Auf dem Ansbacher Stadtfriedhof befindet sich ein Grabstein mit folgender Aufschrift: „Hic iacet Casparus Hauser. Aenigma sui temporis. Ignota natavitas. Oculta mors.“ - „Hier ruht KASPAR HAUSER – Ein Rätsel seiner Zeit, unbekannt die Herkunft, mysteriös der Tod.“
KASPAR HAUSER ist ein Findelkind, das im Mai 1828 zum ersten Mal in Nürnberg auftauchte. Zu diesem Zeitpunkt war HAUSER ca. 16 Jahre alt. Er trug einen Brief bei sich, der an den RITTMEISTER VON WESSING adressiert war. Ein weiteres Schreiben war vermutlich von der Mutter KASPAR HAUSERs:
„...Von der Bäirischen Gränz
Daß Orte ist unbenant 1828
Hochwohlgebohrener Hr. Rittmeister!
Ich schücke ihnen ein Knaben der möchte seinem König getreu dienen. Verlangte Er, dieser Knabe ist mir gelegt worden. 1812 den 7. October, und ich selber ein armer Tagelöhner, ich Habe auch selbst 10 Kinder, ich habe selber genug zu thun, dass ich mich fortbringe, und seine Mutter hat mir um Die erziehung, dass Kind gelegt, aber ich habe sein Mutter nicht erfragen Können, jetzt habe ich auch nicht gesagt, dass mir der Knabe gelegt ist worden, auf dem Landgericht. Ich habe mir gedenckt ich müsste ihn für meinen Sohn haben, ich habe ihn Christlich Erzogen, und habe ihm Zeit 1812 Keinen Schritt weit aus dem Haus gelaßen, dass Kein Mensch nicht weiß da von wo Er auferzogen ist worden, und Er selber weiß nichts wie mein Hauß Heißt und dass er ort weiß er auch nicht, sie derfen ihn schon fragen er kan es aber nicht sagen, dass lessen und schreiben Habe ich ihn schon gelehrte er kan such meine Schrift schreiben wie ich schreibe, und wan wir ihn fragen was er werde so sagte er will auch ein Schwollisch werden waß sein Vater gewessen ist. Will er auch werden, wer er Eltern häte wir er keine hate wer er ein gelehrter bursche worden. Sie derfen im nur was zeigen so kan er es schon. Ich habe ihn nur bis Neumark geweißt da hat erselber zu ihnen hingehen müßen ich habe ihm gesagt wen er einmal ein Soldat ist, kome ich gleich und suche ihm Heim sonst häte ich mich Von meinem Haus gebracht. Bester Hr. Rittmeister sie derfen im gar nicht tragtiren er weiß mein Orte nicht wo ich bin, ich habe in mitten bei der nacht fort gefürth er weiß nicht mehr zu Hauß. Ich empfele mich gehorsamt. Ich mache mein Name nich Kundbar den ich Konte gestraft werden. Und er hat Kein Kreuzer geld nicht bey ihm weil ich selber nichts habe wen Sie im nicht Kalten so müßten Sie im abschlagen oder in Raufang auf hengen...“
Das Findelkind wird noch im Mai vom Magistrat verhört. Er kann kaum gehen, kaum sprechen, sagt nur: „Ä sechtene möcht ih wähn, wie mei Vottä wähn is“ (bedeutet etwa: Ich möchte ein solcher werden, wie mein Vater es war), „Woas nit,“ „ Hoam weissä“.
Als man ihm Papier und Feder gibt, schreibt er den Namen KASPAR HAUSER auf das Stück Papier. Der Magistrat sperrt den Jungen zunächst in einen Gefängnisturm. Hier kümmerte sich ein Wärter um den Jungen. Da er selbst Kinder hatte, erkannte er, dass der Junge sich trotz seiner körperlichen Entwicklung geistig auf der Stufe eines Kleinkindes befand. Der Wärter nahm KASPAR HAUSER auch mit nach Hause zu seiner Familie. KASPAR lernte hier auf einem Stuhl zu sitzen, seine Hände zu gebrauchen und neue Wörter zu sprechen.
Die Nachricht über „den Wilden, der in einem Loch gefangen gehalten worden war“ verbreitete sich rasend schnell im ganzen Land und über die Landesgrenzen hinweg. Von überall kommen die Leute, ob reich oder arm, ihn im Turmzimmer zu begaffen. Sie wollen sein außergewöhnliches Gedächtnis prüfen, ihn anschauen, ihn zum Sprechen bewegen. KASPAR malte mit Leidenschaft und klebte seine Bilder mit seinem Speichel an die Wände seines Turmzimmers. Das erfreute die Besucher natürlich sehr.
An seinem Verhalten wurde bald klar, dass der ganze Rummel um seine Person zu viel für den Jungen war. Es kam zu physischen Reaktionen wie Gesichtszuckungen, Zittern, Schweißausbrüchen, Epilepsie ähnlichen Anfällen und Fieber. Einen dieser Anfälle erlebte der Präsident des Obersten Gerichtshofs ANSELM VON FEUERBACH mit. Er kannte die Geschichte von KASPAR HAUSER inzwischen gut und sah nun, wie der Junge unter all den Besuchern litt. Er setzte sich sofort für ein Besuchsverbot ein, das vom Magistrat auch bewilligt wurde.
