- Lexikon
- Biologie Abitur
- 1 Die Biologie Grundlagen, Ziele und Methoden
- 1.3 Biowissenschaften
- 1.3.2 Die Biologie gründet auf speziellen Denk- und Arbeitsweisen
- Denk- und Arbeitsweisen der Biologie
Die Suche nach plausiblen Erklärungen für uns geheimnisvoll erscheinender Naturphänomene ist Grundintention von Naturwissenschaften. Der Motor, der dieses Vehikel des Suchens bewegt, ist die uns eingepflanzte Neugier, die schon Aristoteles - Begründer der Logik, Biologie und Physik - als Urquell aller Naturwissenschaften und der Philosophie genannt hatte. Wissenschaftliche Neugier und der Wissensdrang der Menschen ist Antrieb für die Entstehung der Naturwissenschaften, insbesondere der Biologie. Diese Neugier rechtfertigt jedoch nicht alles. Die Wissenschaft hat sich an die allgemeinen Grundregeln der Menschenrechte, der Ethik und an die Tier- und Naturschutzgesetze zu halten.
Ein Ziel der Biologie ist, Zusammenhänge in der Natur und Wechselwirkungen zwischen den Organismen und ihrer Umwelt zu erkennen und zu begreifen, die Vielfalt der Lebewesen zu entdecken und diese und ihre Teilsysteme zu beschreiben und zu erforschen. Dabei spielt sie mittlerweile auch eine große Rolle im Natur- und Umweltschutz und in der Medizin.
Zur Erforschung der Natur werden biologische Prozesse beobachtet, beschrieben und Experimente durchgeführt, über deren Ergebnisse sich die Biologen untereinander verständigen und wechselseitig Anregungen geben und Kritik üben und ihre neu erlangten Kenntnisse weitergeben. Zu diesem Zweck hat die Biologie in ihrem Entwicklungsverlauf ein spezifisches Begriffssystem entwickelt.
Ein Begriff ist die gedankliche und sprachliche Widerspiegelung einer Klasse von Objekten (Stoffe, Vorgänge, Erscheinungen, usw.) auf der Grundlage gemeinsam festgelegter Merkmale.
Merkmale sind hervorgehobene und vorher festgelegte Eigenschaften einer Klasse von Objekten. Auf der Grundlage gemeinsamer, invarianter Merkmale werden naturwissenschaftliche Begriffe eindeutig definiert und so von anderen Begriffen unterschieden. Diese nennt man Fachbegriffe. Fachbegriffe knüpfen häufig an Alltagsbegriffe an. Die fachliche Definition ist aber exakter und unterscheidet sich oft von der Bedeutung, die diese Begriffe im Alltag haben. Die einzelnen Fachbegriffe sind in ihrer inhaltlichen Aussage aufeinander abgestimmt und bilden in ihrer Gesamtheit ein wissenschaftliches Begriffssystem, welches die Grundlage für die Fachsprache in der Naturwissenschaft darstellt. Im heutigen globalen Zeitalter ist die allgemeingültige Wissenschaftssprache Englisch, damit können sich Wissenschaftler weltweit miteinander verständigen und Missverständnisse durch Übersetzungsfehler werden ausgeschlossen.
Die Definition eines Begriffes erfolgt in den einzelnen Wissenschaften danach, welches gemeinsame Merkmal von Objekten als wesentlich festgelegt wird. Deshalb können Fachbegriffe in den verschiedenen Naturwissenschaften durchaus unterschiedlich definiert sein.
Übersicht über Denk- und Arbeitsweisen der Biologie
Die Weitergabe von Erfahrungen, die in Gehirn, Büchern oder anderen Datenträgern gespeichert und an andere Individuen weitergegeben werden, bezeichnet man als kulturelle Evolution.
Der Biologe durchstreift die unterschiedlichsten Lebensräume wie z. B. Meere, Wüsten oder Dschungelwälder in denen vielfältige Lebensformen zu komplexen Netzwerken verwoben sind, die man auch als Ökosysteme bezeichnet.
