Irenäus Eibl-Eibesfeldt

Wissenschaftliche Leistungen

Als IRENÄUS EIBL-EIBESFELDT seine wissenschaftliche Laufbahn begann, arbeitete er die ersten zwanzig Jahre als Tierethologe. Schon während seines Studiums begann er 1946 seine Forschungsarbeit auf der Biologischen Station Wilhelminenberg in Wien.

Als KONRAD LORENZ (1903-1989) 1948 aus der Kriegsgefangenschaft zurückkam, schloss EIBL-EIBESFELDT sich ihm an und folgte ihm 1951, als er einen Ruf der Max-Planck-Gesellschaft erhielt, nach Deutschland. Schwerpunkte seines Interesses bildeten Fragen der Verhaltensentwicklung und die Kommunikation. Seine Experimente trugen entscheidend zur Klärung des Streits um das Angeborene im Verhalten der Säuger bei.

Das Erforschen der Kommunikation schulte ihn in der Methodik des Vergleichens und es erlaubte ihm, als Teilnehmer der beiden Xarifa-Expeditionen von HANS HASS so verschiedenartige Phänomene wie die Turnierkämpfe der Galápagos-Meerechsen, die von ihm entdeckten Putzsymbiosen der Korallenfische sowie die Zeremonien der Balz und Brutablösung der Fregattvögel und flugunfähigen Kormorane unter einem gemeinsamen theoretischen Aspekt zu studieren.

EIBL-EIBESFELDT erarbeitete sich in dieser Zeit die theoretischen Grundlagen der Ethologie (Verhaltensforschung) und präsentierte diese in dem ersten umfassenden Lehrbuch dieses Faches - einem Grundriss der vergleichenden Verhaltensforschung - das mittlerweile in der 8. Auflage und in mehreren Übersetzungen vorliegt. In die zoologische Phase fällt auch die von ihm initiierte und geführte UNESCO-Expedition zu den Galápagos-Inseln (1957), die zur Gründung einer biologischen Station führte.

In den sechziger Jahren begann EIBL-EIBESFELDT mit dem Aufbau eines kulturenvergleichenden Dokumentationsprogrammes in Film und Ton. Es ging ihm darum zu erforschen, in welcher Weise die am Tier erarbeiteten theoretischen Konzepte zum besseren Verständnis menschlichen Verhaltens beitragen könnten.

Dazu nahm er das natürliche Alltagsverhalten und die Rituale von Menschen in traditionellen Kulturen in Afrika, Indonesien, Neuguinea, Polynesien und Südamerika auf. Als Ergebnis dieser Forschungen entwickelte sich die Humanethologie als selbständiger Forschungszweig, der in der Forschungsstelle für Humanethologie der Max-Planck-Gesellschaft gefördert wurde. In einem Grundriss der Humanethologie stellte er das neue Gebiet 1984 vor (4. Auflage 1997). Um ungestelltes oder natürliches Alltagsverhalten in Ton und Bild zu dokumentieren, benutzte er für seine Verhaltensstudien sehr häufig die von HANS HASS (bedeutender Meeresforscher, *1919) entwickelte Spiegelkamera, die den beobachteten Menschen bzw. Tieren durch einen eingebauten Spiegel nicht das Gefühl vermittelte, dass ihr Verhalten in diesem Moment aufgezeichnet wird. Der Filmer oder Fotograf vermittelt mit dieser Kamera das Gefühl, dass er in entgegengesetzer Richtung filmt.

Nachdem erwiesen wurde, dass auch das Wahrnehmen und Handeln des Menschen durch stammesgeschichtliche Vorprogrammierungen entscheidend mitbestimmt werden, galt seine Forschung der Klärung der Frage, wie der Mensch in seinem Bemühen, sich kulturell an die Neuzeit anzupassen, mit diesen ihm angeborenen Vorgaben umgeht. Die stammesgeschichtlichen Anpassungen, die ihn auszeichnen, entwickelten sich ja in jener langen Zeit, in der seine Ahnen als altsteinzeitliche Wildbeuter in Kleingesellschaften lebten. Als höchst erfolgreiche Spezies schufen sie die anonyme Großgesellschaft, die technische Zivilisation und die Großstadt, und damit eine Umwelt, die uns zwar ungeahnte neue Möglichkeiten eröffnet, zugleich aber auch Probleme beschert, da manche unserer Anlagen nicht zu den neuen Lebensbedingungen passen.

Diese Problemanlagen, zu denen unser Kurzzeitdenken ebenso wie unser Machtstreben gehören, gilt es aufzudecken, um mit ihnen umgehen zu können. Damit beschreitet EIBL-EIBESFELDT ein neues Arbeitsgebiet, das interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordert. Im Rahmen dieser kulturethologischen Forschungen arbeitet er mit einer Kunsthistorikerin an einer Kunstethologie.

Mit der Erforschung der Anpassungsschwierigkeiten der Großstadtmenschen befasst sich eine Forschergruppe in dem von ihm in Wien gegründeten Ludwig-Boltzmann-Institut für Stadtethologie. In München bemühte sich eine interdisziplinäre Kommission, der er angehörte, um die Einrichtung eines humanwissenschaftlichen Zentralinstituts mit dem Anliegen, die Kulturwissenschaften mit den biologischen Wissenschaften zusammenzuführen. Das Humanwissenschaftliche Zentralinstitut existiert seit Anfang 1998.

