Sein Vater, LEOPOLD LANDSTEINER, gelernter Rechtsanwalt, war ein bekannter Journalist und Herausgeber einer Zeitung. Als er starb, war KARL (sein einziges Kind) gerade 7 Jahre alt. Im Folgenden wuchs dieser bei seiner Mutter, FANNY HESS, auf, an der er mit zärtlicher Liebe hing. Bis zu LANDSTEINERs Tod hing ein Bild von ihr an seiner Wand.
KARL war eher ein durchschnittlicher Schüler, die Sprachen lagen ihm nicht so sehr, aber im Gymnasium begeisterte er sich vor allem für Mathematik, Physik und Naturlehre.
1885 bestand KARL LANDSTEINER die Reifeprüfung am Staatsgymnasium des 9. Wiener Gemeindebezirks mit „Genügend“. Im Anschluss daran begann er sein Medizinstudium an der Wiener Universität, das er 1891 mit seiner Promotion beendete. Sein besonderes Interesse während des Medizinstudiums galt der Chemie und der pathologischen Anatomie. Nach seiner Promotion arbeitete LANDSTEINER als Hospitant in der Universitätsklinik von Wien.
Bereits während seines Studiums hatte KARL LANDSTEINER mit seinen biochemischen Forschungen begonnen. Diese beendete er zeitgleich mit seinem Studium im Jahr 1891 und veröffentlichte noch im gleichen Jahr eine Arbeit, in der er den Einfluss der Ernährung auf die Zusammensetzung des Bluts beschrieb.
Die nächsten fünf Jahre verbrachte er in den Laboratorien von ARTHUR RUDOLF HANTZSCH (1857–1935) in Zürich, EMIL H. FISCHER (1852–1919) in Würzburg und EUGEN BAMBERGER (1857–1932) in München. Mit EMIL FISCHER verfasste LANDSTEINER eine Publikation über Glycolaldehyd. Danach kehrte er nach Wien zurück, wo er im Wiener General Hospital seine medizinischen Studien wieder aufnahm.
Von 1894 bis 1907 war KARL LANDSTEINER zuerst als Assistent bei MAX GRUBER (1853–1927) im Wiener Hygiene-Institut. Sein besonderes Interesse galt hier dem Immunsystem und den Antikörpern.
In den Jahren 1898 bis 1908 hatte er eine Assistentenstelle im Pathologisch-Anatomischen Institut in Wien inne. Die Leitung des Instituts oblag Professor ANTON WEICHSELBAUM (1845–1920), dem wir die Entdeckung des Meningitis-Bakteriums (Auslöser der Hirnhautentzündung) sowie die Entdeckung der Pneumokokken (Bakterium Streptococcus pneumoniae = Erreger der Lungenentzündung) zu verdanken haben. Hier im Pathologisch-Anatomischen Institut entstand auch LANDSTEINERs Arbeit über die Blutgruppen.
1901 beschrieb KARL LANDSTEINER erstmals die Existenz von drei Blutgruppen, die er als die Gruppen A, B und C (später 0) bezeichnete.
1903 erwarb er die Berechtigung, an der Wiener Universität zu unterrichten. Fünf Jahre später ging er an das Wilhelminen-Spital in Wien, wo er als Prosektor (Pathologe bzw. Leiter der pathologisch-anatomischen Abteilung des Krankenhauses) tätig war.
1911 wurde KARL LANDSTEINER schließlich der Professortitel verliehen.
1916 heiratete er HELENE WLASTO. Sie hatten mehrere Kinder, darunter auch den später berühmten Arzt Dr. E. LANDSTEINER.
Ab 1919 war KARL LANDSTEINER Prosektor am Ziekenhuis-Krankenhaus in Den Haag. Dort blieb er bis zu seiner Berufung an das Rockefeller Institute for Medical Research in New York im Jahr 1922. Hier konnte er sich ausschließlich seiner Forschung widmen und war finanziell gut versorgt. 1929 nahm die Familie LANDSTEINER die amerikanische Staatsbürgerschaft an.
