Kary Banks Mullis

In dem derzeit weltweit meistgenutzten Lehrbuch der Biologie steht über die PCR-Methode:

„Seit ihrer Entwicklung im Jahre 1985 hat die PCR einen großen Einfluss auf die biologische Forschung und die Biotechnologie. Die PCR wurde für die Amplifizierung von DNA aus den verschiedensten Quellen verwendet:

  • Fragmente einer DNA aus einem 40 000 Jahre alten Mammut,
  • DNA aus winzigen Mengen von Blut, Gewebe oder Samen bei der Aufklärung von Gewalttaten,
  • die DNA einzelner embryonaler Zellen zur schnellen pränatalen Diagnose genetischer Erkrankungen und
  • DNA viraler Gene aus Zellen, die mit einem schwierig zu detektierenden Virus wie HIV infiziert sind.

Heute gehören so genannte Thermocycler, das heißt Geräte zur Durchführung der PCR, zur Grundausstattung jedes molekularbiologischen Labors.“ (aus: Campbell, N. A., Reece, J. B.: Biologie, Spectrum, Heidelberg, Berlin, 6. Aufl. 2003, S. 448)

Der Erfinder dieser bahnbrechenden Labormethode, KARY BANKS MULLIS, wurde am 28. Dezember 1944 in Lenoir, North Carolina (USA) geboren. Er verbrachte seine Jugend in ländlicher Umgebung am Fuße der Blue Ridge Mountains.

Er studierte zunächst am Georgia Institute of Technology und erwarb dort seinen Bachelor und Master Degree. 1972 promovierte er in Biochemie an der University of California in Berkeley und anschließend arbeitete er dort als Dozent für Biochemie bis 1973. In diesem Jahr wurde er „Post doc Fellow“ an der University of Kansas Medical School. Von 1977 bis 1979 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Pharmazeutischen Chemie an der Universität von Kalifornien in San Francisco beschäftigt. Im Jahre 1979 nahm MULLIS eine Stelle bei der Cetus Corporation in Emeryville an und zwar als Spezialist für Nucleinsäure-Chemie. Während der sieben Jahre, die er bei dieser Firma beschäftigt war, führte er vor allem Forschungen an Oligonucleotiden und ihrer Synthese durch. In diesem Zusammenhang entwickelte er die Methode der Polymerase-Kettenreaktion (Bild 2).

KARY MULLIS schreibt selbst darüber, wie ihm die Idee zu seiner Erfindung kam:

„I was working for Cetus, making oligonucleotides. They were heady times. Biotechnology was in flower and one spring night while the California buckeyes were also in flower I came across the polymerase chain reaction. ... I had an inkling. It was the first day of the rest of my life.“ (Les Prix Nobel 1993)
(Quelle: http://www.nobel.se/chemistry/laureates/1993/mullis-autobio.html)

1986 wurde er zum Direktor der Molekularbiologie bei Xytronyx in San Diego ernannt. Hier konzentrierte er seine Arbeit auf DNA-Technologien und Fotochemie. 1987 wurde er Berater für Nucleinsäure-Chemie für mehr als ein Dutzend Unternehmen einschließlich Angenics, Cytometrics, Eastman Kodak, Abbott Labs, Millingen/Biosearch und Specialty Laboratories.

1993 erhielt MULLIS den Nobelpreis für seine Erfindung der Polymerase-Kettenreaktion (PCR, polymerase chain reaction). MULLIS konzipierte die neue Methode zur Vervielfachung von DNA-Abschnitten. 1983 wurde die Technik zum ersten Mal vorgestellt. Mithilfe der PCR kann ein beliebiges DNA-Stück schnell vermehrt werden, ohne das man dazu Zellen benötigt. Die DNA wird zusammen mit einer hitzestabilen DNA-Polymerase in einem Reaktionsgefäß mit einem Vorrat an Nucleotiden inkubiert. Dazu gegeben werden so genannte Primer, kurze Stücke einer synthetischen einzelsträngigen DNA, die an die richtigen Stellen des vorgegebenen DNA-Moleküls binden, nachdem dies durch Erhitzen aufgetrennt wurde. Durch automatisches Erhitzen und anschließendes Abkühlen können auf diese Weise innerhalb weniger Stunden Milliarden von Kopien eines bestimmten DNA-Segments hergestellt werden. Dies geht wesentlich schneller, als die mehrere Tage dauernde Klonierung eines DNA-Stücks durch die Herstellung eines Rekombinanten-Plasmids und die Replikation in Bakterien. Besonders wichtiger Bestandteil dieser Reaktion ist die hitzebeständige DNA-Polymerase, die man zuerst aus Bakterien isoliert hat, die in heißen Quellen des Yellow-Stone-National- Parks leben (Thermus aquaticus, daher die Abkürzung für das Enzym Taq). Da man mit den Primerstücken genau den DNA-Abschnitt bestimmen kann, den man vermehren will, reichen einmal nur winzige Mengen der spezifischen DNA im Ausgangsmaterial und zudem muss diese DNA noch nicht einmal besonders gereinigt sein. Gelegentliche Irrtümer während der vielen DNA-Replikationen limitieren die Zahl der korrekten Kopien, die man mit dieser Methode von einem Ausgangs-DNA-Abschnitt gewinnen kann.

