich die Redaktion bei Andrea und Wilfried Steffen sowie bei der Gesellschaft zur Rettung der Delphine e.V.).

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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