Geschichte der Verhaltensbiologie

Das Interesse an der Natur und den Tieren war für den Frühzeitmenschen von lebenswichtiger Bedeutung. Die Menschen beobachteten das Verhalten der Tiere, die für sie Feinde oder Beute waren, und nutzten die beobachteten Verhaltensweisen aus, um sich besser zu schützen, oder aber leichter an Nahrung zu gelangen. Frühe Höhlenmalereien zeigen oft Tiere und Jagdszenen. Die ältesten bis heute bekannten Höhlenmalereien sind die Malereien von Vallon-Pont d'Arc/Südfrankreich. Sie sind ca. 31 000 Jahre alt.

Die Menschen wussten aufgrund ihrer genauen Beobachtungen wann und wo die Tiere ihre Futter- oder Trinkplätze aufsuchten, wann sie aktiv waren oder schliefen, ob sie im Rudel oder als Einzelgänger lebten und zu welchen Jahreszeiten sie an bestimmten Plätzen zu finden waren. Auch kannten sie die Feinde und Beutetiere der einzelnen Tierarten und nutzen diese Kenntnis z. B. indem sie ihre Beutetiere als Attrappen nachbauten, um sie anzulocken.

Die Menschen begannen mit der Domestizierung, Haltung und Züchtung einiger Tiere. Dazu waren ihre bisherigen Erkenntnisse, die sie durch genaue Beobachtung des Verhaltens der Tiere gewonnen hatten, eine wertvolle Hilfe (Haustierhaltung und Viehwirtschaft).
Einige Völker passten sich sogar den Wanderungen von Zugtieren zu ihren Weideplätzen an und wurden zu Nomaden. Heute gibt es nur noch wenige nomadisch lebende Völker wie z. B. die Nomaden in den Steppen und Gebirgen der Mongolei mit ihren Yaks, oder aber die Tuareg in den heißen westafrikanischen Savannen des Sahel und in der Sahara mit ihren Kamelen und die Samen in den Nordpolargebieten mit ihren Rentieren.

Naturbeobachter hatten schon früh begonnen, sehr präzise Kenntnisse über das Verhalten der Tiere aufzuschreiben. Meist waren es Adelige oder Kleriker, da sie damals als Einzige das Lesen und Schreiben beherrschten.
Ein frühes Beispiel dafür ist das reich illustrierte Jagd-Raubvogel-Buch „De Arte Venandi cum Avibus“ von FRIEDRICH II VON HOHENSTAUFEN (1194-1250), das auf eigenen Beobachtungen beruhte und in dem die Anatomie, Physiologie und das Verhalten von Hunderten von Vogelarten beschrieben wurde. Es wurde 1596 erstmalig gedruckt und erfuhr Ende des 18. Jahrhunderts weite Verbreitung.
Weitere Beispiele sind die ebenso berühmten Vogelstudien von Baron FERDINAND ADAM VON PERNAU (1660-1731) und von Pfarrer JOHANN HEINRICH ZORN (1698-1748), sowie die Beschreibungen von Tieverhalten in „New Canaan“ des naturbegeisterten amerikanischen Rechtsanwalts THOMAS MORTON (1579-1647).
Schon diese Autoren kannten Beispiele für angeborenes Verhalten, das dem noch unerfahrenen Tier zur Verfügung steht.
Insgesamt blieben aber Verhaltensbeobachtungen an Tieren bis Ende des 18. Jh. eher eine Domäne von Naturfreunden und Philosophen.

Der Hamburger Pfarrherr HERMANN SAMUEL REIMARUS (1694-1768) formulierte in seinen „Betrachtungen über die Triebe der Thiere“ erstmals wesentliche Fragen der modernen Verhaltenforschung: Wie ist das Verhalten organisiert? Wieso lernen Tiere, wenn sie überhaupt lernen, das „Richtige“? Warum verhalten sich die vielen Tierarten so unterschiedlich? Woher kennt jedes Tier seine Bedürfnisse? Ihm fehlten jedoch noch die wissenschaftlichen Methoden um diese Fragen zu beantworten.

Bei seinen Beobachtungen am Beutefang der Spinnen und des Ameisenlöwens erkannte er, dass die Tiere die geschicktesten und sichersten „Kunstfertigkeiten“ mit auf die Welt bringen. Sein Problem bestand noch in der Beschreibung und Erklärung des Instinktverhaltens der Tiere.
Ihm kommt jedoch der große Verdienst zu, als Erster in einer derartigen Erörterung den Versuch gemacht zu haben, das gesamte Spektrum des Tierverhaltens von Insekten, Reptilien, Vögeln und Säugetieren mit einzubeziehen.
Und obwohl er keineswegs bereit war, die Unterscheidung zwischen menschlichem und tierlichem Verhalten zu verwerfen, erkannte er doch, dass einige Handlungen des Menschen auf dieselbe Weise instinktiv sind, wie gewisse Verhaltensformen der Tiere.

Die normative Kraft des Faktischen im Verhalten behandelt der 21jährige FRIEDRICH SCHILLER in seiner Promotions-Disputation (1780) „Über den Zusammenhang der thierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen“. Berühmt wird FRIEDRICH SCHILLER aber nicht als Wissenschaftler, sondern als Dichter.

Als Naturforscher auf dem königlichen Forschungs- und Vermessungsschiff „BEAGLE“, das unter Kapitän R. FITZROY eine Weltreise unternehmen sollte - mit dem Ziel, die südamerikanische Küste zu vermessen, besuchte CHARLES DARWIN (1809-1882) die Galapagos-Inseln. Die dort lebenden, von ihm beschriebenen 13 verschiedenen Finkenarten (DARWIN-Finken) hatten ihm den entscheidenden Anstoß zur Entwicklung seiner Theorie von Evolution als „Abstammung mit Veränderung“ gegeben. DARWIN vermutete, dass sie sich aus jenen Finken entwickelten, die vor Jahrtausenden aus Südamerika dorthin verschlagen wurden.
Diese hatten sich im Laufe der Zeit verschiedenen Lebensweisen und -räumen optimal angepasst. Das Verhalten der Finken unterschied sich ebenso wie die Formen ihrer Schnäbel, die dem Verzehr von Insekten, Beeren oder dem Stochern in Baumrinden angepasst sind. Daraus wurde später angenommen, das Verhalten genauso den Mechanismen der Evolution unterliegt wie die Körperformen. Er brachte die methodische, stammesgeschichtlich vergleichende Betrachtungsweise in die Untersuchungen des Verhaltens mit ein.

DARWINS Vermutung der Abstammung aller Finken der Galapagosinseln von einer einzigen Ausgangsart hat sich durch neuere (1999) biochemische und molekularbiologische Untersuchungen bestätigt:
Die DARWIN-Finken bilden ein Musterbeispiel für adaptive Radiation und ökologische Einnischung (ökologische Nische) und trugen wesentlich zur Begründung der Evolutionstheorie DARWINS bei.

Der deutsche Zoologe DAVID FRIEDRICH WEINLAND (1829-1915), der jahrelang in Amerika arbeitete, begann systematisch mit dem Sammeln von Verhaltensbeobachtungen, die er in seiner „Method of Comparative Animal Psychology“ (1858) darlegte. Dies waren die ersten Vorläufer der Ethogramme, die KONRAD LORENZ (1903-1989) später entwickelte. WEINLAND forderte, das gesamte Verhaltensinventar der Tierarten aufzuzeichnen, ehe man einzelne Vergleiche anstellt.

CHARLES DARWIN (1809-1882) veröffentlichte sein berühmtes Werk „On the origin of species by means of natural selections or the preservation of favoured races in the struggle of life“ (Über die Entstehung der Arten durch natürliche Auslese oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Lebenskampf).
DARWIN greift als Grundidee die seit JEAN BAPTISTE LAMARCK (1744-1829) diskutierte Abstammungslehre auf, die davon ausging, dass sich die Vielfalt der bekannten Arten aller Lebewesen aus wenigen Urformen entwickelt habe, und dass somit alle Lebewesen miteinander „verwandt“ seien. DARWIN modifizierte und ergänzte die Annahmen LAMARCKS in folgender Weise:
Er nahm an, dass die Form der Organe und auch die für ihren Gebrauch notwendigen Verhaltensweisen an die Nachkommen vererbt werden können (Vererbungshypothese). Dabei können zufällig Variationen in der Form und auch in der Verhaltenseigenart auftreten (Mutationshypothese). Eigenschaften, die für die Lebewesen in ihrer Umwelt günstig sind, bleiben erhalten und werden an die nachfolgenden Generationen weitergegeben. Ungünstig wirkende Eigenschaften bewirken eine geringere Nachkommenschaft und sterben aus (Selektionshypothese).

Um sich das Prioritätenrecht zu sichern, musste DARWIN sich mit der Veröffentlichung beeilen, da er 1855 einen Konkurrenten bekam, den Biologen ALFRED RUSSELL WALLACE (1823-1913). WALLACE hatte in einem Aufsatz „Essay on the Law which has regulated the Introduction of New Species.“ („Essay über das Gesetz, welches die Entstehung neuer Arten reguliert hat“) Theorien beschrieben, die in zahlreichen Details mit denjenigen DARWINs überein stimmten.

ALFRED EDMUND BREHMs (1829-1884) „Illustriertes Thierleben“ wurde veröffentlicht. Zwischen 1864 und 1869 erschien es in sechs Bänden. Es war das erste tierkundliche Werk, das neben der Anatomie auch die Lebensweise der Tiere schilderte.
Fortschrittlich für seine Zeit war die Vorgehensweise: Er suchte die Tiere in ihrer natürlichen Umwelt auf, studierte ihre Verhaltensweisen und versuchte ihre Einbettung in größere Naturzusammenhänge zu verstehen. Auch wenn er in seinen Beschreibungen einen Hang zum Andichten menschlicher Eigenschaften wie Tugend, Gefühl oder Leidenschaft hatte, gelang es keinem anderen damals die Tierwelt den Menschen so nahe zu bringen.

Ab der 2. Auflage nannte sich sein Werk „BREHM's Thierleben“, und unter diesem Namen ist es auch heute noch weit bekannt. Besonders durch seine vielen Illustrationen wurde „BREHM's Tierleben“ nicht nur unter Naturforschern, sondern auch im Volk hoch geschätzt. BREHM war es wichtig, seine Erkenntnisse über das „Ich der Thiere“ vor allem auch dem gemeinen Volk nahezubringen.

Erstmals taucht der Begriff Ethologie auf.
Der französische Zoologe ALFRED GIARD (1846-1908) nannte seine Freilandbeobachtungen der Umweltbeziehungen verschiedenster Tiere „Ethologie“ [von griech. ethos = Gewohnheit, Sitte, logos = Kunde].
Beim Studium des Verhaltens von Tanzfliegen erkannte auch WILLIAM MORTON WHEELER (1865-1937), dass man die Angepasstheit irgendeines Verhaltens nur im natürlichen Lebensraum sinnvoll überprüfen kann, dafür übernahm er 1902 die Bezeichnung Ethologie. 1909 benannte der französische Paläontologe LOUIS DOLLO (1857-1931) das Erforschen aller, also auch physiologischer und morphologischer Anpassungen, Ethologie.