In der Pressemitteilung der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften zur Verleihung des Nobelpreises 1993 wird unter anderem geschrieben:
„Da es mit PCR möglich ist, die Analyse von extrem kleinen Materialmengen durchzuführen, ist es leicht, damit genetische und evolutionäre Verbindungen zwischen verschiedenen Arten festzustellen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass PCR in Verbindung mit DNA-Sequenzierung ein neues Instrument darstellt, das die systematischen Studien an Pflanzen- und Tierarten revolutionieren wird.“

Die biomedizinischen Anwendungsmöglichkeiten von PCR sind riesig. Nachdem man nun sehr kleine Mengen fremder DNA an einem Lebewesen nachweisen kann, können Viren- und Bakterieninfektionen ohne zeitaufwendige Kultur von Mikroorganismen aus Proben von Patienten bestimmt werden. PCR wird nun z. B. benutzt, um HIV-Infektionen nachzuweisen. Die Methodik kann auch dazu verwendet werden, um genetische Fehler festzustellen, die Erbkrankheiten zugrunde liegen. So steckt in dieser Methode zusammen mit der Möglichkeit gezielter Mutagenese ein großes Potenzial für die Gentherapie . Ohne PCR wäre das Human Genome Project mit dem Ziel, jeden einzelnen DNA-Code im menschlichen Genom zu bestimmen, kaum realistisch gewesen. Bei polizeilichen Untersuchungen kann PCR entscheidende Informationen liefern, da es nun möglich ist, die DNA eines einzigen Blutstropfens oder einer Haarwurzelzelle zu bestimmen, die man an einem Tatort gefunden hat.

Eine andere fantastische Anwendungsmöglichkeit besteht darin, DNA aus Fossilien in großer Menge zu reproduzieren. Forscher haben z. B. mit Erfolg genetisches Material von Insekten vervielfältigt, die vor mehr als 20 Millionen Jahren ausgestorben sind, indem sie die PCR-Methode auf DNA angewandt haben, die sie aus den Bernsteinfossilien extrahiert haben. Diese Möglichkeit hat bereits Sience-Fiction-Autoren animiert: Der sehr populäre Film Jurassic Park beschreibt die Gefahren, die entstehen könnten, wenn es Forschern gelingt, mithilfe von PCR ausgestorbene Riesenreptilien wieder entstehen zu lassen.

Außer der PCR-Methode hat KARY MULLIS einige weitere Patente entwickelt, z. B. ein UV-sensibles Plastikmaterial, das bei Belichtung die Farbe wechselt. Sein jüngstes Patent bezieht sich auf ein Verfahren, mit dem das Immunsystem sehr schnell mobilisiert werden kann, um eindringende Keime und Gifte zu neutralisieren.

1993 erhielt MULLIS nicht nur den Nobelpreis, sondern auch den sehr renommierten Japanpreis. Seine vielen anderen Auszeichnungen umfassen z. B. den THOMAS A. ADISON-Award (1993), den California Scientist of the Year Award (1992), den National Biotechnology Award (1991), den William Allan Memorial Award of the American Society of Human Genetics (1990) und den Preis für Biochemische Analytik der Deutschen Gesellschaft für klinische Chemie und Boehringer Mannheim (1990).
Neben zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen hat MULLIS auch eine unkonventionelle Autobiografie geschrieben, die den Titel trägt „Dancing Naked in the Mind Field“ (1998).

Derzeit arbeitet MULLIS als Distinguished Researcher am Children's Hospital und Research Institute in Oakland, Kalifornien. Außerdem ist er Berater mehrerer Gentechnikfirmen, berät als Experte Gesetzesvorhaben, die mit DNA und Gentechnik zu tun haben, und ist als Gastdozent an unterschiedlichen Hochschulen tätig.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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