- Lexikon
- Biologie Abitur
- 6 Fortpflanzung, Wachstum und Entwicklung
- 6.4 Reproduktionsbiologie
- 6.4.3 Die Reproduktionstechnologie hat auch medizinische Bedeutung
- Reproduktionstechniken des Menschen
Bleibt ein Ehepaar trotz Kinderwunsch kinderlos, müssen zuerst die Ursachen der Kinderlosigkeit abgeklärt werden.
In ca. 50 % der Fälle liegt die Ursache der Kinderlosigkeit bei der Frau, in ca. 35 % beim Mann; die restlichen Fälle von Kinderlosigkeit sind auf eine Sterilität (Unfruchtbarkeit) beider Ehepartner zurückzuführen oder die Ursache ist ungeklärt.
Die Abklärung der Ursachen geschieht beim Mann durch einen Andrologen (Andrologie = Männerheilkunde) bei der Frau durch einen Gynäkologen (Frauenarzt). Zur weiteren reproduktionsmedizinischen Behandlung sind nur autorisierte Zentren berechtigt. Der Reproduktionsmediziner wird dann die geeignete Therapiemethode für das Paar bestimmen.
Folgende Punkte können z. B. zu einer (Sterilität) Unfruchtbarkeit beim Mann führen:
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Der behandelnde Arzt stellt eine genaue Anamnese des Patienten auf, um die aufgeführten Punkte abzuklären.
Außerdem erstellt er ein Spermiogramm. In diesem werden neben anderen Parametern die Spermienanzahl, die Form und die Beweglichkeit der Spermien in der Samenflüssigkeit (Ejakulat) bestimmt. Oft sind alle drei Werte nicht in Ordnung. Das wird in der Medizin als OAT-Syndrom bezeichnet. Das O in dieser Abkürzung steht für oligo und bedeutet eine geringe Spermienkonzentration, das A steht für astheno = eingeschränkte Beweglichkeit der Spermien und das T steht für terato = wenig normal geformte Spermien.
Zunächst wird versucht, die Unfruchtbarkeit durch nichtreproduktive Techniken zu behandeln. Beispielsweise kann bei einer zu geringen Hormonkonzentration über Hormongaben versucht werden, die Spermienproduktion anzukurbeln. Eine Krampfader kann möglicherweise operativ entfernt werden.
Liegen Ursachen vor, die nicht mit Medikamenten oder operativ behoben werden können oder verbessert sich das Spermiogramm trotz der Behandlung nicht, besteht die Möglichkeit durch Methoden der Reproduktionsmedizin eine Schwangerschaft zu erzielen. Die einfachste reproduktionsmedizinische Methode bei Sterilität eines Mannes dessen Ehefrau fruchtbar ist, ist die sogenannte Insemination (künstliche Befruchtung). Man unterscheidet dabei zwischen heterogener und homonomer Insemination (s. unten).
Verfahren der Spermienaufbereitung: Waschen von Spermien. 1. Verdünnung der Spermien mit Kulturlösung. 2. Durch Zentrifugation lagern sich nur die Spermien am Grund des Reagenzglases ab. 3. Das Absaugen des flüssigen Überstandes befreit die Substanz von überflüssigen Stoffen. 4. Wiederauflösen der gereinigten Spermien in Kulturlösung.
Allen Verfahren der reproduktiven Medizin geht eine Aufbereitung der männlichen Spermien voraus. Es gibt verschiedene Methoden der Spermienaufbereitung. Die wichtigsten Methoden sind die sogenannte Swim up-Technik und die Percoll-Dichtezentrifugations-Technik. Letztlich dienen alle Aufbereitungsmethoden der Anreicherung von gut beweglichen Spermien durch Trennung dieser vom restlichen Ejakulat (Siehe Bild 2 und 3).
Verfahren der Spermienaufbereitung: „Swim-up-Technik“. 1. Gewaschene Spermien werden in Kulturlösung verdünnt. 2. Durch Zentrifugation lagern sich sie Spermien am Grund des Reagenzglases ab. 3. Absaugen des Überstandes. 4. Durch langsame Zugabe des Kulturmediums gelangen die beweglichen Spermien nach oben und sind dort als milchige Struktur zu erkennen.
Folgende Ursachen kann es für die Unfruchtbarkeit der Frau geben:
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Auch bei Frauen wird zunächst versucht, die Ursachen der Sterilität operativ oder medikamentös zu behandeln. Lassen sich die Ursachen der Sterilität nicht beheben, kann der Kinderwunsch möglicherweise durch eine In-vitro-Fertilisation (s. unten) erfüllt werden.
