- Lexikon
- Biologie Abitur
- 4 Steuerung, Regelung, Informationsverarbeitung
- 4.5 Hormone
- 4.5.5 Pheromone sind Signalstoffe zwischen verschiedenen Individuen
- Pheromone der Wirbellosen und der Wirbeltiere
Der Begriff Pheromone setzt sich aus den griechischen Wörtern pherein (tragen) und Hormon zusammen. Pheromone (auch Ekto-(äußere)Hormone) sind chemische Botenstoffe, die in speziellen Zellen oder Drüsen gebildet werden, in geringsten Mengen wirken und Signalcharakter haben. Aufgrund dieser Eigenschaften werden sie häufig den Hormonen zugeordnet. Im Unterschied zu diesen werden die Pheromone jedoch nicht in die Blutbahn, sondern außerhalb des Körpers aus speziellen Drüsen abgegeben. Überdies sind Pheromone artspezifisch, bei vielen Tieren sogar individualspezifisch und damit für die Individualerkennung bedeutungsvoll.
Pheromone breiten sich in der Luft aus und können in kleinsten Mengen von Partnern wahrgenommen werden. Sie übertragen auf chemischem Wege Informationen. Solche Pheromone sind von vielen Tierarten bekannt. Da sie auch bereits bei einzelligen Lebewesen nachgewiesen wurden, werden sie als phylogenetisch älteste Art der Informationsübertragung angenommen. Pheromone werden nur in äußerst geringen Mengen produziert, sie beeinflussen u.a. das Sexualverhalten, die artspezifische Gruppenbildung, die Orientierung und das Alarmverhalten.
Beispiele von Pheromonen der Wirbellosen und Wirbeltiere
Tierart | Pheromon | Drüse | biologische Bedeutung |
Ameise | Citral Citronella Methylheptanen 2-Meptanon | Pharyngealdrüsen Analdrüsen | Alarmsubstanzen |
Meeresborsten- Würmer (Platynereis) | 5-Methyl-3-Heptanon | Sexuallockstoff | |
Seidenspinner Bombys | Bombykol Hexadeka-4,6-dien-16-ol | ausstülpbare Duftdrüsen zwischen 8. und 9. Abdominalsegment | Sexuallockstoff des Weibchens |
Bienen | Königinnensubstanz 9-Oxo-2-Decentsäure | Mandibeldrüse | Anlockung der Drohnen Information der Arbeiterinnen über die Präsens der Königin |
Bienen | Isoamylacetat Geraniol (Terpenalkohol) | Abdominaldrüse Nassanovsche Drüse (Abdomen) | Artgenossen werden zum Angriff angeregt Markierung von ergiebigen Nektarquellen |
Schwamm-spinner (Porthetria dispar) | Gyplur ungesättigter Alkohol | Abdominaldrüse | Sexuallockstoff |
Elritze (Phoxinus phoxinus) | Schreckstoff | Kolbenzellen der Epidermis | Schreck- und Fluchtreaktion des Fischschwarms |
Maus | Urin eines fremden geschlechtsreifen Männchens | Präputialdrüse | Abbruch der Schwangerschaft bei frisch befruchteten Weibchen |
Schweine | Eberpheromon -16-Steroide | Speicheldrüse | „Patschen“ des Ebers vor der Paarung |
Rotfuchs | 3-Methyl-butyl-methyl-sulphid im Harn der Männchen | Analdrüse | Paarung |
Duftmarken können von unterschiedlichen Körperteilen produziert und in unterschiedlicher Weise an die Umgebung abgegeben werden.
Skunks bilden z. B. einen übelriechenden Stoff in den Anal- und Schwanzdrüsen und schleudern ihn mit hochgerecktem Hinterteil und Schwanz zur Verscheuchung von Rivalen in die Luft. Bei Kattas (Halbaffen) werden richtige „Geruchskämpfe“ geführt. Absonderungen von Oberarmdrüsen reiben sie in ihren buschigen Schwanz, schleudern ihn vor und zurück und transportieren so die Pheromone in Richtung Rivalen.
Hyänen haben Pheromondrüsen zwischen den Sohlenpolstern der Füße und können so mit jedem Schritt Duftmarken setzen.
Hirsche sondern Sekrete im Augenbereich ab und markieren damit Objekte.
Die Pheromone der in Amerika beheimateten Stinktiere haben auf viele Individuen eine abschreckende Wirkung.
Bei den Insekten dienen Pheromone auch dazu, die Lage von Nahrungsquellen anzuzeigen. Die Sammlerinnen der Honigbienen markieren die Nahrungsquellen mit Duftspuren von Sekreten der Hinterleibsdrüse, damit andere sie finden können. Und ähnlich verfahren auch Ameisen, die ihre Wege zu Futterplätzen markieren, denen die Artgenossen folgen können.