DARWIN (1809-1882) veröffentlichte „The Decent of Man, and selection in relation to sex“ (Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Auswahl).
Streitlustig wendete er die allgemeinen Grundsätze seines „Origin of species“ unmissverständlich auf den Menschen an und eröffnete so die seitdem nicht mehr enden wollende philosophisch-theologische Frage: Stammt der Mensch vom Affen ab? Das auch auf den Menschen bezogene Prinzip der Selektionstheorie provozierte die Zeitgenossen des 19. Jahrhunderts. Ähnlich wie die Prachtkleider mancher Vögel oder Hirschgeweihe, so glaubte DARWIN, seien viele der hochgeschätzten menschlichen Merkmale nichts anderes, als ein indirektes Produkt sexueller Selektion. Diese Annahmen mündeten in einen hochemotionalen Disput, der bis weit ins 20. Jahrhundert hineinreichte.
Ähnlich wie die Prachtkleider mancher Vögel oder Hirschgeweihe, so glaubte DARWIN, seien viele der hochgeschätzten menschlichen Merkmale nichts anderes, als ein indirektes Produkt sexueller Selektion.
DARWIN sah es als ein Grundprinzip seiner Evolutionstheorie, dass die Angepasstesten und Leistungsfähigsten überlebten und für Nachkommen sorgten und nannte es Fitness (survival of the fittest). Die durch eigene Fortpflanzung erzielte Fitness nennt man heute DARWIN-Fitness .
Seine Arbeiten beeinflussten die Biologie grundlegend und gewannen zur damaligen Zeit große Bedeutung für das moderne wissenschaftliche Denken.

CHARLES DARWIN (1809-1882) wies der späteren Verhaltensforschung den Weg.
In seiner Abhandlung „The Expression of the Emotions of Man and Animal“ (Der Ausdruck der Gemuethsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren) beschrieb er emotionale Ausdrucksweisen bei Mensch und Tier, die ebenso wie die körperlichen Eigenschaften in der Entwicklungsgeschichte der betreffenden Art eine wichtige Überlebensfunktion hatten. Sie sind somit ebenso vererbt und unterliegen dem Prozess der Evolution.
Die Gemeinsamkeiten gewisser Ausdruckweisen verschiedener, aber verwandter Spezies, sind homologe Ergebnisse der Entwicklungsgeschichte. Sie weisen auf den genetischen Ursprung des Verhaltens hin. Die biologische Funktion einzelner Verhaltensweisen, des emotionalen Ausdrucks, können zwar im Verlauf der Entwicklung verloren gehen, die entsprechenden Reaktionsbereitschaften und äußeren Strukturen, bleiben jedoch erhalten und werden auch weiter vererbt. So bleibt auch der „Kulturmensch“ mit grundlegenden Verhaltensweisen ausgestattet, die er von seinen „tierähnlichen“ Vorfahren mitbekommen hat.

JOHN BURROUGHS (1837-1921) schrieb die erste Abhandlung über das Verhalten der Bienen-Kundschafter, die ein neues Heim für den Schwarm suchen.

JEAN HENRI FABRE (1823-1915) begann mit der Veröffentlichung seines 10-Bändigen Hauptwerks „Souvenirs entomologiques = études sur l'instinct et les mœurs des insectes“ über seine Studien an Insekten, deren Verhalten er schon genauestens beschrieb.

Der erste Grundriss einer stammesgeschichtlich orientierten vergleichenden Psychologie hieß „Tierische Intelligenz“ von G.J. ROMANES (1848-1894). Er stellte ihn der vergleichenden Anatomie an die Seite.

IWAN PETROWITSCH PAWLOW (1849-1936), führte ein Experiment zum Nachweis der klassischen Konditionierung durch. Unter dem Namen „pawlowscher Hund“ geht es in die Geschichte ein.

PAWLOW hatte durch Zufall beobachtet, dass bei Zwingerhunden schon die Schritte des Besitzers Speichelfluss auslösten, obwohl noch gar kein Futter in Sicht war. Er schloss daraus, dass das Geräusch der Schritte, dem regelmäßig die Fütterung folgte, für die Hunde mit Fressen verbunden war. Diese Beobachtung veranlasste ihn zu einem Experiment. Er ließ jedes Mal vor der Fütterung einen Gong ertönen. Schon nach wenigen Tagen hatten die Hunde gelernt, das Signal mit der Fütterung zu verbinden. Bei jedem Gongschlag sonderten die Tiere nun Speichel ab, auch wenn der Futternapf leer blieb. Dieses Phänomen bezeichnete PAWLOW als bedingten Reflex (klassische Konditionierung).

Das Futter ist ein natürlicher, unkonditionierter Reiz. Der Glockenton ist durch den Prozess der Konditionierung zum konditionierten Reiz geworden. PAWLOW nahm als Erklärung dafür sehr einfache Prozesse im Sinne einer Reiz-Reflex-Reaktion an. Über komplizierte kognitive Prozesse machte er sich dabei keine Gedanken, zumal es sich bei den von ihm untersuchten konditionierten Reaktionen, wie dem Speichelfluss bei Hunden, um Reflexe handelte.

PAWLOW gilt als Entdecker des bedingten (konditionierten) Reflexes. Bedingte Reflexe befähigen ein Lebewesen, sich rascher an eine veränderliche Umwelt anzupassen. Sie stehen am Ende eines Lernprozesses. Diesen bezeichnet man heute nach PAWLOW als klassische Konditionierung und die beschriebene Reaktion als konditionierten Reflex. Dabei handelt es sich um einen erlernten, nicht angeborenen Reflex.
PAWLOW war der Überzeugung, dass man diese Befunde auch lernpsychologisch auf den Menschen anwenden könne. Später dienten seine Experimente den Behavioristen als Vorlage.
Er erhielt 1904 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für seine Arbeiten über die Verdauungsdrüsen.

CHARLES OTIS WHITMAN (1842-1910), Zoologe und Verhaltensforscher und dessen Schüler WALLACE CRAIG (1876-1954) entwickelten die ersten Methoden einer „Vergleichenden Verhaltensforschung“. WHITMAN untersuchte Egel, Flussmolche und Tauben und beobachtete z. B. erhebliche Übereinstimmungen im Ablauf der Trinkgewohnheiten vieler verschiedener Taubenarten.
Er konnte durch genaue Verhaltensbeschreibungen und Artenvergleiche an Tauben feststellen, dass es formkonstante Verhaltensweisen gibt, die für Arten typisch sind und daher wie anatomische Merkmale für taxonomische Überlegungen verwertet werden können.
Er forderte, die Stammesgeschichte von Instinkten genauso zu untersuchen, wie die von Organen. Dies wurde zum Grundthema der klassischen Ethologie.

Nach seinen Arbeiten zur Verdauungsphysiologie begann IWAN PAWLOW nach der Jahrhundertwende, sich intensiv für die Reizung von Speicheldrüsen „auf Distanz“ zu interessieren. In seinem Aufsatz „Experimentelle Psychologie und Psychopathologie“ von 1903 beschreibt er zum ersten Mal das Zustandekommen „bedingter Reaktionen“.
1904 erhielt er den Nobelpreis für Medizin oder Physiologie für die an Hunden umfassenden Untersuchungen über die Physiologie der Verdauung.

Zum ersten Mal taucht der Begriff Umwelt in der Wissenschaft auf. In seinem Buch „Umwelt und Innenwelt der Tiere“ führte JAKOB VON UEXKÜLL (1864-1944) diesen Begriff ein um das, was ein Lebewesen wahrnimmt und seine Reaktion darauf zu beschreiben. Er definierte in seiner Umweltlehre den Begriff „Funktionskreis“ als Wechselbeziehung bestimmter Organe und Verhaltensweisen zu Teilen seiner Umwelt. Seine Vorstellung vom Funktionskreisschema, gilt als Vorläufer des AAM-Schlüsselreizkonzepts (angeborener auslösender Mechanismus, Schlüsselreiz).
Der Begriff Umwelt, zuvor kaum alltagssprachlich geläufig, wurde hier terminologisch eingeführt. Er ist streng zu unterscheiden von dem Begriff Umgebung. Die Umgebung nimmt Lebewesen als Objekte auf, die Umwelt aber wird von ihnen gestaltet. VON UEXKÜLL entwickelte eine spezifische Methode der Umweltforschung (wie er sie nannte).

OSKAR HEINROTH (1871-1945) trug auf dem 5. Internationalen Ornithologen-Kongress in Berlin seine Forschungen am Verhalten von Entenvögeln vor, die er dann 1911 veröffentlichte. Die biologische Erforschung der „Instinkthandlungen“ bezeichnete HEINROTH dort als Ethologie im heutigen Sinne. Er gilt als Mitbegründer der klassischen Ethologie.

1896 studierte HEINROTH Zoologie in Berlin. 1913 konnte das nach seinen Vorstellungen gebaute Aquarium des Berliner Zoos eröffnet werden. Das Aquarium erlangte unter HEINROTHS 30jähriger Leitung Weltruf.
Besonders bedeutsam sind HEINROTHS mit Fakten und Fotos belegten Aussagen über angeborene Triebhandlungen der Vögel. In seinen in Berlin 1911 veröffentlichten Studien über die Biologie der Anatiden (Familie der Entenvögel) verglich er die Rufe, Ausdrucksbewegungen aller von ihm beobachteten Schwan-, Gänse- und Entenarten bei der Balz, bei der Brut, der Aufzucht und der Führung der Jungen. Er entwickelte Begriffe wie Prägung, Hetze, Imponiergehabe, Triumphgeschrei.

Diese Erkenntnisse machten ihn zum „Vater der Verhaltensforschung“, wie KATHARINA HEINROTH (1897-1989) in ihrem Buch über ihren Mann schrieb: „HEINROTH löste, durch seine Forschungsmethode und durch die Einführung des Gesichtspunktes der Evolution, die Verhaltensforschung von den Geisteswissenschaften und machte sie zu einer wissenschaftlichen Disziplin der Naturwissenschaften. Er brachte den Stein ins Rollen, den LORENZ und seine Schüler zu einer Lawine werden ließen ...“

HEINROTH war Lehrer und väterlicher Freund des jungen KONRAD LORENZ in der Phase der vergleichenden Verhaltensforschung in den 1930er Jahren. Er postulierte genauso wie C. O. WHITMAN, jedoch unabhängig von diesem, dass Bewegungsweisen ebenso wie Körpermerkmale zur Bestimmung einer Tierart dienen können.

Beginn des Behaviorismus
JOHN BROADUS WATSON (1878-1958), amerikanischer Psychologe, gilt als der Begründer des Behaviorismus.

Er beschäftigte sich nach seinem Studium eingehend mit Fragen der Tierpsychologie, erhielt 1908 eine Professur für experimentelle und vergleichende Psychologie und wurde mit der Leitung des psychologischen Laboratoriums an der Johns Hopkins University in Baltimore beauftragt. Von 1920 bis 1945 war er in der Werbepsychologie tätig.
Aus seinen Studien an Seeschwalben forderte er, das Instinkte nicht gelernte, sondern ererbte, formstarre Reaktionen auf definierte Objekte seien und erfand die Aufzucht unter Erfahrungsentzug (KASPAR-HAUSER-Versuch). Seine Vorbilder waren PAWLOW mit seinen Experimenten über den bedingten Reflex und THORNDIKE mit seinen Lernexperimenten (Versuch und Irrtum).
In einem 1913 veröffentlichten Aufsatz akzeptierte er nur das äußere Verhalten des Menschen als messbares Verhalten, welches mit naturwissenschaftlichen Methoden zu erforschen war. Bewusstsein, Denken und Emotion schloss er aus. Damit reduzierte er das Verhalten auf ein Reiz-Reaktions-Geschehen. Er übertrug die Methoden seiner bis dahin rein tierpsychologischen Experimente (Sinnesleistung und Lernen bei Ratten, Affen und Vögeln) auf den Menschen. Bekannt wurde v.a. das umstrittene Konditionierungsexperiment mit einem 11 Monate alten Kleinkind „LITTLE ALBERT“, in dem der Nachweis geführt werden sollte, dass emotionale Reaktionen Reiz-Reaktions-Verknüpfungen sind und daher ebenfalls konditionierbar sind.