Gelangen aufgrund nicht ausreichender Beweglichkeit oder geringer Spermienanzahl zu wenig Spermien in die Eileiter der Frau, besteht die Möglichkeit einer künstlichen Befruchtung (Insemination). Dabei wird die Spermienflüssigkeit des eigenen Ehemannes nach Aufbereitung mit einem Katheter in die Eileiter oder die Gebärmutter zum Zeitpunkt des Eisprungs eingebracht. Der Eisprung kann gezielt hervorgerufen werden oder durch Überwachung im natürlichen Zyklus bestimmt werden. Diesen Vorgang bezeichnen die Mediziner als homonome Insemination, da zur künstlichen Befruchtung einer verheirateten Frau die Spermien des eigenen Ehemannes verwendet werden. Das entstehende Kind ist ehelich.
Ein Mann gilt erst als gänzlich unfruchtbar, wenn in mehreren Spermiogrammen keine Spermienaktivität nachzuweisen ist. Sollte dies der Fall sein und bei der Ehefrau liegen keine Sterilitätsprobleme vor, besteht die Möglichkeit Sperma aus einer Samenbank von einem anonymen Spender zu erhalten.
Das fremde Sperma wird zum Zeitpunkt der Eireife in die Gebärmutter oder die Eileiter der Frau eingebracht. Dies wird als heterogene Insemination bezeichnet, da das Sperma nicht vom Ehemann stammt. Bis 2002 wurden in Deutschland ca. 70 000 Kinder durch heterogene Insemination gezeugt.
Bei den Verfahren der Insemination handelt es sich um In-vivo-Techniken (in vivo lat. in einem lebenden Organismus), da die Befruchtung im Körper und nicht außerhalb erfolgt.
Durch In-vitro-Fertilisation (IVF) gezeugte Babys werden umgangssprachlich auch als Retortenbabys bezeichnet. Das erste durch In-vitro-Fertilisation gezeugte Baby kam bereits 1978 in England zur Welt. PATRICK STEPTOE (Gynäkologe) und ROBERT EDWARDS (Physiologe) gelang diese erste IVF. In Deutschland kam das erste durch IVF gezeugte Baby 1982 zur Welt.
Diese Methode wird eingesetzt, wenn beide Eileiter einer Frau verschlossen sind oder fehlen. Die in den Eierstöcken von Geburt an angelegten Follikel werden hierbei hormonell stimuliert, reife Eizellen zu bilden. Durch die Einnahme von Hormonen in hohen Dosen, werden bis zu 10 Eizellen im weiblichen Ovar (Eierstock) reif; dies wird als Superovulation bezeichnet.
Die reifen Eizellen können den Eileitern durch eine Laparoskopie (Bauchspiegelung) oder unter Ultraschallsicht entnommen werden. Die Entnahme der Eizellen wird als Punktion bezeichnet.
Bei der Laparoskopie kann der Mediziner nach einem Schnitt in die Bauchdecke die Follikel durch ein Laparoskop sehen und mit Hilfe eines zweiten Instruments die Follikelflüssigkeit mit den darin enthaltenen reifen Eizellen absaugen.
Bei der Entnahme durch Ultraschallsicht wird auf den gewöhnlichen Schallkopf des Ultraschallgeräts, welches über die Scheide eingeführt wird, eine besondere Punktionsvorrichtung gesetzt und mit dieser die reifen Eizellen abgesaugt.
Die Eizellen werden anschließend außerhalb des Körpers in-vitro (lat. im (Reagenz-)Glas) in der Petrischale mit einigen Tropfen Spermienflüssigkeit zusammengebracht und befruchtet. Nach 60 Stunden haben die Embryonen das Achtzell-Stadium erreicht und 1-3 der Embryonen werden in den Uterus (die Gebärmutter) eingebracht. Das Einbringen der Embryonen in die Gebärmutter wird als Embryonentransfer bezeichnet. In Deutschland dürfen höchstens 3 Embryonen gleichzeitig eingesetzt werden. Das ist in dem seit 1990 existierenden Embryonenschutzgesetz geregelt.
Restliche Embryonen können vernichtet oder zeitweise eingefroren werden, um bei Misserfolg für einen erneuten Versuch verwendet zu werden. Das Einfrieren von Embryonen wird als Kryokonservierung bezeichnet.