Bombykol, der Sexuallockstoff der Seidenspinnerweibchen, wirkt bereits in sehr geringen Konzentrationen. Im Laborversuch waren das Lösungsmittel, das entspricht etwa einem Duftmolekül in Molekülen Luft. Sogar im Abstand von 11 km finden die Seidenspinnermännchen noch ein Weibchen.
Pheromone dienen auch der Revierabgrenzung, z. B. markieren Hunde und Wölfe mit ihrem Harn, in dem Duftmoleküle vorhanden sind, ihr Revier, Huftiere reiben Duftstoffe an markanten Stellen (Bäume, Sträucher, Steine) ab und auch Nager spritzen die Pheromone mit dem Harn an Reviergrenzen, wobei die Pheromone über längere Zeit (Goldhamster mindestens 25 Tage) noch wahrgenommen werden. Die Düfte vermitteln wahrscheinlich Informationen über die Identität des Revierinhabers und den Zeitpunkt der Markierung.
Säugetiere, wie Dickhornschafe, beschnüffeln sich gegenseitig ausgiebig, um Informationen über Familien- und Gruppenzugehörigkeit des Gegenübers zu erhalten.
Bilden Menschen eigentlich auch Pheromone? Spezifische Pheromondrüsen, die die speziellen Duftstoffe produzieren, sind bislang nicht bekannt. Jedoch hat der Mensch über den Schweiß und durch andere Absonderungen, die auch durch Bakteriensymbiose beeinflusst werden (z. B. vaginale Gerüche, Mundgerüche, Axillargerüche), auch einen Individualgeruch, der je nach Stimmungsänderungen, in Abhängigkeit vom Gesundheitszustand und vom Verhaltensstatus variiert. Vermutlich werden diese Duftstoffe aus Sexualhormonen gebildet.
Der Schriftsteller PATRICK SÜSKIND (*1949) hat in seinem spektakulären Roman „Das Parfüm“ die unbewusste Individualerkennung des Menschen dargestellt.
Verhaltensstudien (u.a. MONTI-BLOCH, JENNINGS-WHITE, DOLBERG & BERLINER, 1994) ergaben Hinweise, dass auch beim Menschen Pheromone existieren, beispielsweise wurde das Phänomen synchroner Menstruationszyklen bei einer Gruppe zusammen lebender Frauen durch Geruchsabsonderungen des weiblichen Schweißes erklärt. Die Studien zeigen weiterhin Reaktionen bei Frauen und Männern auf Duftstoffe, die bei der menschlichen Partnerfindung eine Rolle spielen. Bei Kontaktierung der Probanden mit einem im menschlichen Schweiß enthaltenen und mit Östrogen verwandten Stoff reagierten die betroffenen Personen mit verstärktem Blutfluss im Hypothalamus und mit gesteigerter Hirnaktivität in für Pheromone sensorischen Regionen. Ebenso für die Existenz von menschlichen Pheromonen spricht die Entdeckung eines möglicherweise funktionstüchtigen Vomeronasalorgans (auch als Jacobson-Organ zum Wahrnehmen von Pheromonen bei Tieren, v.a. bei Schlangen bekannt). Die extrem geringen Mengen von Pheromonen können über die menschliche Riechschleimhaut nicht wahrgenommen werden. Messungen ergaben jedoch bei der Aufnahme von Duftmolekülen eine Reizung dieses Organs bei menschlichen Testpersonen.
Hunde erkennen über den Geruch von Pheromonen die Revierabgrenzung eines Rivalen.
Die Bedeutung des persönlichen Geruchs erkannten auch schon unsere Vorfahren, sie nutzten chemische Stoffe der Natur zu Einreibungen, um sich gegenüber anderen Individuen hervorzuheben.
In der modernen Gesellschaft erreicht die Kreation von Duftstoffen neue Höhepunkte. Beimengungen von Moschusduft (ein Drüsensekret des Moschusochsen) soll beispielsweise sexuell stimulierend wirken. Das hat natürlich nur indirekt eine biologische Bedeutung. Denn eigentlich verbergen die Duftwasser den natürlichen Körpergeruch eines Menschen und können so zu „biologischen Irrtümern“ führen. Deshalb sollte sich jeder auf seinen natürlichen und persönlichen Duft verlassen, der nach wie vor am besten wirkt in positiver oder negativer Hinsicht.