Neben der in Europa gängigen Verbreitung der vergleichenden Verhaltensforschung entwickelte sich seit WATSONs Veröffentlichung in den USA die Schule des Behaviorismus. Das Lernen wird hier beschrieben als eine Reiz-Reaktions-Verbindung, die auf unterschiedliche Weise beeinflusst werden kann. Jede Reaktion wird durch einen Reiz ausgelöst. Subjektive Begriffe wurden abgelehnt.
Die Behavioristen bestritten die Existenz genetisch angelegter Verhaltensweisen, sowie die Möglichkeit spontanen Verhaltens. Sie führten Versuche (nach Vorbildern wie. PAWLOW: klassische Konditionierung und SKINNER: operante Konditionierung) in großen Serien mit zahlreichen Versuchstieren durch, die sie ausführlich dokumentierten und statistisch absicherten. Die Forschungsergebnisse der vergleichenden Verhaltensforschung wurden oft abgelehnt, da sie nicht statistisch gesichert waren.

Heute hat sich der Streit zwischen den beiden Schulen gelegt. Der radikale Ausschließlichkeitsanspruch der Behavioristen hat sich als falsch erwiesen, geblieben sind jedoch wichtige Erkenntnisse über Lernverhalten und wichtige experimentelle Verfahren, die z.T. heute noch Anwendungen finden.

EDWARD LEE THORNDIKE (1874-1949), amerikanischer Psychologe und Vorläufer des Behaviorismus, beschrieb das „Effekt-Gesetz“, nach dem Belohnung eine Reiz-Reaktions-Verbindung stärkt und Bestrafung sie abschwächt.
Er forschte vor allem über lernorientierte Themen und führte das Tierexperiment in die Lernforschung ein. Dazu entwickelte er den Problemkäfig, eine klassische Versuchsanordnung, mit der das Problemlösungsverhalten eines Tieres untersucht werden konnte.

WOLFGANG KÖHLER (1887-1967), deutsch-amerkanischer Psychologe und Verhaltensforscher, ab 1922 Proffesor in Berlin, emigrierte 1935 in die USA. Er gehörte mit seinen psychologischen Arbeiten zu den Hauptvertretern der Berliner Schule der Gestaltpsychologie.
Bekannt wurde er vor allem durch seine berühmten Experimente zu den Intelligenzleistungen von Schimpansen (1913-1917). Auf einer Anthropoidenstation der Preußischen Akademie der Wissenschaften, auf Teneriffa, führte er die ersten Intelligenzprüfungen an Schimpansen durch. Er untersuchte kognitive Verhaltensweisen, wie Werkzeuggebrauch, vorrausschauendes Handeln und Begriffsbildung.
Er konnte beobachten, dass sie nicht nur über Versuch und Irrtum zum Ziel gelangten, sondern in der Lage waren, die Aufgaben erfolgreich zu lösen, indem sie unterschiedliche Verhaltensweisen neu kombinierten. Sie wählten aus mehreren Alternativen die erfolgsversprechendsten aus.
„Die Schimpansen lösen Probleme durch Nachdenken“, als WOLFGANG KÖHLER dies 1920 nach seinen Experimenten behauptete, war das noch sehr umstritten. Köhler hatte u.a. beobachtet, dass sich die Tiere Bananen, die in ihrem Gehege an der Decke aufgehängt waren, herunter holten, indem sie Kisten übereinander stapelten und darauf kletterten. Erstaunlich dabei war, dass sie es auf Anhieb richtig machten ohne vorher herumzuprobieren, nachdem sie vorher eine Weile nur dagesessen und herumgeschaut hatten.
Inzwischen ist man sich darüber einig, dass Menschenaffen denken. Strittig ist allerdings noch, wie differenziert ihre Denkfähigkeit ist. Ihre geistige Leistungsfähigkeit wird meist mit der von dreijährigen Kindern verglichen.

WALLACE CRAIG (1876-1954), der die Arbeiten seines Lehrers CHARLES O. WHITMAN (1842-1910) nach dessen Tod fortführte, beschrieb als erster, im Zusammenhang mit Instinkthandlungen, die einerseits starre Endhandlung, die immer angeboren ist, und andererseits einen allgemeinen Unruhezustand, der manchen Endhandlungen vorausgeht und auf eine Bereitschaft zu einer solchen Handlung schließen lässt: das Appetenzverhalten.

„Der KLEINE ALBERT“ („LITTLE ALBERT“) - Ein fragwürdiges „klassisches Experiment“ des Behaviorismus
Ende 1919 führte der Behaviorist JOHN BROADUS WATSON (1878-1958) zusammen mit ROSALIE RAYNER jenes berühmte Experiment mit dem Kleinkind Albert durch, in dem der Nachweis geführt werden sollte, dass emotionale Reaktionen, genau wie Reiz-Reaktions-Verknüpfungen, konditionierbar sind und dass durch einen einfachen Konditionierungsprozess phobische Ängste erzeugt werden können. Dabei ist der „Kleine Albert“ als paradigmatisches Musterbeispiel kaum zu gebrauchen, da die elementarsten methodischen Grundforderungen des Behaviorismus verletzt (Quantifizierung und systematische Kontrolle der Variablen) werden.

WATSON glaubte, sein Experiment sei von grundsätzlicher methodologischer Bedeutung, und von nun an könnten die PAWLOW'schen Experimente als Prototyp gelten für die experimentelle Untersuchung von menschlichem emotionalen Verhalten gelten.

OSKAR HEINROTH (1871-1945) und seine Frau MAGDALENA HEINROTH zogen zwanzig Jahre lang in „KASPAR-HAUSER-Experimenten“ eine große Zahl von Vögeln verschiedener Arten ohne Kontakt zu ihren Artgenossen auf, um zu sehen, welches Verhaltensrepertoire diese durch Vererbung mitbringen. Diese Erkenntnisse veröffentlichten sie in einer monumentalen Bestandsaufnahme der Verhaltensausstattung heimischer Vogelarten „Die Vögel Mitteleuropas“ (Heinroth & Heinroth, 1924-1928), die zu einer wichtigen Informationsquelle für die späteren Verhaltensbiologen wird. KONRAD LORENZ (1903-1989) sieht die darin unternommenen Betrachtungs- und Untersuchungsweisen als bahnbrechend für die Verhaltensforschung an.

EDWARD TOLMAN (1886-1959), amerikanische Psychologe, bedeutendster Vertreter des Neobehaviorismus und der amerikanischen Lernpsychologie, war Begründer des kognitiven Ansatzes im Verhalten der Tiere und der erste Verfechter der kognitiven Lerntheorie .
EDWARD TOLMAN führte die ersten Labyrinthversuche mit Ratten durch und entwickelte mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen die Lerntheorie der kognitiven Landkarte und des latenten Lernens.
Sein Experiment: Er ließ eine Gruppe von Ratten durch ein Labyrinth laufen. Die hungrigen Ratten erhielten jedes Mal, wenn sie das Ziel erreicht hatten, Futter. Den Ratten gelang es immer schneller zum Ziel zu kommen. Sie haben sich ein Bild vom Aufbau des Labyrinths eingeprägt, die kognitive Landkarte, um ihr Futter schneller zu erreichen. Eine zweite Gruppe von Ratten bekam zuerst kein Futter als Verstärker. Als mit der zweiten Gruppe derselbe Versuch durchgeführt wurde wie mit der ersten, lernten die Ratten der zweiten Gruppe wesentlich schneller zum Futter zu gelangen als die erste Gruppe. Die Ratten der zweiten Gruppe hatten den Aufbau des Labyrinths bereits in den ersten Tagen gelernt, ohne dieses Wissen anwenden zu müssen (latentes Lernen). Als es dann Futter gab konnten sie ihr latent erworbenes Wissen nutzen, und waren schneller am Ziel als die erste Gruppe.

TOLMAN versuchte, in die Sichtweise des Behaviorismus - dass Lernen eine isolierte Reiz-Reaktions-Verknüpfung ist - auch die Erfahrungen, die durch Verknüpfung äußerer Reize mit bestimmten Bedingungen gemacht wurden, mit einzubeziehen.
Seiner Ansicht nach erwerben Tiere Wissensgegenstände oder Kognitionen, die sie bei Bedarf sofort abrufen und nutzen können. Die damals vorherrschende Meinung, dass Tiere nur durch Handeln lernen, widerlegte TOLMAN, mithilfe seiner Labyrinth-Experimente, die zeigen konnten, dass Tiere allgemeine Merkmale eines Raumes oder eines Labyrinthes lernen, ohne das entsprechende Verhalten ausführen zu müssen. Er fand Hinweise für das Phänomen der kognitiven Karten, mit deren Hilfe Tiere die wichtigen kausalen oder räumlichen Kennzeichen der Umwelt miteinander in Beziehung setzen. Kognitive Karten sind innere (im Gehirn erfolgende) Darstellungen der Umgebung, die durch visuelle, akustische oder chemische Landmarken gebildet werden. Sie repräsentieren begriffliches und räumliches Wissen über die näher und weitere Umgebung.

BURRHUS FREDERIC SKINNER (1904-1990), der amerikanische Psychologe und Behaviorist beschäftigte sich in der ersten Hälfte des 20. Jh. mit dem Phänomen der bedingten Aktionen. Für seine erste experimentelle Serie mit Ratten baute SKINNER eine Apparatur, die schon alle wesentlichen Elemente der späteren „SKINNER-Boxen“ besaß (1932).

Die SKINNER-Box ist ein Käfig mit eingebautem Hebel, in dem Tiere zu bedingten Aktionen bewegt werden. Sobald das Tier auf den Hebel drückt, erhält es Futter, Wasser oder eine andere Form der Belohnung. Bei mehrfacher Wiederholung vollzieht sich ein Lernprozess, den er operante Konditionierung nannte.
Im Gegensatz zur klassischen Konditionierung nach I.P. PAWLOW wird bei der operanten Konditionierung nicht ein neues Reizmuster für die Auslösung eines bekannten Verhaltens gelernt, sondern es wird eine völlig neue Verhaltensweise gelernt, wie man sie vor dem Lernvorgang beim entsprechenden Tier noch nicht beobachten konnte.
Mithilfe seiner tierexperimentellen Forschung über Lernprozesse und der von ihm entwickelten SKINNER-Box war er in der Lage, seine behavioristische Lerntheorie systematisch zu begründen. Darüber hinaus entwickelte SKINNER durch seine Erkenntnisse über die operante Konditionierung eine Art programmierten Unterricht und sozialtechnologische Entwürfe.

JAKOB VON UEXKÜLL (1864-1944), der am damaligen Institut für Umweltforschung der Universität Hamburg tätig war, veröffentlichte zum ersten Mal eine wissenschaftliche Methode zur Abrichtung von Blindenführhunden, die dann wenige Jahre später (1937/38) von seinem Schüler SARRIS verbessert und vervollständigt werden konnte. Noch heute wird diese Methode zur Ausbildung von Blindenführhunden angewendet.