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein eingebrachter Embryo in die Uterusschleimhaut einnistet und es tatsächlich zu der gewünschten Schwangerschaft kommt, wird mit durchschnittlich 25 % pro Behandlung angegeben. Der Erfolg einer IVF hängt immer auch vom Alter der Patientin ab. Bis zum 31 Lebensjahr beträgt die Erfolgschance noch 40 %, sinkt aber bis zum 36 Lebensjahr kontinuierlich auf 20 % ab.
Mit der IVF sind auch einige Risiken verbunden. Da bis zu 3 Embryonen gleichzeitig eingepflanzt werden um die Erfolgschancen zu erhöhen, kann es zu Mehrlingsgeburten kommen. Auch Früh- oder Fehlgeburten treten häufiger auf als bei einer natürlichen Schwangerschaft.
Bei jüngeren Frauen werden heute oft höchstens 2 Embryonen eingesetzt, da gerade bei ihnen die Rate der Drillingsgeburten erhöht ist.
Die Fehlgeburtenrate nach einer IVF werden mit 20-25 % angegeben.
Auch die Gefahr des Auftretens einer Eileiterschwangerschaft ist noch vorhanden, obwohl die Embryonen in die Gebärmutter transferiert werden. Sie wird mit 5 % angegeben.
Der intratubare Gametentransfer, abgekürzt als GIFT (gamete intrafallopian transfer) bezeichnet, wird heute nicht mehr sehr oft angewandt. Voraussetzung für diese Methode ist, das die Frau mindestens einen durchgängigen Eileiter besitzt.
Die Vorbehandlung ist dieselbe, wie bei der In-vitro-Fertilisation. Im Unterschied zur IVF findet die Befruchtung wie auf natürlichem Wege im Eileiter statt und nicht im Reagenzglas. Drei der, wie oben beschrieben, entnommenen reifen Eizellen werden außerhalb des Körpers mit den Spermien zusammen gebracht und mittels eines Katheders in den Eileiter zurückgegeben. Erst dort erfolgt die Befruchtung.
Liegt beim Mann ein besonders schweres OAT-Syndrom (s. oben) vor, kann es sein, dass alle genannten Verfahren nicht zum Erfolg führen. Bei ausgeprägter Fehlbildung, Unbeweglichkeit oder bei sehr geringer Anzahl von Spermien im Ejakulat ist eine Befruchtung der Eizelle nicht möglich. Die anormalen Spermien, falls überhaupt ausreichend Spermien vorhanden sind, sind nicht in der Lage, die Eizelle umgebende Eihülle, die sogenannte Zona pellucida, zu durchdringen. So kommt es gar nicht erst zum Eintritt des Spermiums in die Eizelle. Folglich kommt es auch nicht zu einer Befruchtung.
In diesem Fall ist die Intracytoplasmatische Spermainjektion (abgekürzt ICSI), häufig auch Mikroinsemination genannt, die letzte erfolgversprechende therapeutische Maßnahme.
Die Vorgehensweise bei dieser Methode ist zunächst dieselbe wie bei der IVF. Auf die hormonelle Stimulation der Frau folgt die Entnahme der reifen Eizellen über Punktion und die Rückführung von höchstens 3 Embryonen.
Im Unterschied zur IVF werden die reifen Eizellen im Reagenzglas nicht mit mehreren Tausend Spermien zusammengebracht, sondern ein einzelnes Spermium wird gezielt über eine sehr feine Kanüle in die Eizelle eingebracht. Die Eihülle und die darunter liegende Zellmembran werden dabei zerstochen, beide schließen sich aber nach dem Entfernen der Kanüle sofort wieder. Die so entstehenden Embryonen teilen sich normal.
Dieses Verfahren gibt es seit 1993 und ist somit relativ neu. Die Erfolgsquote entspricht ungefähr der der IVF und auch die Risiken sind die selben. Zu Beginn der Durchführung dieses Verfahrens stand die Befürchtung, dass vermehrt Missbildungen bei den auf diese Art gezeugten Kindern auftreten könnten. Es gelangt ja nicht wie in der Natur das am besten geeignetste Spermium zuerst zur Eizelle. Im Gegenteil werden sogar zur Befruchtung der Eizelle von eigentlich in der Natur nicht zur Befruchtung kommenden Spermien einzelne herausgepickt. Nachträgliche Untersuchungen haben aber gezeigt, dass das Risiko von Fehlbildungen nicht erhöht ist.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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