Bereits früh setzte sich EIBL-EIBESFELDT für die Erhaltung der natürlichen Ökosysteme ein. Nach seiner Rückkehr von der Xarifa-Expedition erarbeitete er sich 1955 ein Memorandum für die UNESCO und IUCN mit Vorschlägen zum Schutz der bedrohten Galápagos-Fauna und Flora. Im Auftrag der UNESCO bereiste er die Inseln 1957. Seine Initiative führte zur Gründung der Charles Darwin Station auf den Inseln und zur Einrichtung von Schutzgebieten, die sich bis heute bewähren. Mit der Frage, warum wir Natur lieben und dennoch zerstören, beschäftigt sich eines seiner letzten Bücher. Gegenwärtig arbeitet er an seinem dritten Grundriss - einer Kulturethologie.

Folgende Positionen sind ihm heute zuzuschreiben:

  • Leiter des Humanethologischen Filmarchivs der Max-Planck-Gesellschaft in Andechs;
  • Ordentliches Mitglied des Humanwissenschaftlichen Zentrums (HWZ) der Ludwig-Maximilians-Universität;
  • apl. Prof. für Zoologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München;
  • Direktor des Ludwig-Boltzmann-Institutes für Stadtethologie in Wien;
  • bis zu seiner Emeritierung 1996 Leiter der Forschungsstelle für Humanethologie in der Max-Planck-Gesellschaft

IRENÄUS EIBL-EIBESFELDT ist seit 1950 verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

Das ungewöhnlich umfangreiche Material zum menschlichen Verhalten, das Professor Dr. IRENÄUS EIBL-EIBESFELDT in 30 Jahren Forschertätigkeit rund um den Globus erarbeitet hat, soll heute für die künftige wissenschaftliche Nutzung erschlossen werden. EIBL-EIBESFELDT, langjähriger Leiter der Forschungsstelle für Humanethologie der Max-Planck-Gesellschaft in Seewiesen und später in Andechs, hat auf zahllosen Expeditionen in unterschiedlichen Kulturkreisen das menschliche Verhalten nicht nur beobachtet, sondern auch in Film-, Foto- und Tonaufnahmen sowie schriftlichen Aufzeichnungen festgehalten.

Dabei standen im Mittelpunkt seines Interesses nicht, wie bei vielen seiner Fachkollegen, handwerkliche Fähigkeiten, Tänze und Rituale, sondern die menschliche Kommunikation. Die speziellen Sprechweisen des Menschen, z. B. wie Mütter mit ihren Kindern sprechen oder Fremde einander begrüßen, waren Fragen, die ihn von Anfang an interessierten. Dahinter stand immer auch die Frage, ob es im menschlichen Verhalten Universalien gibt, also ob die Verhaltensweisen in verschiedenen Kulturen doch gleich oder vergleichbar ausgeprägt sind.

In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre entwickelte Prof. Dr. IRENÄUS EIBL-EIBESFELDT ein Kulturen vergleichendes Programm, das in Film und Ton ungestellte soziale Interaktionen des Alltags, Rituale und andere Aktivitäten dokumentiert. Ein zentrales Anliegen dieser Arbeit bildet die Erforschung der Universalien (allgemeingültigen Aussagen) im menschlichen Verhalten. In Langzeitstudien wurden dazu traditionelle Kulturen verschiedener geografischer Regionen erfasst:

  • drei Kulturen der Kalahari-Buschleute als Modell altsteinzeitlicher Jäger und Sammler (seit 1970),
  • die Yanomami des Oberen Orinoko (seit 1969) als Wildbeuter und beginnende Gartenbauer,
  • die Eipo (seit 1975) des Berglandes von West-Neuguinea (Irian Jaya) als neusteinzeitliche Pflanzer.
  • die Himba (seit 1971) als traditionelle Viehzüchter Namibias,
  • die Bewohner der Trobriand-Inseln (seit 1981) und Balis (seit 1965),
  • darüber hinaus wurden Stichprobenerhebungen in Europa, in Zentralaustralien (Walbiri, Pintubi) und Arnhemland (Gidjingali), den Philippinen (Tboli, Tasaday, Agta) und anderen geografischen Regionen durchgeführt.

Die riesige Sammlung soll nun für wissenschaftliche Arbeiten aufbereitet und auch anderen und künftigen Forschern als Arbeitsmaterial zur Verfügung gestellt werden. Der Umfang der Aufnahmen - allein das Filmmaterial hat eine Länge von 280 Kilometern - ist auch darin begründet, dass nicht durch Auswahl und (Aus)Schnitte bereits Interpretationssichten nahegelegt werden sollen.

Wissenschaftliche Veröffentlichungen

  • Grundriss der vergleichenden Verhaltensforschung. (1967)
  • Menschenforschung auf neuen Wegen. (1976)
  • Der Hai. Legende eines Mörders. (mit HANS HASS, 1977)
  • Der vorprogrammierte Mensch. (1984)
  • Die Biologie des menschlichen Verhaltens. Grundriss der Humanethologie. (1984)

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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