Anhand seiner Erfahrungen mit dem Gänsekind „MARTINA“ erforschte KONRAD LORENZ (1903-1989) den Mechanismus der Elternprägung. Die kleine Graugans „MARTINA“, sah und hörte bei ihrem Ausschlupf aus dem Ei LORENZ und akzeptierte von da an nur ihn als Muttertier. Eine Gänse-Mutter kam nicht mehr in Frage.
Damit begann für KONRAD LORENZ eine lebenslange Forschung und Freundschaft mit Graugänsen.
LORENZ gilt als der Hauptbegründer der klassischen Ethologie. Er sah in der Ethologie eine neue Wissenschaft, in der er DARWINS Evolutionskonzept strikt auf Verhaltensweisen anwandte und darauf aufbauend eine plausible Theorie für ein erstes Instinktmodell (psychohydraulisches Triebmodell) aufstellte. Lorenz selbst unterschied schließlich zwischen angeborener und erworbener Angepasstheit des Verhaltens. In seiner klassisch gewordenen Arbeit „Vergleichende Bewegungsstudien an Anatinen“ (1941) demonstrierte K. LORENZ die Erstellung und Verwendung von Ethogrammen am Beispiel der Balz verschiedener Entenarten. 1973 erhielt er zusammen mit KARL VON FRISCH (1886-1982) und NICOLAAS TINBERGEN (1907-1988) den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für ihre Entdeckungen zur Organisation und Auslösung individueller und sozialer Verhaltensweisen.

LORENZ definierte in der Verhaltensforschung wichtige Begriffe wie: Instinkt, Prägung, Angeborener Auslösemechanismus, Erbkoordination, Handlungsbereitschaft, Schlüsselreiz, Leerlaufhandlung, Übersprungsverhalten.

Die an verschiedenen Universitäten isoliert tätigen Ethologen begannen sich Mitte der 30iger Jahre des 20. Jh. zu organisieren. Im Januar 1936 wurde in Berlin die Deutsche Gesellschaft für Tierpsychologie gegründet.

Als Geburtsjahr der Ethologie kann das Jahr 1937 gelten. ERICH VON HOLST (1908-1962) lieferte die schlagenden Argumente gegen die Kettenreflex-Idee der Behavioristen und drängte KONRAD LORENZ (1903-1989) dazu, die Spontanität im Verhalten ernst zu nehmen.
1937 gründeten KONRAD LORENZ (1903-1989), CARL KRONACHER (1871-1938) und OTTO KOEHLER (1887-1967) die erste Fachzeitschrift für Verhaltensforschung, die „Zeitschrift für Tierpsychologie“; heute heißt sie „Ethology“ (JOOST TER PELKWIJKS und TINBERGENS Aufsatz über den dreistachligen Stichling erscheint im ersten Band).
KONRAD LORENZ, OSKAR HEINROTH (1871-1945) und NIKOLAAS TINBERGEN (1907-1988) versuchten die vielen bisher gemachten Einzelbeobachtungen und Erklärungssätze zu einem tragfähigen theoretischen Gebäude zusammen zu setzen.
Ein wichtiger Inhalt der klassischen Ethologie war die Erklärung des Zustandekommens von Instinkthandlungen. Eine abgestufte Ähnlichkeit arteigener Bewegungsweisen weist auf eine entsprechend abgestufte Stammesverwandtschaft der Arten hin. Dazu muss die Bewegung in ihrer Ablaufform erbkoordiniert sein. Sie definierten Erbkoordination als starr ablaufendes, genetisch vererbtes, arttypisches Handlungselement, das häufig den Abschluss von zielsuchenden Verhaltenssequenzen bildet. Weithin als gegeben angesehen wurden damals die mittelbaren (ultimaten) Faktoren, das sind die adaptiven Bedeutungen des Verhaltens, die den Selektionsvorteil des geeigneteren gegenüber des weniger geeigneten Verhalten ausmachen. Im Vordergrund stand nun die Frage nach den Mechanismen des Verhaltens und seinen unmittelbaren (proximaten) Gründen.

ERICH VON HOLST (1908-1962), Verhaltensphysiologe und Neuroethologe, konnte nachweisen, dass es angeborene, arteigene Bewegungsfolgen gibt, die nicht - wie viele andere tierliche und menschliche Verhaltensweisen - den bedingten und unbedingten Reflexen zuzuordnen sind, sondern (unabhängig von zentralwärts geleiteten Impulsen) auf der automatisch-rhythmischen Erzeugung von Reizen im Zentralnervensystem beruhen. Verhalten kann also auch durch selbsttätige Impulse des ZNS gesteuert werden. Er untersuchte mit der Methode der lokalisierten elektrischen Hirnreizung unter anderem die Reaktionsintensität, Erschöpfbarkeit und die experimentelle Reproduzierbarkeit von Triebkonfliktsituationen.

VON HOLST beschäftigte sich vor allem mit dem Libellen- und Vogelflug (er konstruierte Schwingenmodelle), der Sinnesphysiologie, optischen Täuschungen, dem ZNS und allgemeinen biologischen Regelungsfragen (Reafferenzprinzip).

NICOLAAS TINBERGEN (1907-1988) veröffntlichte zusammen mit JOOST TER PELKWIJK seine bekannten experimentellen Untersuchungen am dreistachligen Stichling zur Erforschung von Instinktverhalten.
TER PELKWIJK und TINBERGEN begannen systematisch verschiedene „Auslöseschemata“ zu überprüfen. Sie boten den Stichlings-Männchen verschiedene Attrappen von Weibchensilhouetten an und isolierten so das zentrale auslösende Merkmal: die Bauchverdickung des Weibchens. Das Stichlingsweibchen laicht erst ab, wenn es durch einen Glasstab am Schwanz angestoßen wird. Dies war der Ersatz für den „Schnautzentriller“ des Männchens, das dieses Verhalten zeigt, wenn er bei Weibchen das Ablaichen auslösen will.
Daraus erkannten sie, das bei Instinkthandlungen sowohl die Körpermerkmale als auch Verhalten von Artgenossen als angeborene Auslösemechanismen dienen können, auf die dann soziale Verhaltensweisen folgen. Auch diese Auslöser sind auf einige zentrale Merkmale reduzierbar. Sie entdeckten auch, das Instinktverhalten hierarchisch organisiert ist: Das Balzverhalten des Stichlings tritt erst auf, wenn er ein Territorium hat, das Territorialverhalten seinerseits wird erst ausgeführt, wenn die Tageslänge und der Pflanzen bestand des Gewässers ausreichend ist. Daraus entwickelte TINBERGEN später sein hierarchisches Instinktmodell.

KONRAD LORENZ (1903-1989) und NICOLAAS TINBERGEN (1907-1988) führten den berühmten Versuch über das Ei-Rollen der Graugans zur Erforschung von Instinktverhalten und Erbkoordination durch.
Eine Gans holt ein neben dem Nest liegendes Ei mit der Unterseite des Unterschnabels wieder zurück. Sie entdeckten, dass dieses Verhalten aus zwei verschiedenen Mechanismen besteht: In einer starren Instinktbewegung greift der Schnabel über das Ei und zieht es unter den Körper, während balancierende Taxis-Bewegungen des Schnabels verhindern, dass das Ei seitlich wegrollt. Nimmt man das Ei unterwegs weg, läuft die Instinktbewegung ohne die ausgleichenden Taxis-Bewegungen leer zuende.

Weltweit bekannt wurde das klassische psychohydraulische Instinktmodell von KONRAD LORENZ (1903-1989). Es betrifft den Mechanismus des Verhaltens und enthält vier wesentliche Annahmen:

1.Es gibt Erbkoordinationen, Verhaltensweisen, die dem Individuum schon beim ersten Gebrauch voll ausgebildet zur Verfügung stehen.
2.Es gibt in der Wahrnehmung verankerte Auslösemechanismen, die auf bestimmte Reizsituationen ansprechen und bestimmtes Verhalten des Tieres bewirken.
3.Es gibt nervöse Koordinationszentren, die zu folgerichtigen Handlungssequenzen führen und diese zu einem sinnvollen Ende bringen.
4.Es gibt spezifische Handlungsbereitschaften, die unvermittelt anwachsen können und in vielen Fällen wieder absinken, wenn das folgerichtige Ende der entsprechenden Handlungsfolge erreicht ist.

KONRAD LORENZ (1903-1989) wurde auf den Lehrstuhl für Psychologie in Königsberg berufen (es sei erwähnt, dass diesen Lehrstuhl vorher bereits IMMANUEL KANT (1724-1804) inne hatte), dies führte ihn zum Einstieg in KANT'S Philosophie und zur Grundlegung der Evolutionären Erkenntnistheorie, die Lorenz zeitweilig als seine wichtigste wissenschaftliche Leistung ansah. Er behandelte darin das „angeborene Verstehen“ biologisch relevanter Situationen gleichzeitig als biologisches und als erkenntnistheoretisches Problem.
Sein Buch „Kants Lehre vom Apriorischen im Lichte gegenwärtiger Biologie“, das er ein Jahr nach seiner Berufung veröffentlichte, wurde richtungweisend für die Evolutionäre Erkenntnistheorie.

Der niederländische Zoologe und Primatenforscher ADRIAAN KORTLANDT (geb. 1918) beschrieb zum ersten Mal die Übersprunghandlung in Konfliktsituationen. Ist Flucht- und Angriffsverhalten gleich stark motiviert, so tritt ein nicht in den Kontext passendes, deplaziertes Verhalten auf.

Kindchenschema nannte KONRAD LORENZ (1903-1989), die von ihm erstmals beschriebenen Gesichtsproportionen, die vor allem bei Kindern und Jungtieren zu sehen sind. Charakteristika des Kindchenschemas sind ein vergleichsweise großer Kopf mit ausgeprägter Stirnwölbung und Hinterkopf, große, runde Augen, kleiner Nasen- und Kinnbereich usw., Sie werden als „herzig“ empfunden, haben Schlüsselreizwirkung zur Auslösung des Brutpflegetriebs und wirken aggressionshemmend. Es gilt als ein Beispiel für einen angeborenen auslösenden Mechanismus (AAM, in diesem Fall für Brutpflegereaktionen; Brutpflege) beim Menschen.

KONRAD LORENZ (1903-1989) demonstrierte in seiner klassisch gewordenen Arbeit „Vergleichende Bewegungsstudien an Anatinen“ die Erstellung und Verwendung von Ethogrammen am Beispiel der Balz verschiedener Entenarten. Für das Stockenten-Männchen gibt er dabei folgende Ausdrucksbewegungen und -laute an: Hetzen, Abweisungsgebärde, Nickschwimmen, Decrescendoruf, Paarungseinleitung. Diese Verhaltensweisen sind relativ formkonstant und lassen sich daher gut wiedererkennen und mit den Ausdruckshandlungen anderer Entenarten vergleichen.