Für seine Leistung in der Erforschung der Blutgruppen beim Menschen erhielt er 1930 den Nobelpreis für Medizin oder Physiologie.
1940 gelang es KARL LANDSTEINER schließlich, den Rhesusfaktor der Blutgruppen zu bestimmen. Damit wurden Blutübertragungen noch sicherer.
Drei Jahre später, am 26. Juni 1943, starb KARL LANDSTEINER in New York nach einem schweren Schlaganfall am 24. Juni im Labor. Die letzten Jahre seines Lebens widmete er sich inhaltlich der Onkologie (Lehre von den Geschwülsten), um seiner Frau HELENE beizustehen, die an Schilddrüsenkrebs erkrankt war. Sie überlebte ihn noch um ca. sechs Monate.
Entdeckung der Blutgruppen A, B und 0 beim Menschen:
Erste Veröffentlichungen dazu erschienen 1901 im 14. Jahrgang der „Wiener Klinischen Wochenschrift“ unter dem Titel: „Über Agglutinationserscheinungen normalen menschlichen Bluts“. LANDSTEINER hatte sich, einem Laboranten und vier Kollegen Blut abgenommen und daraus Blutseren gewonnen. Wieder wurde eine Blutspende der Versuchspersonen entnommen und die Reaktion der verschiedenen Seren mit den verschiedenen Blutproben beobachtet. Mit dem Mikroskop war schließlich ganz deutlich zu erkennen, was sich bereits unter dem bloßen Auge abzeichnete: Bei einigen Proben kam es zur Verklumpung (Agglutination) der roten Blutzellen, bei anderen Proben dagegen nicht.
Um sicher zu gehen, wiederholte LANDSTEINER das Experiment mit sechs Wöchnerinnen, das Ergebnis war identisch. Diese Untersuchungen bewogen LANDSTEINER zu folgenden Schlussfolgerungen:
Mit dieser Entdeckung legte KARL LANDSTEINER den Grundstein für tief greifende Veränderungen in der Medizin. Die Entdeckung der Blutgruppen machte gefahrlose Bluttransfusionen (Blutübertragungen) von Mensch zu Mensch der gleichen Blutgruppe möglich, verbesserte die Operationstechniken, sodass Millionen von Menschen mit dieser Entdeckung das Leben gerettet werden konnte.
Große Bedeutung erlangten die Erkenntnisse über die menschlichen Blutgruppen u. a. in der Gerichtsmedizin. Ca. 9 Jahre nach der Wiederentdeckung der mendelschen Regeln durch CARL ERICH CORRENS (1864-1933), HUGO DE VRIES (1848-1935) und ERICH VON TSCHERMAK (1871-1962) im Jahr 1900, wagten LUDWIK HIRSZFELD (1884-1954) und EMIL VON DUNGERN (1856-1915) eine Hypothese über die Vererbung der Blutgruppen, die der Göttinger Mathematiker FELIX BERNSTEIN (1878-1956) 1924 korrigierte. Während die Erbanlage für die Blutgruppe 0 rezessiv ist, ist sie für die Blutgruppen A und B dominant. Von nun an war es möglich Vaterschaftsnachweise zu führen: Wenn z. B. der Mann die Blutgruppe AB und die Frau die Blutgruppe A besitzt, das Kind aber 0 aufweist, dann konnte dieser Mann als möglicher Vater sicher ausgeschlossen werden.
1940 gelang LANDSTEINER (1 Jahr nach seiner Emiritierung) gemeinsam mit ALEXANDER WIENER (1907–1976) die Entdeckung des Rhesusfaktor s (Veröffentlichung: „An agglutinable factor in human blood recognized by immune sera for rhesus blood“). WIENER und er fanden heraus, dass sich bei der Übertragung von Rhesusaffenerythrocyten auf Kaninchen ein Antigen bildet, das wiederum bei bestimmten Menschen ebenfalls eine Verklumpung der roten Blutkörperchen verursacht. Damit wurde eine noch spezifischere Unterscheidung der Blutgruppen möglich und bis dahin ungeklärte Transfusionsunverträglichkeiten konnten nachvollzogen werden.