Um das Leben zu erforschen, untersucht der Mensch in der Natur und Laboratorien, wie ein Organismus aufgebaut ist und funktioniert oder wie biologische Prozesse ablaufen. Seine geistigen Fähigkeiten und technischen Leistungen ermöglichen es ihm, sowohl die submikroskopische Welt der Moleküle, aus denen die Bausteine der einzelnen Organismen - die Zellen - sich zusammensetzen, als auch das mikroskopische Reich der Zellen zu entdecken. Die Durchdringung oder aber das Begreifen der Strukturen und Prozesse des Lebens erfordert einige Hilfsmittel (z. B. Mikroskop, Chemikalien, Computer) und Methoden (Nachweismethoden). Außerdem sind bestimmte Tätigkeiten in der Biologie erforderlich, um Erkenntnisse über Vorgänge, Zusammenhänge und Gesetze in der Natur zu gewinnen, zu begreifen und letztendlich auch darzustellen.
Biologisches Denken und Arbeiten versucht, ausgehend von bekanntem Wissen neue Erkenntnisbereiche durch theoretische Überlegungen und praktische Techniken systematisch zu erschließen. Diese neu geschaffenen Erkenntnisse sollen bestehende Vorstellungen, Theorien, Regeln, Gesetze oder Modelle erweitern oder ggf. auch negieren. Sie sollen beobachtbar und reproduzierbar sein. Der wissenschaftliche Prozess basiert auf theoriegeleitetem und systematischen Vorgehen.
Wesentliche Kennzeichen sind die Verwendung allgemein anerkannter Praktiken und Methoden.
Durch das permanente systematische Erweitern von allgemein anerkanntem Wissen und dessen Weitergabe an andere wird das vorhandene Wissensgebäude schrittweise aufgebaut. Aus gewonnenen Ergebnissen formen sich meist wieder neue Probleme und Fragestellungen.
Es muss aber auch betont werden, das nicht allein die systematische Vorgehensweise für die Forschungsentwicklung Grundlage ist. Eine wichtige Rolle spielen - vor allem wenn es um „Neuland“ geht, wie dies meist in der Grundlagenforschung der Fall ist - auch das Probieren, die Intuition und der Zufall. Das wird besonders deutlich, wenn man sich ansieht, wie bedeutende Wissenschaftler zu ihren Entdeckungen gekommen sind.
Gerade die großen wissenschaftlichen Leistungen sind häufig nicht nur Ergebnis jahrelanger, zielstrebiger Forschung, sondern erst durch ungeplante Zufälle im Labor möglich geworden. Aus so manchem Zufall wurde bald eine Legende. Etwa die um den Schimmelpilz Penicillium notatum, der im November 1928 die Bakterienkulturen Alexander Flemings verunreinigt hat und so zum Geburtshelfer des Penicillins wurde und seinem Entdecker den Nobelpreis (1945) einbrachte.
Mit dem reinen Zufall ist es allerdings höchst selten getan, es ist meist erst der Anfang jahrelanger harter Arbeit.
Zusammenfassend kann man sagen: Systematische und zielstrebige Arbeit in Verbindung mit Intuition, Glück und Zufall können in der Biologie zu bemerkenswerten Ergebnissen führen.
GALILEO GALILEI (1564-1642) zeigte als einer der ersten Wissenschaftler, dass man zu neuen Erkenntnissen nicht allein durch logische oder andere theoretische Überlegungen kommt, sondern dass man seine Überlegungen mit Experimenten überprüfen muss. Damit führte er eine neue Denk- und Arbeitsweise in die Naturwissenschaft ein.
Das Verdienst GALILEIs besteht aber nicht nur darin, das Experiment als Arbeitsweise in die Naturwissenschaft eingeführt zu haben, denn Beobachtungen und Versuche gab es schon vor seiner Zeit. Er hat vor allem die Stellung des Experiments im Erkenntnisprozess neu bestimmt. GALILEI führte Experimente auf der Grundlage klar formulierter Hypothesen durch. Eine Hypothese ist eine wissenschaftlich begründete Annahme, wie das Ergebnis aussehen könnte. Das Experiment wurde eine gezielte Frage an die Natur, die von der Natur beantwortet wird.
In der Biologie führt die Erkenntnis heute in erster Linie über das Experiment, mit denen wissenschaftliche Annahmen - die Hypothesen - überprüft werden. Wird die Hypothese experimentell oder durch Beobachtung bestätigt, kann daraus eine neue Erkenntnis abgeleitet werden. Aber auch wenn sich die Annahme als nicht zutreffend herausstellt, wird aus dem Experiment eine Erkenntnis gewonnen.