KARL VON FRISCH (1886-1982), Zoologe, Tierpsychologe und bedeutender Bienenforscher, untersuchte das Kommunikationssystem der Bienen, das er in seiner Abhandlung „Die Tänze der Bienen“ beschreibt. Wie komplex ein angeborenes soziales Kommunikationssystem sein kann, zeigte KARL VON FRISCH mit seiner Entschlüsselung der Bienensprache. Er wurde vor allem durch die Enträtselung des Bienentanzes bekannt, durch den sammelnde Arbeiterinnen mithilfe von Bewegungsmustern anderen Bienen den Weg zur Nahrungsquelle weisen.
Schon seit 1913 erschien seine erste Bienenarbeit über den Geruchs- und Geschmacksinn von Bienen. Er leistete auch wichtige sinnesphysiologische Arbeiten zum Hör- und Farbsehvermögen von Fischen. Später entschlüsselte er die Orientierung der Bienen in ihrer Umgebung durch den Sonnenkompass (Kompassorientierung).
1973 erhielt er zusammen mit KONRAD LORENZ (1903-1989) und NICOLAAS TINBERGEN (1907-1988) den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für ihre Entdeckungen zur Organisation und Auslösung individueller und sozialer Verhaltensweisen.

BIRUTE GALDIKAS (geb.1946), Zoologin, Verhaltensforscherin und weltweit führende Expertin für Orang-Utans hatte sie seit 1946 in den Wäldern von Borneo, die unmittelbar vom Aussterben bedrohte Affenart erforscht, studiert und sich für sie eingesetzt. Sie ist Gründerin und Präsidentin der „Orangutan-Foundation International“.
GALDIKAS analysierte mit acht weiteren Primatenforschern Erkenntnisse jahrelanger Beobachtung der scheuen südostasiatischen Orang-Utans und kam zu dem Schluss, dass die Menschenaffen eindeutig die Fähigkeit haben, gelernte Verhaltensweisen anzunehmen und weiterzugeben.
Im Mittelpunkt der Studie standen sechs räumlich voneinander getrennte Orang-Utan-Gruppen in Borneo und Sumatra. Dabei stellte sich heraus, dass jede der Gruppen einzigartige Verhaltensweisen praktizierte. Mitglieder von Gruppen in Borneo und Sumatra beispielsweise erzeugen ein quietschendes Geräusch, indem sie die Lippen zusammenpressen und Luft einziehen. Beide Gruppen nutzen Blätter, um das Geräusch zu verstärken, aber nur die Gruppe aus Borneo hat darüber hinaus entdeckt, dass der Klang verändert werden kann, wenn die Hände über den Mund gewölbt werden. Das Geräusch dient offenbar der Kommunikation.

Der deutsche Biologe und Verhaltensforscher HEINZ SIELMANN (geb. 1917) produzierte ab 1947 Filme für den Biologie-Unterricht. Über 100 Dokumentationen für die Internationale Zoologische Film-Enzyklopädie des Instituts für den Wissenschaftlichen Film (IWF) entstanden im Laufe seines Schaffens. Mit seinem dadurch erworbenen Wissen um die Lebensweisen der Tiere und um die Natur in der sie leben, erkannte er schon bald, wie stark Tiere und ihre natürlichen Lebensräume bedroht waren.
Heute widmet er sich vorrangig dem Erhalt wertvoller Lebensräume und versucht vor allem bei jungen Menschen ein Bewusstsein für die Probleme der Natur zu wecken (SIELMANNs Natur-Ranger). Er zeigte als erster Tierdokumentationen im Fernsehen („Expeditionen ins Tierreich“, „SIELMANN 2000“) und produzierte mehrer Tierfilme fürs Kino („Lied der Wildbahn“).

KARL VON FRISCH (1886-1982) entdeckte die Kompassorientierung bei Bienen. Er beschrieb die Polarisation des Himmelslichtes als wichtigen Orientierungs-Faktor bei den Tänzen der Bienen.

Gründung des Internationalen Ethologenkongress
Im Jahre 1949 fand erstmals ein Treffen von 15 Wissenschaftlern statt, die sich mit dem Verhalten von Tier und Mensch beschäftigen. Ins Leben gerufen wurde dieses Ethologentreffen von KONRAD LORENZ (1903-1989) und NICOLAAS TINBERGEN (1907-1988). Aus diesem und dem nachfolgenden Treffen (1950) entwickelte sich innerhalb weniger Jahre ein internationaler Kongress, der in zweijährigem Turnus stattfindet und Teilnehmer aus der ganzen Welt anzieht.

KONRAD LORENZ gründete die Station für vergleichende Verhaltensforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in seinem Geburtsort Altenberg (bei Wien).

ERICH WALTHER VON HOLST (1908-1962) formulierte zusammen mit H. MITTELSTAEDT das Reafferenzprinzip dessen frühere Beschreibungen durch NIKOLAI ALEXANDROWITSCH BERNSTEIN (1896-1966) (1929) und P. K. ANOCHIN (1935) ihnen nicht bekannt waren. Es stellt die Verarbeitungsschritte dar, welche zwischen den sensorischen und den motorischen Systemen zusammenwirken.

Die PAWLOW-Konferenz (28.06.-04.07.1950): Auf Befehl STALINs wurde auf dieser Konferenz versucht, die pawlowschen Ideen als wissenschaftliche Grundlage der marxistischen Ideologie zu dogmatisieren.

Das erste Lehrbuch der Ethologie war die „Instinktlehre“ von NIKOLAAS TINBERGEN (1907-1988).
Sein Instinktmodell lautete wie folgt: „Ein Instinkt ist ein hierarchisch organisierter, nervöser Mechanismus, der auf bestimmte vorwarnende, auslösende und richtende Impulse, sowohl innere wie äußere, anspricht und sie mit wohl koordinierten, lebens- und arterhaltenden Bewegungen beantwortet.“
Vor allem auf TINBERGEN geht das nachdrückliche Bemühen zurück, den zunächst als selbstverständlich hingenommenen Anpassungswert der Verhaltensweisen zu überprüfen. Diese Forschungsrichtung heißt heute Verhaltensökologie.

NIKOLAAS TINBERGEN war niederländisch-englischer Zoologe und Verhaltensforscher und entwickelte zusammen mit KONRAD LORENZ das neue Gebiet der Ethologie. Er untersuchte bei Insekten, Fischen und Vögeln unter natürlichen Lebensbedingungen die angeborenen und umweltbedingten Faktoren ihres Verhaltens.
TINBERGEN formulierte die vier Fragen der Verhaltensforschung bezüglich des Auftretens von Verhaltensphänomenen:

1.Frage nach Mechanismus und Form des Auftretens
2.Frage nach den Ursachen in der Entwicklung (Ontogenese)
3.Frage nach der biologischen Funktion
4.Frage nach der Stammesgeschichte

1973 erhielt er zusammen mit KARL VON FRISCH (1886-1982) und K. LORENZ (1903-1989) den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für ihre Entdeckungen zur Organisation und Auslösung individueller und sozialer Verhaltensweisen.

Weithin bekannt sind seine Attrappenversuche zur Analyse der Auslösbarkeit von Verhalten und zur Hierarschie-Ordnung der Schlüsselreize. Um die hierarchische Ordnung der Schlüsselreize bei der Fragestellung - wie findet die Silbermöwe ihr Nest - zu erklären, führte NICOLAAS TINBERGEN abbauende Attrappenversuche wie folgt durch:
Bei der Ausführung seines Versuches war TINBERGEN nach einem bestimmten Ausschlussverfahren vorgegangen. Er hatte Schritt für Schritt die entsprechenden Originale, also die Eier, das Nest, und den Brutplatz, entfernt, um somit die einwirkenden Reize, welche auf die Silbermöwe beim Finden ihres Nestes wirkten, zu filtern und die Stärke der entsprechenden Schlüsselreize sichtbar werden zu lassen.

In Berlin gründete der deutsche Zoologe und Verhaltenforscher, GÜNTER TEMBROCK (geb. 1918), der als Begründer der Tierpsychologie und Bioakustik gilt, das heute größte Tierstimmenarchiv von Europa. Die mehr als 300 000 Stimmaufnahmen von rund 4 000 Spezies dienen der Erforschung der akustischen Kommunikationssysteme in der Tierwelt (Bioakustik).

Er konnte als Erster nachweisen, dass viele Tiere zur Kommunikation auch ihre Fistelstimme benutzen, diejenige Stimme, die Menschen zum Jodeln oder zum Bauchreden einsetzen.
In der Öffentlichkeit wurde er mit der TV- Sendung „Rendezvous mit Tieren“ (DDR-Fernsehen) bekannt.

Erschien die erste Ausgabe des „British Journal of Animal Behavior“, später unter dem Titel „Animal Behavior“ bekannt.

ERICH VON HOLST (1908-1962) und KONRAD LORENZ (1903-1989) gründeten zusammen mit GUSTAV KRAMER und JÜRGEN ASCHOFF das bis heute bestehende Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie. Seit 1957 hat es seinen Sitz in Seewiesen bei Starnberg (Oberbayern).

BERNHARD GRZIMEK (1909-1887) und sein Sohn MICHAEL GRZIMEK (1934-1959) flogen mit dem legendären, im Zebramuster bemalten Flugzeug (Dornier) für Filmaufnahmen zum Film „Serengeti darf nicht sterben“ nach Afrika. Sie experimentierten mit verschiedenen Methoden um die großen Tierherden in den Weiten der Serengeti zu zählen. Damit sie den Tieren besser folgen konnten versahen sie diese erstmals mit Halsbändern. Absolut neu war damals die Tierzählung aus der Luft. Heute ein etabliertes Mittel in der Verhaltensforschung und im Naturschutz.
MICHAEL GRZIMEK ist während der Filmaufnahmen bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen.

Der HARLOW-Versuch, ein wichtiges Experiment des Psychologen-Ehepaars HARLOW zur Untersuchung der Mutter-Kind-Beziehung.
Der bekannte Attrappenversuch zeigte, dass alle höheren Säuger in ihrer Entwicklung auf das Vorhandensein sozialer Kontakte angewiesen sind. Schwere Verhaltensstörungen treten durch das Fehlen der mütterlichen Pflege und Betreuung auf. In den ersten Lebensjahren ist der Kontakt zu den Bezugspersonen eine wichtige Voraussetzung für die Ausbildung der im genetischen Potenzial angelegten Entwicklungsmöglichkeiten.

Ein Rhesusäffchen-Jungtier bekam eine Draht-Attrappenmutter mit Milchflasche und eine weiche Stoff-Attrappenmutter ohne Milch geboten. Das Rhesusäffchen klammerte sich stets an die kuschelige Attrappe und suchte nur die Drahtattrappe zum Trinken auf, wobei er möglichst versuchte, Kontakt zur Stoffattrappe zu halten. Dadurch wurde widerlegt, dass die Zuneigung zur Mutter nicht allein auf eine Assoziation zwischen Mutter und Befriedigung des Hunger-Antriebs zustande kommt. Alle Rhesusaffen-Jungtiere, die ohne Mutter aufgewachsen sind zeigten später Verhaltensstörungen.
Es ist ein moralisch und ethisch umstrittener Versuch. Es ist die Frage, ob man wirklich beweisen muss, das ein Jungtier oder ein kleines Menschenkind, neben Essen und Trinken nicht auch Zuneigung braucht.