PHILIP LEVINE (1900-1987) trieb diese Erkenntnisse weiter voran, und ihm gelang es den Rhesusfaktor mit einer lebensgefährlichen, bis dahin nicht zu erklärenden Krankheit von Neugeborenen in Zusammenhang zu bringen. Im Blut von ca. 85 % der Menschen findet man das Antigen (Rh), 15 % der Menschen dagegen sind rhesusnegativ (rh). Wenn eine Frau, die rhesusnegativ (rh) ist, ein Kind bekommt, das vom Vater den Rhesusfaktor (Rh) geerbt hat und somit rhesuspositiv ist, mischen sich bei der Geburt einige Erythrocyten des Kinds in das Blut der Mutter. Die Mutter bildet nun in mehreren Monaten Antikörper gegen den Rhesusfaktor. Kommt es zur erneuten Schwangerschaft, gelangen solche gebildeten Antikörper durch die Plazenta in das Blut des Embryos und zerstören seine Erythrocyten, wenn das Kind wieder rhesuspositiv ist. Das Kind würde sterben, kann aber gerettet werden, wenn bereits bei dem Fetus, der im Mutterleib heranwächst, ein Blutaustausch vorgenommen wird. Mittlerweile ist es in der Medizin möglich, die rhesusnegative Mutter so vorzubereiten, dass sie keine Antikörper bildet.
Bis zu seinem Tod hatte LANDSTEINER sich kontinuierlich mit der Erforschung der Blutgruppen, der chemischen Zusammensetzung der Antigene, Antikörper sowie anderen immunologischen, im Blut vorkommenden Faktoren beschäftigt. Neben der Entdeckung der Blutgruppen zählt es zu seinen größten Verdiensten, dass er die Bedeutung der Chemie im Zusammenhang mit der Serologie bekannt machte. Von insgesamt 346 Veröffentlichungen LANDSTEINERs sollten folgende Leistungen noch Erwähnung finden:
LANDSTEINER zu Ehren befindet sich übrigens sein Porträt auf den alten 1000-Schilling-Scheinen in Österreich.
Von Bekannten und Mitarbeitern wird LANDSTEINER als misstrauisch, scheu, der Öffentlichkeit aus dem Weg gehend, aber dennoch hilfsbereit und bescheiden beschrieben. Seine Freunde schildern ihn als gastfreundlichen und sehr humorvollen Menschen. Als Wissenschaftler gehörte er zu den kritischen und sehr genauen Menschen: Seine Assistenten brachte er stets dazu, ihm all ihre Forschungsergebnisse inklusive Material und Versuch persönlich vorzustellen. Wichtige Experimente führte er stets selbst durch. LANDSTEINER war ein Wissenschaftler von internationalem Format. Er erhielt viele Ehrungen aus den USA, Deutschland, Österreich, Holland, England, Belgien und Schweden. Der Gipfel seiner wissenschaftlichen Karriere war sicherlich 1930 die Verleihung des Nobelpreises für die Entdeckung der Blutgruppen.
Dass der Mediziner KARL LANDSTEINER ein sehr kritischer, arbeitsamer und pedantischer Wissenschaftler war, bekam auch ADRIANO STURLI, einer seiner frühen Wiener Schüler, zu spüren: „Ich muss noch erwähnen, dass die letzten Arbeitsstunden am Nachmittag des 31. Dezember 1901 anfingen und ununterbrochen bis halb neun Uhr abends dauerten [...] Diese Stunden waren komisch tragisch für mich: Ich wäre gern schon viel früher mit meinen Freunden davongelaufen, um den Silvesterabend lustig zu verbringen. Landsteiner war aber freundlichst unerbittlich und so musste ich nach seinen Weisungen weitere Blutkörperchen waschen und verschiedene Sera vermischen, abzentrifugieren usw. [...] mit Resultaten, die mich in Verwunderung versetzten und die Landsteiner als selbstverständlich erwartete.“
Aus der Laudatio anlässlich der Ehrendoktorwürde, die LANDSTEINER 1936 durch die Harvarduniversität verliehen wurde:
„He founded a school of thought which has penetrated wherever immunologists are at work.“
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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