Wissenschaftliches Arbeiten ist mit dem Lösen eines Kriminalfalles vergleichbar.
Durch Beobachtung eines Phänomens oder durch mündliche oder schriftliche Informationen werden wir mit einem Problem konfrontiert und erfassen dieses möglichst genau. Schon Albert Einstein sagte: „Die Formulierung eines Problems ist oft wichtiger als seine Lösung.“
Wir versuchen, diesen „Fall“ aufzuklären, indem wir nach möglichen Erklärungen (Hypothesen) suchen. Die Hypothesenbildung ist Grundlage eines jeden biologischen Forschungsprozesses. Oftmals werden neben der Arbeitshypothese auch Alternativhypothesen aufgestellt. Denn mit dem Beweis einer Hypothese ist die Problemlösung meist nicht vollständig aufgeklärt. Es ist zu überlegen, ob es sinnvoller ist ein Experiment zu wählen, das die Hypothese beweist oder widerlegt. In vielen Fällen sollte man zudem ein Kontrollexperiment entwickeln, in dem die sogenannte Störgröße ausgeschlossen wird.
Es empfiehlt sich, für das Experiment das einfachste System zu benutzen, welches noch die zu untersuchenden Eigenschaften besitzt. Dazu werden in der Biologie oftmals Modellorganismen genutzt, einfache Organismen, die sich durch unkomplizierte und überschaubare Strukturen auszeichnen. Dies sind meist Bakterien, Tiere oder Pflanzen, die mit einfachen Methoden zu untersuchen, leicht zu züchten und zu halten sind. In der Entwicklungsbiologie und Genetik hat sich z. B. die Taufliege Drosophila melanogaster und der Fadenwurm Caenorhabditis elegans bewährt, in der Physiologie wird häufig mit der Heuschrecke Locusta migratoria und dem medizinischen Blutegel Hirudo medicinalis gearbeitet. Ratten und Mäuse sind ebenfalls auf grund ihrer leichten Züchtung, Haltung und ihrer kurzen Generationszeit viel untersuchte Lebewesen. Die, mit diesen Modellorganismen, gewonnenen Erkenntnisse sind in vielen Fällen auf den Menschen und andere Organismen übertragbar. (Modellorganismen sind die am besten untersuchten Organismen.)
Ein Experiment geht immer einher mit einem detailliertem Versuchsprotokoll, damit es später rekonstruierbar ist und von jedem nachvollzogen werden kann. Darin werden alle Überlegungen formuliert und sämtliche Geräte, Bedingungen, Techniken und Methoden beschrieben. Die gemessenen Daten, oder beobachteten Reaktionen und der gesamte Verlauf des Experiments werden notiert. Die Ergebnisse werden interpretiert, beurteilt, überschaubar und aussagekräftig dargestellt und durch begründete Schlussfolgerungen kommentiert, mit anderen Erkenntnissen verglichen und diskutiert und anderen in mündlicher (z. B. Vortrag) oder schriftlicher (wissenschaftliche Veröffentlichung) Form präsentiert.
Ein Schluss vom Besonderen, also von vielen Einzelfällen, auf eine allgemeine Regel oder Gesetzmäßigkeit wird als Induktion bezeichnet. Der umgekehrte Schluss vom Allgemeinen auf das Besondere heißt Deduktion . Induktive und deduktive Vorgehensweisen sind im naturwissenschaftlichen Erkenntnisprozess eng miteinander verknüpft.
Übersicht über die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung
An einem Beispiel soll das erklärt werden: Der Bau zahlreicher Blüten wird untersucht, dabei wird festgestellt, dass mehrere Arten denselben Blütenaufbau haben. Aus dem ähnlichen Bauplan kann man auf eine Zusammengehörigkeit schließen, die man auf eine gemeinsame Abstammung (Familie Lippenblütengewächse) zurückführt (Induktion). Findet man bei weiteren Arten denselben Blütenaufbau, kann man daraus folgern, dass es sich bei diesen Arten um Lippenblütengewächse handelt (Deduktion).
