Das Fortpflanzungsverhalten umfasst einen umfangreichen Verhaltenskatalog:
Es setzen sich die Varianten in der Evolution durch, die einen Nutzen für die Weitergabe des eigenen Erbguts darstellen, also den direkten Fortpflanzungserfolg verbessern. Bei sehr vielen Tierarten werden von den Weibchen große, Plasma reiche, meist unbewegliche Eizellen produziert. Die Männchen stellen eine riesige Anzahl an kleinen, Plasma armen, beweglichen Spermien bereit. Aus dieser Ungleichartigkeit lassen sich konträre Verhaltensstrategien der beiden Geschlechter ableiten.
Wenn man sich im gesamten Tierreich (einschließlich des Menschen) umsieht, kann man die Männchen und Weibchen einer Tierart anhand von drei unterschiedlichen Kriterien unterscheiden: Ihr Aussehen kann unterschiedlich sein, ihr Verhalten kann geschlechtsspezifisch sein und ihre inneren und äußeren Geschlechtsorgane sind unterschiedlich ausgebildet. Wenn sich ein weibliches und ein männliches Tier in ihrem Aussehen sehr stark unterscheiden und somit offensichtliche physische Geschlechtsunterschiede aufweisen, bezeichnet man diesen Umstand als Sexualdimorphismus. Stellen wir uns Hirsche vor, so kann man Männchen und Weibchen sehr gut voneinander unterscheiden, bei den Kaninchen sieht es allerdings schon ganz anders aus, hier fällt die Einteilung ob weiblich oder männlich erst leichter, wenn man das Paarungsverhalten beider Tiere beobachtet, bzw. die äußeren und inneren Geschlechtsorgane genauer untersucht. Bei den Fischen unterscheiden sich auch die äußeren Geschlechtsorgane kaum, man sieht bei beiden Geschlechtern einfache Öffnungen, in denen die Keimdrüsen münden.
Der einzige durchgängige Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Tieren aller Tierarten sind die unterschiedlichen Keimdrüsen. Wenngleich auch diese sich z. B. bei den Wirbellosen in ihrer äußeren Form kaum unterscheiden, so produzieren sie aber in jedem Fall unterschiedliche Keimzellen.
Während die Keimzellen der Weibchen, die Eizellen, ein sehr großes Ausmaß erreichen, Plasma reich und meist unbeweglich sind, sind die Keimzellen der Männchen, die Spermien, klein, sehr beweglich und werden in riesiger Anzahl produziert. Diese unterschiedliche Größe von Eizelle und Spermium (Gameten) bezeichnet man auch als Anisogamie. Ein weiterer wichtiger Unterschied muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden: Während Männchen riesige Mengen der winzigen Spermien erzeugen, produzieren die Weibchen dagegen nur wenige sehr große Eizellen. Daraus folgt, das Männchen sehr viele Nachkommen haben können, während sich für die Weibchen aufgrund der begrenzten Anzahl ihrer Eizellen ihre Reproduktionsrate deutlich einschränkt.
Wenn ein Biologe von Sexualität spricht, so meint er damit die Bildung eines neuen Organismus, der genetisches Material seiner beiden Elternteile enthält. Alle uns bekannten sexuellen Vorgänge sind in dieser Definition berücksichtigt. Sexualverhalten beinhaltet also all die Verhaltensweisen, die unmittelbar diesem Zweck dienen. Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Partnersuche, der Partnerwahl bis hin zum Auf- und Abgeben der Gameten gehören in diese Kategorie. Für die Vereinigung des genetischen Materials stellen sowohl die Geschlechtsorgane als auch die sexuellen Verhaltensweisen die proximaten Mechanismen dar. Selbstverständlich ist es auch beim Sexualverhalten in der Evolution zu Funktionsänderungen gekommen: So ist die ursprüngliche sexuelle Verhaltensweise „Hoden streicheln/berühren“ bei den Bonobos (Zwergschimpansen) ein Mittel den Anderen zu beruhigen bzw. ggf. zu trösten.