WOLFGANG WICKLER (geb. 1931), Direktor des MAX-PLANCK-Instituts für Verhaltensphysiologie forderte neben der Homolgieforschung auch die Konvergenzforschung (verwandtschaftsunabhängig, durch parallele Anpassung entstandene Verhaltensweisen) unter ökologischen Aspekten innerhalb der Ethologie zu erforschen. Damit entwickelte sich die Verhaltensökologie .
Ein bekanntes Zentrum dafür ist das MAX-PLANCK-Institut für Verhaltensphysiologie in Seewiesen, von dem aus intensive Feldforschung betrieben wird, und zwar bezüglich der Konvergenz-Frage an möglichst verschiedenen Arten, die übereinstimmende soziale Phänomene aufweisen.
Ein weitere wichtiger Ansatz in der Verhaltensökologie ist die Entscheidungsfindung eines Individuums nach ökonomischen Erwägungen von Kosten und Nutzen (Kosten-Nutzen-Analyse).
Die Selektion sollte nur solche Verhaltensweisen begünstigen, deren Kosten-Nutzen-Bilanz positiv ist und im Vergleich zu alternativen in der Population vorhandenen Verhaltensweisen vorteilhaft ist. Kosten sind die Energiemengen, die ein Organismus für ein bestimmtes Verhalten einsetzt oder durch ein bestimmtes Verhalten verliert.

Anlässlich des hundertsten Jahrestags von DARWINS bedeutsamer Publikation „The origin of species“, wurden die Galapagos-Inseln zum Nationalpark erklärt. Gleichzeitig wurde die „CHARLES DARWIN Stiftung“ für die Galapagosinseln» gegründet, welche 1961 die „CHARLES DARWIN Forschungsstation“ bei Puerto Ayora auf der Insel Santa Cruz eröffnete. Man versucht damit die einzigartige Artenvielfalt der Inseln weiter zu erforschen und zu schützen.

In den 60iger Jahren reiste HANS HASS (geb. 1919), österreichischer Zoologe und Meeresforscher, zusammen mit IRENÄUS EIBL-EIBESFELDT (geb. 1928), österreichischer Verhaltensforscher, in alle Erdteile und filmte Menschen ohne deren Wissen mithilfe der von ihm entwickelten Spiegelkamera. Sie entwickelten eine transkulturelle vergleichende Dokumentation in Film und Ton.
HASS und EIBL-EIBESFELDT wollten erforschen, in welcher Weise die am Tier erarbeiteten theoretischen Konzepte zum besseren Verständnis menschlichen Verhaltens beitragen könnten und befassten sich besonders mit Brutpflegeverhalten, Begrüßungsverhalten, Besitzverhalten und Aggression. Dabei fanden sie, dass das Wahrnehmen und Handeln des Menschen durch stammesgeschichtliche Vorprogrammierungen entscheidend mitbestimmt wird.
Durch die fotografischen Mittel der Zeitraffung und Zeitdehnung konnten sie die Mimik und Gestik der Menschen in einer völlig neuen Form beobachten und ihr Verhalten untereinander sowie mit den höher entwickelten Tieren vergleichen.
Dabei stießen sie auf überraschende Ähnlichkeiten. Sie beschäftigten sich mit den Fragen, was am menschlichen Verhalten ererbt, was erworben ist, wieweit wir automatisch auf Reize reagieren und wie frei wir in unserem Verhalten letztlich sind. HASS gilt zusammen mit IRENÄUS EIBL-EIBESFELDT als Mitbegründer der Humanethologie.

EIBL-EIBESFELDT war viele Jahre Mitarbeiter von KONRAD LORENZ (1903-1989).
Er untersuchte zuerst das Gruppenverhalten von Tieren, insbesondere die Mechanismen der Gruppenbindung und die Aggressionskontrolle und widmete sich später verstärkt der Erforschung menschlichen Verhaltens.
Durch seine Beobachtungen an taub und blind geborenen Kindern stellte er fest, dass es sich bei den mimischen Ausdrucksbewegungen Lachen, Weinen, Lächeln und Ärgermiene um Erbkoordinationen handelt.

HANS Hass hatte seine fotografischen und filmischen Fähigkeiten schon in den 1930er Jahren bei Unterwasserbeobachtungen erworben.
Als Begründer der modernen Unterwasserforschung entwickelte er Unterwasserkameras und Taucherglocken. Er gilt als Pionier der Methode des Schwimmtauchens und der modernen Unterwasserfotografie.
Auf seinen berühmten „Xarifa“-Expeditionen, setzte er erstmals Unterwasser-Scheinwerfer ein und es gelang ihm die Entwicklung der ersten Blitzlicht-Unterwasserkamera. HASS drehte Ende der 30iger Jahre die ersten Unterwasserfilme. Er erforschte v. a. das Verhalten an Haien. 1950 wurde er mit dem Film „Abenteuer im Roten Meer“ bekannt.

BERNHARD GRZIMEK (1909-1987), Tierarzt, Zoologe, Verhaltensforscher und durch Film und Fernsehen bekannter Natur- und Tierfilmer erhielt für seinen Dokumentar-Film „Serengeti darf nicht sterben“, den er mit seinem Sohn MICHAEL drehte, den Oscar. MICHAEL GRZIMEK kam bei den Dreharbeiten durch einen Flugzeugabsturz ums Leben (1959).

BERNHARD GRZIMEK leitete 1945-1974 den zoologischen Garten in Frankfurt/Main und war von 1969-1973 Naturschutzbeauftragter der BRD. In vielen populärwissenschaftlichen Büchern, Filmen, Fernsehsendungen und Vorträgen setzte er sich für den Naturschutz und die Erhaltung freilebender Tiere ein. Er war Gründer der Zeitschrift „Das Tier“ (1966ff.) sowie Herausgeber von „GRZIMEKS Tierleben“(1968-74) und „GRZIMEKs Enzyklopädie der Säugetiere“ (1987).
Besonders seine regelmäßigen Fernsehsendungen machten ihn landesweit bekannt und beliebt, z. B. 1954 - „Kein Platz für wilde Tiere“, 1968 - „GRZIMEKs Tierleben“.

Von B. GRZIMEK kam das klassische Experiment zum „guten Fehler“.
Ein „guter Fehler“ ist ein Beweis für Intelligenzleistung, wobei eine zielbedingte Neukombination von Handlungsweisen geschaffen wird, die aber dennoch nicht zum angestrebten Ziel führt. Ein Schimpanse hatte gelernt, eine Türe zu öffnen, indem er einen Stuhl davor stellte, um an die Klinke zu gelangen und diese herunterdrückte. Als eines Tages die Türe abgeschlossen war und die gelernte Öffnungsart nicht zum Erfolg führte, holte der Schimpanse nacheinander verschiedene Stühle herbei, um so das Problem doch noch zu lösen.
Auch Kinder machen in ihrer Entwicklung oft „gute Fehler“, z.B. bemühen sie sich nach mehreren Fehlversuchen, ihren Schatten laufend zu fangen, diesen unauffällig krabbelnd zu überlisten und auf diesem Weg ergreifen zu können.

JANE GOODALL (geb. 1934), britische Primatenforscherin, begann ihre bis heute andauernden Feldforschungen an Schimpansen am Lake Tanganjika im Gebiet des heutigen Gombe Nationalparks (seit 1968) in Tansania. Dies ist übrigens die längste Feldstudie, die jemals durchgeführt wurde.

Sie lieferte einen bedeutenden Beitrag zur Aufklärung von Verhaltensweisen der Primaten, durch die langjährigen Feldsstudien an wildlebenden Schimpansen vor allem im Gombe-Stream Schimpansenreservat in Tansania.
1965 gründete sie das „Gombe-Stream-Research-Center“ und 1977 das „Jane-Goodall Institute for Wildlife-Research, Education and Conservation“, durch das sie die weitere Forschung sicherstellen will.

Ihre damals neue Herangehensweise in der Verhaltensforschung - sie gab den Tieren Namen und schrieb ihnen Intelligenz, Gefühle und Persönlichkeiten zu - wurde zuerst als unwissenschaftlich abgegolten, ist aber mittlerweile weit verbreitet. „Es war mir immer klar, dass Tiere Intelligenz, Gefühle und Persönlichkeiten haben.“, sagt Sie heute. Durch ihre Beobachtungen wurde gezeigt, wie wichtig frühe Kindheitserfahrungen auch beim Mensch für die weitere Entwicklung sind.
Weltweite Bekanntheit erlangte sie mit ihrem Buch „Wilde Schimpansen“ (1971). Sie veröffentlichte u.a. auch mehrere Tierbücher für Kinder.

Kin-selection oder Verwandtenselektion (Sippenselektion) war ein von WILLIAM DONALD HAMILTON (1936-2000) geprägter Begriff der Verhaltensökologie und Soziobiologie. Das Prinzip der Verwandtenselektion beruht darauf, dass Verwandte Träger abstammungsgleicher Gene sind. Mit zunehmender genetischer Verwandtschaft (= Anzahl gemeinsamer Gene) kann die Tendenz zur Konkurrenz abnehmen und die Tendenz zum Altruismus dagegen zunehmen.
HAMILTON war britischer Evolutionsbiologe, Ethologe und Vorreiter der Soziobiologie. Er untersuchte die Auswirkungen der natürlichen Selektion auf das Sozialverhalten der Individuen vor allem unter Berücksichtigung der Verwandtschaftsverhältnisse der Individuen untereinander. Es gelang ihm die präzise Formulierung des Mechanismus des familiären Altruismus in Form mathematischer Gleichungen (HAMILTON-Regel) und fand heraus, dass die Bereitschaft zu einseitiger Hilfe (Altruismus) mit dem Verwandtschaftsgrad korreliert.

Die HAMILTON-Regel: Es besteht eine Chance von immerhin 50 Prozent, dass Geschwister das gleiche Gen von den Eltern geerbt haben. Verhält ein Geschwister sich altruistisch gegenüber dem anderen Geschwister, so kostet dies zwar etwas - z.B. rettet ein Geschwister das andere vor einem Feind, riskiert es sein Leben und somit auch das Leben seiner möglichen Nachkommen.
Gleichzeitig würde das Überleben des Geschwister aber mit einer Chance von 50 Prozent sicherstellen, dass das gleiche Gen, welches das andere Geschwister zur Rettungsaktion veranlasst hat, über die geschwisterlichen Nachkommen in die nächste Generation gelangt.
Dieses Konzept - inzwischen als HAMILTON'sche Regel bekannt - legte HAMILTON 1964 in einer epochemachenden Arbeit dar, die inzwischen zu den meist zitierten Arbeiten in den gesamten Wissenschaften zählt.
Diese Idee der Sippenselektion (kin-selection) revolutionierte das Verständnis vom Sozialverhalten von Tier und Mensch.

Durch die Umgestaltung des Begriffs „Fortpflanzungserfolg“, dem W.D. HAMILTON im Sinne von „Verbreitung oder Weitergabe des eigenen Erbmaterials“ eine neue Gestalt verlieh, konnten altruistische Verhaltensweisen wie das Phänomen der Bruthelfer auch im Sinne der natürlichen Selektion als für die Fitness des Individuums steigerndes Verhalten erläutert werden. Auch in der Beziehung zwischen Eltern und Kind, in der die elterliche Fürsorge als Inbegriff altruistischen Verhaltens gilt, sind - so HAMILTON und ROBERT TRIVERS (geb. 1943), zwei Pioniere der Logik des egoistischen Gens - eigennützige Interessen nachweisbar.
Zuletzt forschte HAMILTON vor allem an der Übertragung des HI-Virus (HIV) vom Schimpansen auf den Menschen (AIDS).