KASPAR siedelte dann am 18. Juli 1828 in das Haus des Nürnberger Gymnasialprofessor DAUMER über und lebte dort einige Zeit. DAUMER lehrte ihn lesen, schreiben, rechnen und reiten. Dabei gehen langsam seine nachtseherischen und telepathischen Fähigkeiten verloren. KASPAR fühlte sich dort sehr wohl und lernte gut. DAUMER ist über KASPARs Fähigkeiten erstaunt und führte einige Tests und Untersuchungen mit ihm durch, die er natürlich auch seinen Kollegen zeigen wollte. Daher lud er diese in sein Haus ein. KASPAR musste dann jeweils einige Tests über sich ergehen lassen.
Im Oktober (17.10.1829) wird ein erstes Attentat auf HAUSER verübt und er wird dabei schwer verletzt. Von da an bewachen zwei Polizeibeamte ihn rund um die Uhr. Im Januar 1830 zog KASPAR dann in das Haus des Magistrates BIBERBACH um. Die Frau des Magistrates beaufsichtigte ihn und sie war wohl auch der Grund, dass sich KASPAR nicht so wohlfühlte wie im Hause DAUMERS.
Nach einem Unfall mit einer Waffe, die KASPAR zu seiner Verteidigung erhalten hatte, übersiedelte er in das Haus seines Vormundes GOTTLIEB FREIHERR VON TUCHER.
Im Mai 1832 lernt LORD STANHOPE KASPAR kennen. Sie freunden sich an und LORD STANHOPE will ihn mit auf sein Schloss in England nehmen. Er wird im November neuer Vormund von KASPAR. Am selben Tag (29. November 1832) zieht KASPAR HAUSER von Nürnberg nach Ansbach. Er wohnt erst bei ANSELM VON FEUERBACH und später bei seinem neuen Lehrer JOHANN GEORG MAYER. Von dem zwielichtigen Lord hört KASPAR nichts mehr.
MAYER unterrichtet KASPAR und mithilfe FEUERBACHs beginnt er eine Ausbildung als Gerichtsschreiber.
Ein zweites Attentat, das am 14.12.1833 im Ansbacher Hofgarten auf HAUSER verübt wird, übersteht er nicht. Er erliegt den Stichverletzungen. Im „Nürnberger Korrespondenten“ erscheint folgende Todesanzeige:
„ ...Kaspar Hauser, mein geliebter Kurand, ist nicht mehr. Er starb zu Ansbach, gestern nacht um 10 Uhr an den Folgen der am 14. ds. Mts. durch einen Mäuchelmörder erlittenen Verletzungen. Ihm, dem Opfer greulvoller elterlicher Unnatur, sind nun die Rätsel gelöst, an welche die Vorsehung sein trauriges Dasein geknüpft hatte. Im ewigen Frühling jenseits wird der gerechte Gott ihm die gemordeten Freuden der Kindheit, die untergrabene Jugend und die Vernichtung für ein Leben, das ihn erst seit 5 Jahren zum Bewußtsein des Menschen erhoben hatte, reich vergelten. Friede seiner Asche!
Nürnberg, am 18.Dezember 1833 Binder, 1.Bürgermeister...“
Die Kleidung von KASPAR HAUSER wurde nach dem Attentat beim Königlichen Landgericht Ansbach aufbewahrt und kam später in den Besitz des Ansbacher Markgrafenmuseums.
In der Unterhose befindet sich ein Blutfleck von acht Zentimeter Durchmesser. Dieser Blutfleck wurde nach fast 160 Jahren für eine Genanalyse herangezogen und soll klären, ob der junge Mann ein vertauschter badischer Erbprinz war und dynastischen Intrigen zum Opfer gefallen war. KASPAR HAUSER soll der 1812 geborene Sohn von STEFANIE BEAUHARNAIS, der Frau des Erbprinzen KARL VON BADEN, sein.
Aus dem Blut soll ein genetischer Fingerabdruck gewonnen und mit dem genetischen Code von Nachfahren aus dem Hause Baden verglichen werden. Analysiert wird dazu die „mitochondriale DNA“, die außerhalb des Zellkerns liegt. Diese DNA enthält ein Muster, das über viele Generationen weitergegeben wird, allerdings nur in der mütterlichen Linie. Wenn KASPAR HAUSER wirklich der badische Erbprinz war, dann hatte er drei Schwestern. Einige Nachfahren aus diesen Adelsfamilien wollen sich für Blutproben zur Verfügung stellen.
Für die Wissenschaft war er insofern interessant, da er isoliert aufgewachsen war und in dieser Zeit nicht von anderen Menschen lernen konnte. So konnte man erkennen, ob bestimmte Verhaltensweisen angeboren oder erworben waren.
Versuche, die unter isolierten Bedingungen in der Verhaltensforschung durchgeführt werden, bezeichnet man deshalb auch als KASPAR-HAUSER-Versuche. Sie sind jedoch umstritten, da sie schwerwiegende psychische Schäden nach sich ziehen und als „Quälerei“ gelten.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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