Männliche und weibliche Individuen verfolgen bei der Wahl des Fortpflanzungspartners oft sehr unterschiedliche Interessen. Allen Geschlechtern gleich ist, dass sie Partner bevorzugen, die aufgrund ihrer Fitness einen möglichst großen Fortpflanzungserfolg, also gesunde, überlebensfähige Jungtiere, garantieren. Aus der Anisogamie heraus kann die Maximierung des Reproduktionserfolges für Männchen und Weibchen jedoch völlig unterschiedlich aussehen:
Um diese enorme Anzahl an Spermien zu produzieren, benötigt ein Männchen kaum etwas von seiner Biomasse, seine Kosten sind daher sehr gering. Wenn die Weibchen „mitspielen würden“ (WAS SIE NICHT TUN!), könnten die Männchen ihre Gene mithilfe vieler Kopulationen an viele Nachkommen weitergeben. Wenn Weibchen aber einen möglichst großen Anteil ihrer Gene in der nachfolgenden Generation sicher stellen wollen, müssen sie eine andere Strategie als die Männchen verfolgen. Da sie nur sehr wenige Gameten bzw. Eizellen produzieren, versuchen sie möglichst viele ihrer Nachkommen am Leben zu erhalten. Sie haben absolut gar nichts von vielen Kopulationen mit vielen Männchen. Um ihren Reproduktionserfolg zu maximieren, benötigen sie in erster Linie Nahrung, Schutz und Unterstützung bzw. Hilfe für sich und ihre Nachkommen. Die eigenen Nachkommen müssen gute bzw. erfolgreiche Erbanlagen aufweisen, die ja zur Hälfte vom väterlichen Organismus stammen, sie sollten also ihren Reproduktionspartner nach diesen Eigenschaften auswählen und zwar nach dem Motto „Qualität statt Quantität“. Die Männchen verfolgen die umgekehrte Strategie: „Quantität statt Qualität“, sie wollen so viele Eizellen wie möglich befruchten, was zusätzlich zur Folge hat, dass die Männchen der meisten Tierarten massiv um die paarungsbereiten Weibchen konkurrieren, denn alle Männchen streben viele Kopulationen mit möglichst vielen Weibchen an. Der geschlechtsspezifische Interessenskonflikt beeinträchtigt ganz gravierend das Sexualverhalten, die Partnerwahl und die unterschiedlichen Paarungssysteme.
Die Konkurrenz unter den Männchen kann entweder in eine direkte Auseinandersetzung ausarten oder aber sich in seinem Werbungs- bzw. Balzverhalten um die Gunst des Weibchens äußern.
Bei der Partnerwahl bzw. sexuellen Selektion gibt es also erhebliche Unterschiede: Versucht ein Männchen ein Weibchen für sich zu erobern, sind seine Fähigkeiten einem starken Selektionsdruck ausgesetzt.
Man unterscheidet zwei Formen der sexuellen Selektion:
Nicht selten wirken beide Selektionstypen zusammen. Stehen nur wenige Weibchen als potenzielle Fortpflanzungspartner zur Verfügung oder ist der Aufwand der elterlichen Investitionen bei der Jungenaufzucht sehr groß, wirkt die sexuelle Selektion sehr stark.
Die intrasexuelle Selektion kann man z. B. bei Wölfen, vielen Huftierarten und bei vielen Primatenarten beobachten: Die Rangordnung in der Gruppe entscheidet über den Zugang zu den paarungsbereiten Weibchen. Die ranghöchsten Männchen paaren sich in der Regel auch mit den meisten Weibchen. Bei Steppenpavianen gab es erst abweichende Beobachtungen, aber man erkannte bei genauerem Beobachten, dass sich die dominanten Männchen auch dort zumindest an den empfängnisbereiten Tagen den ausschließlichen Zugang zu den Weibchen gegenüber den anderen rangtieferen Männchen sicherten. Natürlich konkurrieren die Männchen untereinander auch um Laich- und Brutplätze und um geeignete Reviere, die für die Aufzucht der Jungtiere bedeutend sind. Wenn um Reviere gekämpft wird, sind die Männchen im Vorteil, die in ihrer Kampfstärke überzeugen, daher findet man bei Tierarten, die direkt miteinander um die Reproduktionspartnerin konkurrieren, eine besonders starke Ausprägung der Sexualmerkmale und somit einen ausgeprägten Sexualdimorphismus (z. B. Paviane, Löwen, See-Elefanten).
Männchen müssen demnach bei vielen Tierarten durch ihr Balz- bzw. Werbungsverhalten um das paarungsbereite Weibchen buhlen, indem sie ihre sekundären Geschlechtsmerkmale zum Ausdruck ihrer Fitness präsentieren. Sie können aber auch mithilfe von Revieren, Nestern oder Nahrung versuchen, die Gunst der Weibchen zu gewinnen. Aus dem Tierreich sind uns viele Beispiele des Balzverhalten der Männchen bekannt:
Es gibt auch einige Vogel- und Säugetierarten, bei denen man eine regelrechte Gruppenbalz beobachten kann: Die Birkhühner z. B. sammeln sich auf einem großen Balzplatz und locken die Weibchen mit ihren Rufen und Bewegungen an. Die Weibchen legen zum Teil große Entfernungen zurück und können unter einer großen Anzahl von potenziellen Paarungspartnern auswählen. In diesem Zusammenhang spielen Territorialverhalten und Dominanz eine entscheidende Rolle. Sehr zentrale Plätze oder aber erhöhte Plätze können nur von den dominanten Männchen eingenommen werden und meist entscheiden sich die Weibchen dann auch für die Männchen, die diese Position für sich behaupten können.