JANE GOODALL (geb. 1934) gründete die „Gombe-Stream-Forschungsstation“ in Tansania zur Erforschung und zum Schutz der dort lebenden Schimpansen.

DIAN FOSSEY (1932-1985), amerikanische Forscherin, gründete in Ruanda, in 3000 Meter Höhe, die Karisoke-Forschungsstation zum Schutz der Berggorillas. Sie führte langjährige Verhaltensstudien (1963-1985) an wildlebenden Berggorillas dort durch.
In der Erforschung der vom Aussterben bedrohten Berggorillas leistete sie im zentralafrikanischen Hochland Pionierarbeit. Ihr Buch „Gorillas im Nebel“ (1983), in dem sie unter anderem von ihrem Zusammenleben mit den Tieren berichtet, machte sie weltbekannt. Als Wissenschaftlerin lieferte sie wichtige Beiträge zum Verhalten und zur Sozialstruktur der Berggorillas.

Der niederländische Ethologe ADRIAAN KORTLANDT (geb. 1918) untersuchte die Gesten von, in der Wildnis lebenden, Schimpansen. Er erkannte, dass durch den Gebrauch von Handgesten, nicht unähnlich zu unseren eigenen, Schimpansen wichtige Informationen austauschen. Diese Entdeckung führte zu einem weiteren Forschungsansatz, in dem es herauszufinden galt, ob Schimpansen Sprache (Zeichensprache) verwenden können.

HANS HASS (geb. 1919) entdeckte Beziehungen und Ähnlichkeiten zwischen den biologischen Strategien der Organismen und den ökonomischen Strategien der Wirtschaft und entwickelte die Energon-Theorie.
Die Energon-Theorie behauptet, dass bei allen Lebewesen der Energieerwerb die wichtigste und zentrale Funktion ist. Sie behandelt die aktive Energiebilanz von Organismen, die sich auch auf Wirtschaftsgeschehen und Managementstrategien übertragen lässt.
Jeder Betrieb müsse sich spezialisieren und sich der Nachfrage so anpassen, wie sich die Tiere in der Evolution ihrer Umwelt anzupassen hatten.

Für die Humanpsychologie besonders wichtig sind die von NICOLAAS TINBERGEN (1907-1988) und seiner Frau ELIZABETH TINBERGEN durchgeführten Untersuchungen zur verhaltensbiologischen Analyse des frühkindlichen Autismus („Early Childhood Autism“).
Die Beobachtungen der Ethologen haben gezeigt, dass sich die verhaltensbiologischen Denkstrukturen und die Methoden der vergleichenden Verhaltensforschung in wesentlichen Bereichen auf das Verhalten des menschlichen Kindes anwenden lassen und zu neuen, erfolgreichen Therapien anregen können.

Nobelpreis:
Verleihung des Nobelpreises für Physologie oder Medizin an KARL VON FRISCH (1886-1982), KONRAD LORENZ (1903-1989) und NIKOLAAS TINBERGEN (1907-1988) für ihre Entdeckungen zur Organisation und Auslösung individueller und sozialer Verhaltensweisen.

Spieltheorie:
Wie Tiere sich optimal verhalten sollten, beschrieb JOHN MAYNARD SMITH (1920-2004) in seiner evolutionären Spieltheorie, ein Modell, das die Entwicklung verschiedener Durchsetzungsstrategien innerhalb einer Population im Computer simuliert. Diese Theorie wurde bereits 1944 in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften durch JOHN VON NEUMANN und O. MORGENSTERN formuliert. Heute ist sie ein wichtiges Instrument zur Erforschung tierischen Sozialverhaltens.

Mit der Veröffentlichung von EDWARD OSBORNE WILSONS (* 1929) Buch „Sociobiologiy - The New Synthesis“, profilierte sich die Soziobiologie entgültig als ein Teilgebiet der Ethologie. Der amerikanische Evolutionsbiologe definierte Soziobiologie als „die systematische Erforschung der biologischen Grundlagen jeglicher Formen des Sozialverhaltens bei allen Arten sozialer Organismen einschließlich des Menschen“. Bekannt wurde er durch seine Erarbeitung der Wirkung von natürlicher Selektion auf biologische Gemeinschaften.
Die Vertreter der klassischen Ethologie waren der Überzeugung, die natürliche Auslese sei ein Mechanismus der arterhaltende Zwecke ausübt. Seit DAWKINS (geb. 1941) Abhandlung „The Selfish Gene“ (Das egoistische Gen, 1976) wurde in der Soziobiologie dieses Paradigma auf den individualistischen Eigennutz der Gene modifiziert.
Die Soziobiologie befasst sich nicht mit den proximaten Ursachen von Verhalten, sondern vor allem mit den ultimaten Ursachen.

RICHARD DAWKINS (geb. 1941) führte mit der Veröffentlichung seiner Abhandlung „The Selfish Gene“ (Das egoistische Gen) ein. Dies löste das lange Zeit vorherrschende gruppenselektionistische Paradigma der Arterhaltung ab und führte die Idee des genetischen individualistischen Eigennutzes ein.
Seither gilt als neuer Kernpunkt der Soziobiologie, dass die evolutionäre Grundeinheit das Gen ist und das der Erfolg eines Genes, also seine Fitness danach bemessen wird, wie häufig es in einer Population vorkommt. Die Evolution ist daher als ökologischer Prozess aufzufassen.
Nach DAWKINS formen uns die Gene, die wir in nachfolgende Generationen weitergeben, nicht nur, sie steuern und dirigieren auch unser Verhalten, um sich selbst zu erhalten. Alle Lebewesen dienen somit vor allem dem Überleben und der Unsterblichkeit der Erbanlagen und sind letztlich nur die 'Behältnisse' der 'egoistischen' Gene.

IRENÄUS EIBL-EIBESFELD (geb. 1928) beschäftigte sich mit den Selektionsvorteilen und Funktionen der Aggression und formulierte drei wesentliche Funktionsbereiche von innerartlichem aggressivem Verhalten:

  • Territoriale Verteilung: Aggressives Verhalten sorgt zunächst einmal für eine „Entfernung“ der Individuen voneinander, sodass „Territorialität“ und eine räumliche Verbreitung der Art entstehen kann. Dadurch können mögliche lokal vernichtende Einflüsse zwar einen Teil der Art vernichten, jedoch nie die gesamte Art.
  • Ausbildung einer Rangordnung: Innerartliche Aggression ist auch Voraussetzung für die Aufrechterhaltung sozialer Rangplätze und damit der Sozialstruktur.
  • Kampf um den Fortpflanzungspartner: Die aggressiv ausgetragene Rivalität um einen möglichst attraktiven Geschlechtspartner garantiert, dass möglichst nur die innerartlich „Besten“ sich fortpflanzen.

Gründung des ersten Jane-Goodall Institute for Wildlife-Research, Education and Conservation als gemeinnützige Einrichtung in der USA.

Während der Forschungen zu den Reproduktionsstrategien gehörten BLURTON JONES und SIBLY zu den ersten, die den neuen theoretischen Ansatz der Soziobiologie einer umfassenden empirischen Überprüfung an menschlichen Gesellschaften unterzogen. Sie untersuchten dazu mithilfe vieler Modellrechnungen das Verhalten der Kalahari-Buschfrauen bei Feldarbeit und Kinderaufzucht:
Erst relativ spät nach ihrer Geschlechtsreife gebären Kalahari-Buschfrauen das erste Kind und bekommen dann durchschnittlich nur alle vier Jahre ein weiteres Kind. Es wurde untersucht, ob diese Beschränkung des Nachwuchses genetisch „altruistisch“ ist, also wegen knapper Ressourcen im arterhaltenden Interesse ist (wie dies von der klassichen Ethologie angenommen würde) oder ob es einer Optimierung der Gen-egoistischen Reproduktivität entspricht?
BLURTON JONES und SIBLY zeigten anhand vieler quantitativer Computer-Simulationen, dass diese Art der Familienplanung eine optimierte Reproduktionsstrategie ist.

FRANS DE WAAL (geb. 1948), niederländischer Ethologe und Primatenforscher, der seine Doktorarbeit über das Kampf- und Koalitionsverhalten von Javaner-Affen schrieb, untersuchte 6 Jahre an der Arnheimer (Niederlande) Schimpansenstation das vielschichtige Sozialverhalten der Schimpansen und verglich es mit dem des Menschen.
Seine Ergebnisse präsentierte er in seinem Buch „Chimpanzee Politics“ (1982) und wurde damit weltbekannt. Darin zeigte er häufige Ähnlichkeiten zwischen tierlichem und menschlichem Sozialverhalten.
Viele Begriffe wie Machtwechsel, Dominanz-Unterlegenheits-Verhältnisse, Zusammenschlüsse, Teile- und Herrsche-Strategien, Koalitionen, Schlichtung, Kollektivführung, Privilegien und Verhandlungstaktiken, die wir eigentlich aus dem menschlichen sozialen Umfeld her kennen, konnte er auch dem von ihm beobachteten Verhalten der Schimpansen zuordnen.

JOHN MAYNARD SMITH (1920-2004) formulierte die evolutionär stabile Strategie (ESS):
Alternative Taktiken - wie z. B. Komment- und Beschädigungskampf - können, wenn sie in einer bestimmten relativen Häufigkeitsverteilung auftreten, im Mittel gleich erfolgreich sein. Damit hat keine mehr einen Selektionsvorteil gegenüber der anderen. Diese Häufigkeitsverteilung nannte er ESS (evolutionär stabile Strategie).
Evolutionär stabil ist also eine bestimmte Häufigkeitsverteilung von Individuen mit verschiedenen reinen Strategien.
Eine Mischstrategie ist evolutionär stabil, wenn sie von allen Mitgliedern einer Population verfolgt wird und durch keine neu auftretende Strategie (unter dem Einfluss der natürlichen Selektion) ersetzt werden kann. Ändern sich die Umweltbedingungen, können andere Strategien evolutionär stabil werden.

DONALD REDFIELD GRIFFIN (1915-2003), amerikanischer Zoologe und Mitbegründer der kognitiven Ethologie, brachte 1984 Bewegung in die bis dahin festgefahrenen wissenschaftlichen Fronten. Mit seinem Buch: „Wie Tiere denken“ forderte er seine wissenschaftlichen Kollegen auf, die immer noch vorherrschende Meinung, dass Tiere nicht denken und keine Bewusstseinsbildung haben, zu überdenken.
Er geht davon aus, das Verstand und Bewusstsein auch den Tieren zugesprochen werden muss, in der Annahme, das alle Tiere, die ein zentrales Nervensystem besitzen auch mehr oder weniger abstrakt denken können. Die Verständigung der Tiere untereinander sollte mehr in den Mittelpunkt wissenschaftlicher Untersuchungen gestellt werden, da die Art und Weise sich mitzuteilen, ein Schlüssel zum Zugang des Bewusstsein der Tiere und somit zum Menschen sein könnte.
Kognitive Ethologie ist eine zum Teil umstrittene Teildisziplin der Ethologie, die bewusstes Denken als einen bedeutenden Teil des Verhaltens bei Tieren betrachtet. Kritiker dieser Forschungsrichtung sind der Meinung, dass die geistig subjektiven Erfahrungen (Emotionen) der Tiere durch wissenschaftliche Methoden nicht direkt zugänglich sind. Dies ist für die Wissenschaftler der kognitiven Biologie jedoch kein Argument gegen das Vorhandensein kognitiver Fähigkeiten und Phänomene.
Die Forschung untersucht, auch in Hinsicht auf die evolutionäre Kontinuität, Verhaltensweisen, die dem Erkenntnisgewinn eines Lebewesens bezüglich seiner Umwelt und sich selbst dienen. Hierzu zählen Kommunikation, Werkzeuggebrauch, Lernverhalten sowie Spiel- und Erkundungsverhalten.