So getroffene Verallgemeinerungen müssen der experimentellen Prüfung im Einzelfall Stand halten (bei der Verwandtschaft von Pflanzenarten etwa einer DNA-Analyse). Voraussetzung für die Wirksamkeit einer solchen Vorgehensweise ist die nicht überprüfbare Annahme, dass es eine vorhandene Naturordnung gibt, die mit der induktiven Methode aufgedeckt werden kann (MAX HARTMANN, 1953). Nach KARL POPPER (1966, 1984) werden jedoch vom Wissenschaftler immer nur diejenigen Aspekte der Wirklichkeit erfasst, die er aufgrund seiner eingeschränkten Fragestellung überhaupt beachtet. Erkenntnisse sind deshalb immer von Vorannahmen (Hypothesen, Theorien) abhängig.
Wissenschaftliche Hypothesen sind stets so formuliert, dass Folgerungen aus ihnen durch Beobachtungen oder Experimente überprüfbar und auch widerlegbar sind. Wissenschaftlicher Fortschritt kommt dadurch zustande, dass Ergebnisse den Vorhersagen einer Hypothese widersprechen und diese deshalb verworfen oder abgewandelt werden muss, um sie mit den Ergebnissen in Übereinstimmung zu bringen (hypothetisch deduktives Verfahren)
Der experimentellen Biologie wird die deskriptive (beschreibende) Biologie gegenübergestellt. Sie wird meist etwas negativ bewertet, dabei wird oft vergessen, dass sich die komplexen Strukturen von Organismen oft nur beschreibend erfassen lassen und die unverzichtbare Grundlage jeder biologischen Disziplin bildet. KONRAD LORENZ nannte es einen modernen Irrglauben, auf Beschreibung verzichten zu können.
Die Beschreibung von Lebewesen erfolgt nach ihren wesentlichen morphologischen, anatomischen oder Verhaltens-Mekmalen. Der Vergleich mit anderen Lebewesen dient ihrer genauen Zuordnung in taxonomische Gruppen, z. B. bedient sich die Homologieforschung der Beschreibung und dem Vergleich komplexer Strukturen. Die Aussage, allen Säugetieren ist ein sekundäres Kiefergelenk gemeinsam, ist eine qualitative Gesetzesaussage, die ausschließlich durch die Beschreibung und Vergleich zu ermitteln ist.
Die Beschreibung und Analyse von Bauplänen führt z. B. zur Erschließung phylogenetischer Zusammenhänge und zu regionalen und systematischen Gliederungsversuche der Verbreitung von Lebewesen auf der Erde.
Eine weitere theoretische Arbeitsweise ist die Modellbildung. Manche Zusammenhänge sind zu komplex, um sie gedanklich zu erfassen. Für die Forschung innerhalb eines solch kompliziert strukturierten Sachverhaltes ist die Entwicklung eines abstrakten Modells hilfreich. Voraussetzung für die Modell-Bildung ist eine möglichst exakte Beschreibung und Analyse des zu untersuchenden Sachverhaltes. Modelle werden aus bekannten Zusammenhängen gebildet um Zusammenhänge anderer Wirkungsbereiche zu erklären und um Phänomene zu simulieren damit zukünftige Auswirkungen abgeschätzt und erklärt werden können.
Beschreibungsmodelle veranschaulichen Abläufe, Erklärungsmodelle machen Abläufe verständlich und begründbar, Entscheidungsmodelle helfen bei der Vorhersage zukünftiger Entwicklungen und liefern Grundlagen für notwendige Entscheidungen. Die in der Biologie ermittelte Gesetzlichkeiten werden dabei als einheitliche Gesetze der realen Welt verallgemeinert. Ein bekanntes Modell ist das Instinktmodell von NIKOLAAS TINBERGEN, das angeborene Verhaltensmuster veranschaulichen soll.
Bei diesem theoretischen Prozess wird genauso vorgegangen wie beim experimentellen Forschungsprozess, das Experiment wird dabei durch die Arbeit des Betrachtens, Beschreibens, Vergleichens und der Modellbildung ersetzt.
Grundlage ist ebenfalls die Erkennung eines Problems und die Bildung von, auf Gesetzen, Regeln und Modellen begründeten Hypothesen. Diese werden bewiesen oder widerlegt und die gefundenen Erkenntnisse geprüft, beurteilt, dargestellt und mit anderen Erkenntnissen verglichen. Schlussfolgerungen werden gezogen, diskutiert und die Ergebnisse präsentiert.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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