Vergleicht man die unterschiedlichen Primatenarten miteinander, so fällt auf, dass die Hodengröße sowohl absolut als auch im Verhältnis zum Körpergewicht bei den einzelnen Arten sehr unterschiedlich ausfällt. Größere Hoden produzieren mehr Spermien als kleinere Hoden. Was hat es auf sich, mit dieser Besonderheit? Wenn sich ein Primatenmännchen mit einem Weibchen gepaart hat, ist sein Fortpflanzungserfolg noch längst nicht gesichert, da das Weibchen vorher oder hinterher mit einem anderen Männchen kopulieren kann. Das führt zur Spermienkonkurrenz im Genitaltrakt des Weibchens, nur ein Spermium schafft den Weg in die Eizelle. Bei den Primatenarten, wo also mehrere Männchen mit dem paarungsbereiten Weibchen kopulieren, wie das z. B. von den Schimpansen bekannt ist, sind die Hoden der Männchen größer und bei monogamen Arten, z. B. bei den Gibbons, wo in der Regel nur ein Männchen sich mit dem Weibchen paart, sind wesentlich kleiner Hoden, die auch weniger Spermien produzieren, vorhanden.
Libellenmännchen besitzen sogar ein spezielles Organ (Löffelchen) am Hinterteil mit dem sie vor der eigenen Kopulation das Sperma einer früheren Begattung entfernen können. Libellen paaren sich in der Regel in der Luft, eine akrobatische Meisterleistung. Männchen und Weibchen legen sich dabei mit Kopf und Hinterleib dicht aneinander, man spricht auch vom Hochzeitsrad der Libellen, da die Körper auf diese Weise im Flug ein Rad bilden. Das Weibchen wird mit der Hinterleibszange des Männchens im Genick festgehalten. Wenn das Weibchen paarungsbereit ist, entnimmt es aus der Genitalöffnung des Männchens ein Spermapaket. Damit sich während der Paarung keine Rivalen mit dem Weibchen paaren können, bleibt das Hochzeitsrad bis zur Eiablage bestehen.
Bei den Tierarten jedoch, die zusätzlich Brutpflege betreiben, kommen noch andere Parameter bezüglich der Partnerwahl hinzu: Wenn die Mütter die Jungen allein aufziehen, investieren sie ein Vielfaches an Zeit und Energie in ihren Nachwuchs. Die „richtige“ Partnerwahl hat für diese Weibchen einen weitaus höheren Stellenwert als für die Männchen, die in erster Linie an einer möglichst weiten Verbreitung ihres Erbguts interessiert sind. Während also die Männchen versuchen, sich mit möglichst vielen Weibchen zu paaren, kommt es den Weibchen eher darauf an, einen geeigneten, „fitten“ Partner zu finden, der seine „attraktiven“ Gene an die gemeinsamen Nachkommen weitergibt. Investieren beide Elternteile gleichermaßen in die Aufzucht der Jungen, ist die Partnerwahl in der Regel ein sehr aufwendiger Prozess. Es gibt aber auch Fälle, wo die Männchen die Brutpflege übernehmen oder aber andere Gruppenmitglieder sich an der Aufzucht beteiligen.
Es gibt auch Tierarten, bei denen sich einige Individuen zugunsten anderer Gruppenmitglieder nicht selbst fortpflanzen und diese bei der Aufzucht ihrer Jungen unterstützen. Dieses auf den ersten Blick uneigennützige altruistische Verhalten widerspricht dem egoistischen Streben nach einem maximalen Fortpflanzungserfolg. Da die Tiere dieser Gesellschaften oder Staaten mehr oder weniger eng miteinander verwandt sind, tragen sie durch ihre Unterstützung auf indirekte Weise (indirekte Fitness) zur Weitergabe ihrer Gene bei. Dieses Phänomen bezeichnet man auch alsVerwandtenselektion (kin selection). Es wurde u. a. bei Bienen, Ameisen, Wespen, Termiten, Nacktmullen, Graufischern, Murmeltieren, Zieseln und Krallenaffen untersucht.
1. Faszinierende Balzrituale bei Vögeln:
2. Paarung bei Insekten:
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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