In einer der größten interkulturellen evolutionspsychologischen Untersuchungen zur Partnerwahl (in 37 Kulturen an insgesamt 10 047 Personen) sollten weibliche wie männliche Versuchspersonen durch Rating 18 Charakteristika eines potenziellen Lebensgefährten oder Ehepartners einschätzen.
Hierbei zeigte DAVID M. BUSS (geb. 1953), dass Frauen bei Männern erheblich mehr Wert auf finanzielle Ressourcen legten als umgekehrt Männer bei Frauen.
Männer bevorzugten ausnahmslos Frauen, die jünger sind als sie selbst. Komplementär dazu wünschten sich Frauen ihre Männer im interkulturellen Durchschnitt 3,5 Jahre älter als sich selbst.

Im Fall Krummhörn (Gemeinde in Norddeutschland) wurden Elternstrategien in bäuerlichen Gesellschaften des 17. und 18. Jahrhunderts von ECKART VOLAND und seinen Mitarbeitern untersucht.
Für die groß angelegte historisch-demographische Familienrekonstruktionsstudie analysierten sie die Taufregister und Steuerlisten von 13 benachbarten norddeutschen Gemeinden für die Zeit von 1720 bis 1874.
Sie suchten nach Verhaltensstrategien, die in dem Ort Krummhörn, mit seiner dort gegebenen ökologisch-sozialen Gesamtsituation, dafür sorgten, dass eine möglichst optimale Reproduktionsrate zustande kommen konnte. Unterschiedliche Stillzeiten und die unterschiedliche Anzahl der Taufpaten sind zwei Strategien, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Regulierung der geschlechtsspezifischen Geburtenrate beigetragen haben.

VITTORIO GALLESE und GIACOMO RIZZOLATTI von der Universität Parma entdeckten im prämotorischen Cortex von Primaten Nervenzellen, die wie andere Neuronen auch erregt werden, wenn der Körper eine bestimmte Tätigkeit ausführt, aber auch aktiv sind, wenn die Tätigkeit bei einem anderen Individuum beobachtet wird. Eine völlig neue Erkenntnis, da man bisher von einer strikten Arbeitsteilung des Gehirns, in sensorische und motorische Areale ausgegangen war.
Das Verhalten des anderen Individuums kann demnach gedeutet und verstanden werden. Sie nannten diese Nervenzellen Spiegelneurone.

Auch beim Menschen wurden diese Spiegelneuronen nachgewiesen und es wurde gezeigt, dass sie bei der Sprachverarbeitung eine wichtige Funktion haben. Sie können helfen akustische Informationen anhand von visuellen Reizen zu erweitern.
In einem Versuch bekamen Probanden ein Video vorgespielt, in dem sie Sprecher gezeigt bekamen, deren akustische Sprache verzerrt oder gestört wurde. In dieser Situation wurden die Spiegelzellen besonders aktiv, vermutlich um die fehlende Information durch ein Nachvollziehen der Gesichtsbewegungen zu ergänzen.
Die Forscher nahmen an, dass von diesen Spiegelneuronen Sympathie und Einfühlung, Lernen durch Nachahmung und weitere Formen der menschlichen Kommunikation ausgehen.

Die Evolutionspsychologie entwickelte sich. Während in der traditionellen Soziobiologie sehr globale „Strategien“ des Verhaltens postuliert wurden, begann mit der Evolutionspsychologie eine gründlichere Untersuchung der psychologischen Teilprozesse, die an den einzelnen Strategien beteiligt sind. Auch psychologische Mechanismen sind Gegenstand und Ergebnis der Evolution, und auch über sie entscheidet die Selektion. Zu Beginn der 90er Jahre liefern DAVID BUSS sowie das Ehepaar LEDA COSMIDES und JOHN TOOBY einen ersten theoretischen Entwurf der evolutionären Psychologie (Evolutionspsychologie).

RICHARD W. BYRNE und NADJA CORP analysierten das erfinderische Lösen von Problemen, das Lernen von einem Vorbild durch Beobachten und die Täuschung unter dem Gesichtspunkt der Vorstufen menschlicher Intelligenz.
Täuschung und Betrug, so erkannten sie, sind notwendige Fähigkeiten, um sich in einer Gruppe behaupten zu können, und vermutlich ist es der Gruppendruck, der bei Primaten die Entwicklung von Intelligenz gefördert hat. Ob Primaten ihre Tricks als solche überhaupt bewusst wahrnehmen, ist noch unklar.

Die für den Menschen bedeutsame Mem-Gen-Coevolution hat WILLIAM DURHAM ausführlich behandelt.
Meme sind sogenannte Kenntnis-Einheiten, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Durch Selektion, biologisch und kulturell, bilden sich Konflikte oder Kooperationen zwischen Memen und Genen.
In Nahrungs- und Vitaminmangelgebieten hat sich die Kenntnis und Durchführung der Milchviehhaltung entwickelt, gleichzeitig hat sich die Ausbreitung derjenigen Gene begünstigt, die lebenslang eine Milchzucker-Verdauung erlauben.

Ein anderes Beispiele liefern die Gesangstraditionen vieler Singvögel. Sie bilden oft lokale Dialekte aus, was jedoch zu Verständigungsschwierigkeiten beim Paarungsverhalten führen kann. Somit geraten die Gene und deren Verbreitung in die Abhängigkeit der Dialekttraditionen.

Untreue-Experiment:
DAVID BUSS und seine Arbeitsgruppe legten 511 Studentinnen und Studenten verschiedene Situationsbeschreibungen von Untreue (emotionale und sexuelle) vor, in die sie sich „hineinversetzten“ und anschließend einstufen und bewerten sollten. Dabei wurden auch physiologische Daten erhoben wie Hautwiderstand, Herzrate und die Kontraktion bestimmter mimischer Muskeln (z. B. das Stirnrunzeln).
Frauen beurteilten die emotionale Untreue als deutlich beunruhigender als die sexuelle Untreue ihres Partners und zeigten entsprechende physiologische Reaktionen. Männer reagierten umgekehrt. Sie sind eher eifersüchtig, wenn ihre Partnerin sexuell untreu zu werden droht, da dies für sie die Gefahr erhöht, in Kinder zu investieren, mit denen sie nicht verwandt sind.

Neueste Theorie zur Evolution, Steuerung und Anpassungsfähigkeit des Vogelzugs des Ornithologen PETER BERTHOLD:
Die weitaus häufigste Lebensform der heute lebenden Vogelarten ist die des Teilziehers, wobei ein Teil einer Population im Brutgebiet verbleibt, ein anderer Teil regelmäßig wegzieht (wie z. B. die Amsel).
Diese Lebensform kommt bei Vögeln in allen Kontinenten und systematischen Gruppen vor. Sie ist eine ursprüngliche, entwicklungsgeschichtlich sehr alte Verhaltensweise, die in allen Wirbeltierklassen, bei sehr vielen Nichtwirbeltieren und sogar bei Pflanzen auftritt.
Es ist wahrscheinlich, das Vögel die Fähigkeit zum Teilzug bereits von ihren Vorfahren geerbt haben und damit allgemein mit Erbanlagen für Ziehen und Nichtziehen ausgestattet sind. Entscheidend ist das Verhältnis der beiden Gentypen, ob Vogelindividuen eher Stand- oder Zugvögel sind. Selektion kann die Anteile von Zug- und Standvögeln in Teilzieherpopulationen innerhalb weniger Generationen stark verschieben.

Im Experiment konnten aus Teilziehern in 3-6 Generationen reine Zug- bzw. Standvögel gezüchtet werden. Damit können Vogelpopulationen ihr Zug- oder Standvogelverhalten schnell an neue Umweltbedingungen anpassen, wie z. B. derzeit an Verhältnisse, die durch die rezente Klimaerwärmung bedingt sind. Im Extremfall können Teilzieher so stark in eine Richtung selektiert werden, dass Populationen phänotypisch als reine Zug- oder Standvögel erscheinen, obwohl sie im Genom oder zumindest im Genpool auch noch Gene der anderen Verhaltensweise besitzen.

Spiegelneurone guter Fehler NIKOLAAS TINBERGEN Schlichtung Edward Lee Thorndike Schlüsselreiz KARL VON FRISCH Louis Dollo William Morton Wheeler Donald Redfield Griffin Verhaltensökologie operante Funktionskreis RICHARD DAWKINS John Burroughs latenten Lernen hierarchisches Instinktmodell Mem-Gen-Coevolution Koalitionen Ökologische Nische Schimpansen Elizabeth Tinbergen Werkzeuggebrauch AAM Standvögel Hermann Samuel Reimarus Orang-Utan David Buss Instinktmodell Nomaden Zugvögel Naturbeobachter Wallace Craig Prägung William Durham Gesten Landmarken Mutationshypothese Homolgieforschung Übersprungsverhalten Vittorio Gallese Edward Osborne Wilson Konrad Lorenz Oskar Heinroth Soziobiologie CHARLES DARWIN Verhaltensstörungen Edward Tolman klassischen Konditionierung JANE GOODALL evolutionär stabile Strategie Erich von Holst Berggorillas Michael Grzimek John Maynard Smith egoistische Gen Aggression Sippenselektion Spieltheorie Leda Cosmides Verhaltensrepertoire Peter Berthold Behaviorismus Burrhus Frederic Skinner kognitiven Lerntheorie Heinz Sielmann Charles Otis Whitman Abstammungslehre Iwan Petrowitsch Pawlow Verwandtenselektion Appetenzverhalten Harlow-Versuch Jean Henri Fabre Intelligenzprüfungen John Broadus Watson John Tooby Instinkthandlungen Taxis-Bewegungen Lernverhalten Elternprägung Handlungsbereitschaft Kindchenschema ) Blurton Jones Magdalena Heinroth Giacomo Rizzolatti Neobehaviorismus Fortpflanzungserfolg CARL Kronacher Bewusstseinsbildung Der kleine Albert BIRUTÉ GALDIKAS kin-selection Richard Byrne Eckart Voland Konvergenzforschung Adriaan Kortlandt Domestizierung Günter Tembrock Nadja Corp Ethogramme KASPAR HAUSER Reiz Energon-Theorie Beutefang Darwin-Finken Leerlaufhandlung Teilzieher Humanethologie Partnerwahl angeborener auslösender Mechanismus Wolfgang Wickler Bernhard Grzimek Wolfgang Köhler Autismus Altruismus Friedrich II von Hohenstaufen Höhlenmalereien Kosten-Nutzen-Analyse Sibly Instinkt ALFRED EDMUND BREHM Adaptive Radiation Selektionshypothese Vogelzug Hans Hass kognitiven Landkarte Tierpsychologie psychohydraulisches Triebmodell Irenäus Eibl-Eibesfeld Erbkoordination Effekt-Gesetz Alfred Giard DIAN FOSSEY Jakob von Uexküll Jenan Baptiste Lamarck David Friedrich Weinland Bedingten Reflex Ethologie William Donald Hamilton Bioakustik Vererbungshypothese Umwelt Fitness Ausdruckweisen

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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