Nach ihrer physiologischen Wirkung kann man Pheromone in unmittelbar, aber kurz wirkende Signalpheromone (Releaser, z. B. Alarm- und Sexualpheromone) sowie länger anhaltende und eine Umstellung im Hormon- und Nervensystem des Empfängers bewirkende Primerpheromone (Primer) einteilen. Die Primerwirkung zeigt sich in morphologischen und physiologischen Umstellungen, d. h. einer Zustandsänderung des Organismus. Dazu einige Beispiele.
Bei Termiten wird die Entwicklung der Larven zu geschlechtsreifen männlichen oder weiblichen Tieren durch Pheromone, die mit dem Kot von Geschlechtstieren abgegeben werden, gehemmt. Fällt die Pheromonhemmung weg, entwickeln sich die Larven zu Ersatzgeschlechtstieren. So wird die Populationszusammensetzung der Kasten reguliert.
Bei Bienen wird die Hemmung der Gonadenreifung von Arbeiterinnen durch Pheromone der Königin erreicht. Die Keimdrüsen und Geschlechtsorgane der Arbeitsbienen können so nicht entwickelt werden. Dadurch wird gesichert, dass ausschließlich die Eier der Königin den Fortbestand des Bienenstaats sichern. Gleichzeitig wirkt die Königinnensubstanz als Sexuallockstoff auf die Drohnen.
Ein interessanter Primer-Effekt liegt auch bei Mäusen vor, wenn fremde, geschlechtsreife Männchen auf vor kurzem von einem anderen Männchen begattete Weibchen treffen. Das nun mit dem Urin des fremden Männchens abgegebene Pheromon führt zur Hormonumstellung bei dem trächtigen Weibchen, wodurch die jungen Embryonen nicht im Uterus implantiert werden können. Es folgt der Abgang der Jungtiere. Das Weibchen ist für den neuen Partner bereit und kann erneut trächtig werden.
Die Releaser-Wirkung besteht in der unmittelbaren (sofortigen) Verhaltensänderung eines Individuums. Sexuallockstoffe oder Alarmstoffe sind dementsprechend Pheromone, die Signalwirkung haben und sofort das Verhalten verändern. Auch hier einige Beispiele:
Das Eberpheromon, das durch intensive Kaubewegungen (Patschen) mit schaumigem Speichel abgegeben wird, bewirkt bei der paarungsbereiten (östrischen) Sau einen Immobilisierungsreflex, d.h. sie wird in ihrem Bewegungsdrang stark eingeschränkt und zeigt ein ausgeprägtes Stehverhalten, wodurch die Paarung erleichtert wird.
Bekanntestes Beispiel für einen Sexuallockstoff ist das Bombykol, ein Pheromon des Seidenspinner-Falters. Das Weibchen des Seidenspinners scheidet aus einem Paar ausstülpbarer Duftdrüsen zwischen dem 8. und 9. Abdominalsegment diese Pheromone aus, um Paarungsbereitschaft zu signalisieren. Es löst beim Männchen Erregung und Flügelschwirren aus und das Tier bewegt sich in Richtung des Weibchens. Nach erfolgreicher Kopulation wird die Produktion des Pheromons gehemmt. Bombykol wurde erstmals 1959 von ADOLF FRIEDRICH JOHANN BUTENANDT (1903-1995) und seinen Mitarbeitern isoliert und rein dargestellt. Seitdem sind über 100 derartige Stoffe bei Insekten nachgewiesen worden, wobei viele Prozesse noch nicht vollständig aufgeklärt sind.
Auch die Schreckstoffe verletzter Fische, die den Zweck haben andere Artgenossen vor den Fressfeinden zu warnen, werden den Pheromonen mit Releaser-Wirkung zugezählt.
Die reflexartigen Reaktionen der Tiere auf Pheromone machen sich die Menschen beispielsweise beim Bekämpfen schädlicher Insekten zunutze. Die sogenannten Pheromonfallen enthalten Sexuallockstoffe der zu fangenden Schädlinge. Die artspezifischen Pheromone locken nur die gewünschten Insekten in die Falle, während andere Insektenarten verschont bleiben. Meist werden auch nur Männchen oder nur Weibchen durch die Fallen angelockt, sodass weitere Kopulationen und die Befruchtung weiterer Eier verhindert werden. Pheromonfallen werden z. B. gegen Borkenkäfer oder Motten eingesetzt.
Chemisch handelt es sich bei Pheromonen vor allem um Alkohole oder deren Ester, Säuren oder Kohlenwasserstoffe. Vorstufen vieler Pheromone sind Fettsäuren, die durch stufenweisen Abbau im Stoffwechsel entstehen. Die Reduktion der Carboxyl- zur Hydroxylgruppe und deren Veresterung führen dann zu den biologisch wirksamen Verbindungen.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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